Typ-1-Diabetes kommt nicht immer allein

Assoziierte Erkrankungen

Typ-1-Diabetes (T1D) ist eine der häufigsten Stoffwechselerkrankungen im Kindes- und Jugendalter und ist häufig mit Komorbiditäten assoziiert.
Diese umfassen andere assoziierte Autoimmunerkrankungen und Komorbiditäten, die Haut, Gewicht und Längenwachstum, Knochen und Gelenke betreffen können.
Dieser Artikel befasst sich hauptsächlich mit assoziierten Autoimmunerkrankungen.

Assoziierte Autoimmunerkrankungen

Die Assoziation zwischen T1D und anderen Autoimmunerkrankungen ist gut bekannt. Ein gemeinsamer genetischer Hintergrund, wahrscheinlich zusammen mit bestimmten Triggerfaktoren, dürfte dafür verantwortlich sein.
Die beiden häufigsten assoziierten Autoimmunerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit T1D sind die Autoimmunthyreoiditis und die Zöliakie.
Da diese oft asymptomatisch verlaufen, sollen regelmäßige Screening-Untersuchungen auf diese häufigen Begleiterkrankungen durchgeführt werden.
Selten können auch Antikörper gegen die Nebenniere oder Parietalzellen der Magenschleimhaut nachgewiesen werden. Weitere assoziierte Autoimmunerkrankungen, die im Zusammenhang mit T1D beschrieben sind, sind die juvenile rheumatoide Arthritis, die Sarkoidose, das Sjögren-Syndrom und chronisch entzündliche Darmerkrankungen (CED).
Ärztinnen und Ärzte, die Kinder und Jugendliche mit T1D betreuen, sollen bei entsprechenden Symptomen auch an das Vorliegen dieser seltenen Autoimmunerkrankungen denken und eine entsprechende Abklärung durchführen.

Autoimmunthyreoiditis – Hypothyreose: Schilddrüsenerkrankungen sind die häufigsten assoziierten Autoimmunerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit T1D.
Die Inzidenz der Autoimmunthyreoiditis liegt in der Normalbevölkerung zwischen 0,3 und 1,1/100 Patientenjahre, und bei Kindern und Jugendlichen mit T1D bei 3–8 %. Bereits im ersten Jahr der Diabetesdiagnose sind bei bis zu 29 % der Patienten Schilddrüsen-AK (Anti-TPO, Anti-TG) nachweisbar, diese gehen einer latenten oder klinisch manifesten Hypothyreose oft voraus. Mädchen sind häufiger betroffen als Buben, besonders während der Pubertät. Zusätzlich besteht eine Assoziation mit dem Alter und der Diabetesdauer. Die Prävalenz der Autoimmunthyreoiditis nimmt mit dem Alter zu, wobei bei den meisten Patienten eine Hypothyreose vorliegt.
Als klinische Symptome können Struma, Gewichtszunahme, Müdigkeit, verzögertes Wachstum, verzögerte Pubertätsentwicklung und Kälteintoleranz vorliegen. Sehr häufig ist die Hypothyreose aber asymptomatisch und wird nur im Screening diagnostiziert, weshalb die ISPAD Consensus Guidelines 2018 ein Screening auf assoziierte Schilddrüsenerkrankung empfehlen.
Eine unbehandelte Hypothyreose kann zu einer Verschlechterung des Lipidprofils im Sinne einer Erhöhung von Cholesterin, LDL und Triglyzeriden führen.

Autoimmunthyreoiditis – Hyperthyreose: Die Hyperthyreose kommt bei Kindern und Jugendlichen mit T1D deutlich seltener vor als die Hypothyreose, jedoch insgesamt häufiger als in der Normalbevölkerung. Die Prävalenz wird mit 0,5–6 % angegeben. Die Ursache der Hyperthyreose ist entweder die hyperthyreote Phase der Autoimmunthyreoiditis Hashimoto oder ein Morbus Basedow.
Klinische Symptome: Gewichtsverlust bei normalem bis gesteigertem Appetit, Agitation, Tachykardie, Tremor, Hitzewallungen, Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen, Struma und Exophthalmus.

Zöliakie

Die Zöliakie ist die zweithäufigste assoziierte Autoimmunerkrankung bei Kindern und Jugendlichen mit T1D. Die Prävalenz der Zöliakie (CD) bei Kindern mit T1D liegt zwischen 1 und 10 % mit einer Inzidenz von ca. 8/1.000 Patienten und ist damit höher als in der Normalbevölkerung. In einem internationalen Vergleich von 3 Kontinenten, in dem 52.721 Kinder und Jugendliche mit T1D eingeschlossen wurden, zeigt sich eine durchschnittliche Prävalenz von 3,5 %, mit Prävalenzraten von 1,9 % in den USA, 3,2 % in Deutschland/Österreich bis zu 7,7 % in Australien.

Risikofaktoren: Das Risiko für eine Zöliakie ist invers mit dem Alter bei Erstmanifestation assoziiert, mit dem höchsten Risiko bei den Kindern, die vor dem 5. Lebensjahr an Diabetes erkranken. Die meisten Fälle werden im ersten Jahr nach Diabeteserstmanifestation diagnostiziert, gefolgt von der 2–5-Jahres-Periode, wobei besonders Kleinkinder ein erhöhtes Risiko haben. Die Mehrheit der Fälle wird innerhalb der ersten 10 Jahre des Screenings diagnostiziert, aber es gibt vereinzelt auch Fälle, die erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden.

Klinische Symptome: Bei Kindern mit T1D findet man sehr häufig oligosymptomatische bzw. asymptomatische Verlaufsformen, was bedeutet, dass die klassischen Symptome der Zöliakie wie Gedeihstörung, Durchfälle oder Bauchschmerzen oft/meist nicht vorliegen. Besonders im Kindesalter kann eine undiagnostizierte und unbehandelte Zöliakie, auch ohne offensichtliche Symptome, zu Anämie, Wachstumsverzögerung und Störungen der Pubertätsentwicklung führen.
Da die meisten Kinder mit T1D asymptomatisch sind, wird in den ISPAD Consensus Guidelines 2018 ein Screening auf CD empfohlen.

Diagnose: Zum Screening für CD werden IgA-Antikörper (Tissue-Transglutaminase-AK [tTG-AK] und/oder endomysiale AK [EMA]) empfohlen. Ein IgA-Mangel muss ausgeschlossen werden, da sonst die Interpretation der Befunde verfälscht sein kann (falsch negativ). Im Fall eines IgA-Mangels beurteilt man die tTG-IgG oder/und EMA-IgG.
Bei positiven AK soll diese Bestimmung wiederholt werden. Wenn die Antikörper zweimal positiv sind, sollte das Kind einem pädiatrischen Gastroenterologen zugewiesen werden.
Die aktuellen ESPGHAN Guidelines aus 2020 empfehlen, dass bei Patienten mit hochpositiven tTG-AK (> 10-Fache des oberen Normbereichs) auf eine Dünndarmbiopsie verzichtet werden kann. In diesen neuen Guidelines wird aber nicht speziell auf die Gruppe der Kinder und Jugendlichen mit T1D eingegangen.
Die APEDÖ (Arbeitsgruppe Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie Österreich) empfiehlt derzeit bei asymptomatischen Kindern mit T1D und positiven tTG-AK (unabhängig von der Höhe der AK) weiterhin die Duodenalbiopsie, um die Diagnose anhand der Marsh-Klassifikation zu bestätigen. Ob bei asymptomatischen Kindern mit T1D und hochpositiven tTG-AK weiterhin die Duodenalbiopsie, durchgeführt werden soll, wird derzeit diskutiert, und diese Frage muss noch in weiteren Expertengremien geklärt werden.

Therapie: Die Therapie besteht in der glutenfreien Diät (GFD). Kinder mit der Zusatzdiagnose CD und deren Familien sollen eine Schulung bezüglich GFD durch eine/n erfahrene/n Diätologin/Diätologen erhalten.
Auch bei asymptomatischen Kindern mit durch eine Biopsie gesicherter CD ist eine glutenfreie Ernährung gerechtfertigt, um das Risiko für gastrointestinale Tumoren, Osteoporose und Eisenmangelanämie zu reduzieren.
Weiters konnten Studien zeigen, dass eine langjährige CD mit einem erhöhten Risiko für Retinopathie assoziiert ist und dass ­Patienten mit schlechter Compliance der GFD ein erhöhtes Risiko für eine Mikroalbuminurie haben können.

Morbus Addison

Bis zu 2 % der Patienten mit T1D haben nachweisbare antiadrenale AK. Morbus Addison, die primäre Nebenniereninsuffizienz, kann auch bei T1D mit dem autoimmunen polyglandulären Syndrom (APS I und II) assoziiert sein.

Klinische Symptome: häufige Hypoglykämien, unerklärliche Reduktion des Insulinbedarfes, vermehrte Hautpigmentierung, Mattigkeit, Hypotonie, Gewichtsverlust, Hyponatriämie, Hyperkaliämie

Autoimmungastritis

Parietalzellantikörper (PCA) sind Marker für eine Autoimmungastritis und sind gegen die H+/K+-ATPase der Magenbelegzellen gerichtet. Die chronische Zerstörung der Protonenpumpe führt zu Eisenmangelanämie durch verminderte Säureproduktion und durch verminderte Eisenresorption. PCA inhibieren auch die Sekretion des Intrinsic Factors, was zu einem Vitamin-B12-Mangel und zu einer perniziösen Anämie führen kann.
Die Prävalenz der PCA bei Kindern und Jugendlichen mit T1D liegt zwischen 5,3 und 7,5 %.
Ärztinnen und Ärzte sollen bei Vorliegen eines unklaren Eisenmangels, einer perniziösen Anämie und/oder gastrointestinaler Symptome auch an das mögliche Vorliegen einer Autoimmungastritis denken. Ein generelles Screening wird nicht empfohlen.

Screening-Empfehlungen laut ISPAD Consensus Guidelines 2018

  • regelmäßige Messung von Größe und Gewicht (Verwendung von alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilen), Blutdruck (Verwendung von Perzentilen) und Beurteilung der Pubertätsentwicklung (Tanner-Stadien)
  • Screening auf zusätzliche Schilddrüsenfunktionsstörungen:

– bei T1D-Erstmanifestation: basales TSH, fT4, fT3 und TPO-AK
– danach alle 2 Jahre bei asymptomatischen Patienten ohne Struma
– bei Symptomen häufiger-bei V. a. Hyperthyreose: Bestimmung von TRAK

  • Screening auf Zöliakie:

-bei T1D-Erstmanifestation: mittels IgA, tTG IgA und EMA
-Ein Screening auf IgA-Mangel sollte bei Erstmanifestation des T1D durchgeführt werden. Bei bestätigtem IgA-Mangel sollte das CD-Screening mit IgG-spezifischen Tests (tTG-IgG und/oder EMA-IgG) durchgeführt werden.
-danach nach 2 und 5 Jahren
-bei klinischen Symptomen oder erstgradigen Verwandten häufiger
-bei 2-fach positiven AK: Transfer an einen pädiatrischen Gastroenterologen

  • regelmäßige Überprüfung der Haut, hier v. a. der Injektions-/Katheterstellen und Sensorstellen
  • Screening auf Vitamin-D-Mangel sollte, speziell in Risikogruppen (zusätzliche CD, Hypothyreose, dunkle Haut), erwogen werden.

Bei entsprechenden klinischen Symptomen sollten Ärztinnen und Ärzte an das mögliche Vorliegen eines Morbus Addison, einer Autoimmungastritis, einer rheumatoiden Arthritis oder einer CED denken und eine weitere Abklärung durchführen.

Resümee

Die beiden häufigsten assoziierten Autoimmunerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen mit T1D sind die Autoimmunthyreoiditis und die Zöliakie. Da diese häufig asymptomatisch sind, sollen in der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit T1D regelmäßige Screening-Untersuchungen auf assoziierte Autoimmunthyreoiditis und Zöliakie durchgeführt werden. Weiters sollten regelmäßige Messungen von Länge und Gewicht, Blutdruck und Beurteilung der Pubertätsentwicklung (Tanner-Stadien) durchgeführt werden. Die regelmäßige Überprüfung der Haut, hier v. a. der Injektions-/Katheterstellen und Sensorstellen ist empfohlen.


Weiterführende Literatur:
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