Nabelchirurgie in der Gynäkologie

Einer der größten Fortschritte der Chirurgie war die MIC, die mikroinvasive Chirurgie oder „Knopflochchirurgie“, die es erlaubt, mit kleinen Schnitten auszukommen, wo Operationen früher große Narben hinterließen und durch die Öffnung des Bauchraumes mit einem entsprechenden Risiko verbunden waren. Nun soll es weitgehend ganz ohne sichtbare Narben gehen, denn operiert wird über eine bereits bestehende Narbe – den Nabel. Somit kommt es nach diesen Eingriffen zu keinen neuen kosmetisch störenden Spuren an der Haut. Übernommen wurde diese Methode aus der Bauchchirurgie. Die erste Cholezystektomie über den Nabel wurde 2008 an der Innsbrucker Klinik durchgeführt. Österreich ist in dieser Disziplin führend. Prim. Univ.-Prof. Dr. Helmut Weiss, Salzburg, gilt mit mehr als 1.500 bauchchirurgischen Eingriffen als Europas Spitzenreiter. Prim. Ass. Prof. Dr. Kurt Heim, LKH Kirchdorf (OÖ), hat die Technik schrittweise speziell für die gynäkologische Chirurgie adaptiert. Vor allem jüngere Frauen entscheiden sich immer öfter für die „spurlose“ Chirurgie – und das mit gutem Grund.

„USEL“ als Option

Bereits seit geraumer Zeit versucht man in der Gynäkologie, bestehende Körperöffnungen als operative Zugänge zu nutzen. „Etwas, das wir in der Gynäkologie schon über viele Jahrzehnte erfolgreich mit der vaginalen Gebärmutterentfernung praktiziert haben. Weiter im Inneren des Becken- und Bauchraumes wurde es aber dann schon sehr schwierig, risikoreicher bis unmöglich zu operieren“, erklärt Dr. Kurt Heim. Eine neue Option ist der Zugang über den Nabel. Der Nabel ist eine „natürliche“ Narbe und damit ein potenzieller Zugangsweg, der als „Operationsöffnung“ keine zusätzliche Narbe hinterlässt. Zusätzlich ist er in einer natürlichen Hautgrube verborgen. Verständlicherweise ist es aber nicht einfach, über eine einzige, derartig kleine Öffnung Licht, Bild und Werkzeuge einzuleiten, zu bedienen und auf sehr beengtem Raum mit Instrumenten zu agieren.
Der fachliche Terminus „USEL“, den Heim verwendet, steht für „Umbilical Single Entry Laparoscopy“. Es stehen für Varianten dieser Methode aber auch eine Reihe anderer Kürzel wie NOS (Natural Orefice Surgery), SILS (Single Incision Laparoscopic Surgery) oder LESS (Laparo-Endoscopic Single Site), um nur einige zu nennen. Bereits vor drei Jahren hat Heim begonnen, das Vorbild aus der Bauchchirurgie für die operative Gynäkologie zu adaptieren und zu nutzen. Zu Beginn konnte die Technik den medizinisch-chirurgischen Anforderungen nicht entsprechen. Die Instrumente waren klobig, unhandlich und vor allem starr. Eine erhebliche technische Hürde war zu nehmen. „Letztlich handelt es sich um eine Knopflochchirurgie, die die Tatsache ausnützt, dass in der Bauchdecke bereits eine natürliche Narbe vorhanden ist – der Nabel. Hier gehen wir mit unseren Instrumenten ein und hinterlassen so keine nennenswerten Spuren, denn die Narbenbildung innerhalb des Nabels wird kosmetisch so gut wie nicht wahrgenommen. Damit wird optisch der Traum von der narbenlosen Chirurgie letztlich wahr“, so Heim.
Heute stehen auch flexiblere Instrumente zur Verfügung, die innerhalb des Operationsgebietes im Inneren des Bauchraumes mehr „Bewegungsfreiheit“ ermöglichen. Bis zu drei Instrumente können die Operateure über den Nabelzugang einbringen. Nicht nur „Darstellen“ (Licht & Optik) und „Präparieren“, „Schneiden“, „Verschweißen“, sondern auch Nähen in der Tiefe wird ermöglicht.

Technik und Kosten

Zunächst wird ein Pneumoperitoneum mittels Veress-Nadel hergestellt. Drei zirkuläre Hautinzisionen am Rand der Nabelgrube stellen die Zugänge dar, über die drei einfache 5mm-Einmaltrokare mit kleinen Ventilköpfen eingeführt werden. Als Optik dient ein extralanges 5mm-30-Grad-Laparoskop. Konventionelle 5mm-Instrumente ergänzen das Setting. Gegebenenfalls kommen abwinkelbare Instrumente zur Anwendung. Zum Bergen von Gewebe dient ein TycoEndoCatch.
Die enorme Herausforderung bestand vor allem zu Beginn darin, hier nicht eine OP-Technik zu etablieren, die zu einer unangemessenen Kostenexplosion führt. Zahlreiche Innovationen wurden seitens der Industrie zwar entwickelt, konnten dem steigenden Kostendruck jedoch nicht gerecht werden. Das ist letztlich auch ein wesentlicher Grund dafür, warum diese Methode noch nicht breiter eingesetzt wird. Man achtet darauf, vor allem wiederverwendbare Instrumente einzusetzen, mit vorhandenem Instrumentarium auszukommen und verzichtet vor allem auf ein zusätzliches Portsystem.

Erfreuliche Ergebnisse

Mit März 2012 wurden USEL-Eingriffe an insgesamt 46 Patientinnen im Alter von 14 bis 63 Jahren durchgeführt. Die Eingriffe verliefen komplikationslos. Lediglich die OP-Dauer war vor allem anfänglich um 20 % erhöht.
„Grundsätzlich bieten wir allen Frauen diese Technik an. Der Trend geht allerdings dahin, dass vor allem jüngere Frauen nur mehr mit dieser Methode operiert werden wollen. Ich denke beispielhaft etwa an die kürzliche Entfernung zweier großer (Para)Ovarialzysten bei einem jungen Mädchen. Da ist es nicht mehr notwendig, die Bauchdecke mit lebenslangen Narben zu verunzieren“, ist Heim überzeugt. Nicht alle, aber sehr viele gynäkochirurgische Eingriffe können über diese Technik „narbenlos“ durchgeführt werden. Das Angebot reicht von der Sterilitätsabklärung über die Sterilisation und Entfernung von Zysten bis zur Behandlung von Eileiterschwangerschaften, der Entfernung von Eierstöcken, Myomen und der Gebärmutter. „Insgesamt stehen wir zwar noch am Beginn dieser Technik“, so Pionier Heim, der diese Methode bereits bei Kongressen und Fachtagungen präsentiert hat, „aber durch die wachsende Erfahrung und eine rasant verlaufende technische Entwicklung können wir weitere Verbesserungen durchführen. In einigen Jahren wird das für die Mehrzahl der chirurgischen Eingriffe in der Frauenheilkunde möglicherweise der Standard sein!“