Pulswellenanalyse erkennt kardiovaskuläres Risiko

Herz-Kreislauf-Erkrankungen nehmen zu und sind mittlerweile, etwa in Form von Herzinfarkten oder Schlaganfällen, für jeden zweiten Todesfall in Europa mitverantwortlich. Hoher Blutdruck und Blutfette spielen bedeutende Rollen in der Risikoanalyse dieser Krankheiten. Epidemiologische Zahlen zeigen aber, dass nur rund 40 Prozent der koronaren Herzerkrankungen durch diese Risikofaktoren erklärt werden können. Daher reicht die Blutdruckmessung alleine nicht aus, um das tatsächliche kardiovaskuläre Risiko zu erkennen. Ein Schlüssel zur besseren Risikoanalyse ist die Identifikation verkalkter Regionen in den Gefäßen. Versteifte zentrale Blutbahnen führen zur erhöhten Herzarbeit und Schädigung der Mikrostrukturen in den Organen. Beginnt sich ein Organschaden zu manifestieren, steigt die Wahrscheinlichkeit eines dramatischen Herz-Keislauf-Ereignisses bereits bei systolischen Blutdrücken über 130 mmHg an.

Diagnose

Um eine Zunahme der Steifigkeit in den zentralen Gefäßen und Organen besser zu erkennen, schlagen die europäischen Gesellschaften für Hypertensiologie und Kardiologie in ihren aktuellen EHS/ESC-Behandlungsrichtlinien die Pulswellenanalyse vor. Darunter ist die Ableitung von Herz-Kreislauf-Parametern (beispielsweise das Schlagvolumen des Herzens) aus Form und Dynamik der Pulswelle zu verstehen. Mit dieser Methode lässt sich anhand der Druckkurve in der Aorta die zentrale arterielle Steifigkeit bestimmen. Die Diagnostik erfolgt dabei vor allem über die Parameter systolischer Blutdruck in der Aorta und Augmentationsindex.

ESH und ESC schlagen daher die Aufnahme dieser Untersuchungen in medizinische Vorsorgeprogramme vor, um so möglichst früh gute und personalisierte Risikoprofile zu erhalten. Doch nicht nur in der Risikoabschätzung kann die Pulswellenanalyse hilfreich sein, auch im Rahmen der Therapiekontrolle gibt sie wertvolle Anhaltspunkte über Wirkungsweise und Verlauf der gewählten Behandlungsstrategie.

Therapie

Für pharmakologische Interventionen gelten folgende Beziehungen, erklärt Projektleiter Mag. Dr. Siegfried Wassertheurer, stellvertretender Geschäftsfeldleiter von Biomedical Systems im Health & Environment Department: „Primär auf die Vorlast ausgerichtete Wirkstoffe verändern die Form der Pulswelle kaum, da sie entweder die Fundamentalfrequenz des Systems selbst oder deren Amplitude ändern. Nachlastorientierte Substanzen greifen wiederum primär die höheren Frequenzbereiche an und verändern die Pulswellenform teilweise dramatisch. A priori ist jedoch nicht vorherzusagen, wie stark der Effekt im Einzelfall sein wird und ob er peripher wie zentral gleich ausfällt. Das hängt vom Herzzeitvolumen, von der Gefäßelastizität, vom Abstromwiderstand und vom Tagesrhythmus ab. Und genau hier kann die Pulswellenanalyse Einblick und Hilfestellung geben, um einerseits den hämodynamischen Status besser zu erfassen und andererseits möglicherweise effektiver therapieren zu können.“

Einfach & kosteneffektiv

Bisher bestand das Problem vorwiegend darin, dass diese Methode nur invasiv oder sehr aufwändig in spezialisierten Universitätskliniken angewendet werden konnte. Einem Forschungsteam des AIT Health & Environment Departments ist es allerdings gelungen, eine innovative Form der Pulswellenanalyse auf Basis der etablierten oszillometrischen Blutdruckmessung zu entwickeln, die eine entsprechend umfassende Messung kostengünstig, ohne zusätzliches Know-how oder Personalaufwand ermöglicht.

Dafür wird ein mobiles Langzeitblutdruckmessgerät, der Mobil- O-Graph® NG, verwendet. Er wird von der deutschen Firma I.E.M. GmbH gebaut und bietet zusätzlich zur 24-Stunden-Blutdruckmessung auch die Möglichkeit, über die integrierten PWA-Algorithmen des AIT den aortalen Blutdruck, den Augmentationsindex und das Schlagvolumen über eine herkömmliche Oberarmmanschette zu bestimmen. Diese zusätzlichen Parameter können parallel oder unabhängig zu der Blutdruckmessung vom Assistenzpersonal erhoben werden. Damit wird es erstmals möglich, zusätzlich zur klassischen Blutdruck- Praxismessung auch die Gefäßsteifigkeit festzustellen und eine Wirkungsbeurteilung von Antihypertensiva vorzunehmen. „Der Vorteil“, sagt Projektleiter Wassertheurer, „liegt zweifelsfrei in der schnellen, einfachen und kosteneffektiven Beurteilung des realen kardiovaskulären Risikos des Patienten.“ Die neue Technologie lässt sich nahtlos in die bestehenden klinischen Prozesstechnologien einfügen. Einen zusätzlichen Mehrwert bringen die umfassenden Messdaten zudem im immer wichtiger werdenden Bereich des Qualitätsmanagements. Denn Diagnoseergebnisse und Therapieanweisungen lassen sich dadurch fundierter unterlegen und nachvollziehbar dokumentieren.