Wundtherapie im Wandel der Zeit

Das älteste bisher bekannte medizinische Dokument, das eine Beschreibung des Wundverschlusses und der Technik des Wundverbandes enthält, ist der Edwin-Smith-Papyrus und stammt aus der Zeit 1.700 v. Chr. „Im Gegensatz zur Antike, in der kunstvolle Bindenverbände angelegt wurden, konzentriert sich die mittelalterliche Chirurgie auf die Verwendung von Scharpie als Verbandstoff. Als Scharpie bezeichnet man Fasern, die durch Zupfen oder Schaben von Leinwand entstehen“, erläutert Christian Balon, diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, akademischer Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege, stellvertretender Direktor der Gesundheits- und Krankenpflegeschule Mistelbach sowie Leiter der Sonderausbildung für Intensiv- und Anästhesiepflege. Viele weitere Schritte führten dann zu den Grundlagen, auf denen die heutige Wundbehandlung noch immer beruht.

Der Beginn der Antisepsis

Der Chemiker Louis Pasteur (1822-1895) kam zur Überzeugung, dass ansteckende Krankheiten durch Mikroben verursacht werden. Joseph Lister kommt das Verdienst zu, aus Pasteurs Arbeiten die ersten praktischen Konsequenzen gezogen zu haben. „Um diese Keime von den Wunden fernzuhalten bzw. bereits in der Wunde enthaltene Keime zu vernichten, führte er die Desinfektion mit Karbolsäure ein. Neben der Besprühung des Operationsfeldes wurden auch Instrumente und Verbände in Karbol getränkt. Lister gilt daher als Begründer der Antisepsis. Sein 1867 publiziertes Verfahren konnte trotz anfänglicher leichter Widerstände die Todesraten bei Wundinfektionen deutlich senken. Interessanterweise wurde damals schon eine Kostendiskussion geführt. Der Karbol-Verband nach Lister war etwas teurer als die herkömmlichen Wundabdeckungen. Da aber durch die desinfizierende Wirkung der Karbol-Verbände die Rate an nosokomialen Wundinfektionen und damit auch die Aufenthaltsdauer der Patienten im Hospital gesenkt werden konnte, wurde im Endeffekt eine Kostensenkung transparent“, berichtet Balon.

Neuentwicklungen von Verbandstoffen

Diese allgemeinen Neuerungen im Bereich der Wundbehandlung erforderten auch eine Neuentwicklung von Verbandstoffen. „Die Baumwollwatte hat damals wesentlich dazu beigetragen, die Herrschaft von Scharpie endgültig zu brechen. Die Frage der geringen Saugfähigkeit der Baumwolle löste der Tübinger Chirurg Prof. Victor von Bruns gemeinsam mit dem Apotheker Johannes Schmid: Sie entwickelten ein Verfahren, die Baumwolle zu entfetten und so saugfähig zu machen. H.T. Bäschlin war der erste Unternehmer, der die Bruns’sche Erfindung der Verbandwatte industriell ausgewertet hat“, erzählt Balon. Im 20. Jahrhundert wurde Zellstoffwatte oder Verbandzellstoff, ein Spezialprodukt der Papierherstellung, wegen seiner guten Saugfähigkeit und seines günstigen Preises eine ernsthafte Konkurrenz für die textile Watte. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene mit Borsäure, Jodoform oder Salicylsäure imprägnierte Verbände entwickelt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts stellte Johnson & Johnson die ersten sterilen Verbände in den USA her. 1936 wurde eine Anzahl von Standardverbänden in das Arzneimittelregister aufgenommen.

Die feuchte Wundbehandlung

1962 veröffentlichte George Winter die erste wissenschaftliche Abhandlung über die Vorteile der feuchten Wundbehandlung. Befürchtungen, das im feuchten Milieu die Wundinfektionsrate ansteigt, konnten in den 80er-Jahren durch eine groß angelegte Multicenter-Studie entkräftigt werden. Zu dieser Zeit formulierte Turner seine Anforderungen an den optimalen Wundverband, in denen er bereits Wirkprinzipien der feuchten Wundbehandlung verwendete. „Diese Anforderungen sind heute noch gültig und führten zu einer regen Forschungstätigkeit auch im Bereich der chronischen Wunden“, betont Balon abschließend.