Brustrekonstruktion: PRO autologe Rekonstruktion

Indikationen und Entscheidungsprozess: Die Entscheidung, ob eine Rekonstruktion der Brust – sei es Sofortrekonstruktion oder Sekundärrekonstruktion – mit Implantat oder Eigengewebe oder einer Kombination von Eigengewebe mit Implantat oder über den Umweg der Gewebeexpansion mit Implantat oder gleich mit einem definitiven Expanderimplantat durchgeführt wird, sollte sich an den Ausgangsbedingungen an der Patientin selbst, aber nicht an logistischen Problemen orientieren.
Priorität hat fraglos der Wunsch der betroffenen Patientin, Allgemeinzustand und Operations- bzw. Operationsrisiko begrenzen im Einzelfall möglicherweise die Durchführbarkeit. Die Fokussierung der methodischen Indikationsstellung bei dieser ersten Operation zur Rekonstruktion von Volumen und Form der Brust erfolgt allerdings durch den Lokalbefund: Definition des Volumen- und Formdefizits, Evaluation der potenziellen Heberegion inklusive Morbidität der Hebestelle im Fall der Eigengewebsrekonstruktion und Vorgabe durch Form und Größe der gesunden Gegenseite. Dient diese als Modell für die Rekonstruktion oder soll diese ohnehin im gesamten Konzept verkleinert und/oder gehoben werden? Als Konsequenz muss das Gesamtkonzept von Anbeginn erstellt werden, um auch von der meist zweiten, komplettierenden Operation der Rekonstruktion Überlegungen zur ersten Operation ableiten zu können.
So konnten wir im Rahmen unserer 35-jährigen methodischen Entwicklung zur Brustrekonstruktion einen Algorithmus (Abb. 2) erstellen, der die Wahl der Operationstechnik in Abhängigkeit vom notwendigen Resektionsverfahren ermöglicht. Darauf aufbauend ergibt sich die weitere Auswahl des Verfahrens gemeinsam mit der Patientin selbst unter Einbeziehung limitierender Faktoren bzw. der Vorgabe des Lokalbefundes. Die nun unter bestimmten Voraussetzungen onkologisch zulässigen Mastektomie-Verfahren mit Erhalt der Brusthaut bzw. von Mamilla und Areola haben hier nochmals eine umfangreiche Revision eingeleitet und dabei der zuletzt meist überlegenen Eigengewebsrekonstruktion in manchen Indikationen auch die Implantatrekonstruktion wieder mit vergleichbaren Ergebnissen gegenüberstellen können.

 

 

Sofort- oder Sekundärrekonstruktion der Brust: Fraglos spielt die Entscheidung zur Sofortrekonstruktion eine wesentliche Rolle bei der Wahl des Rekonstruktionsverfahrens. So kann man heute zusammenfassen, dass die beste Rekonstruktionsqualität durch eine Sofortrekonstruktion mit Eigengewebe erzielbar ist und ein befriedigendes Rekonstruktionsergebnis unter Verwendung von Brustimplantaten am ehesten durch Sofortrekonstruktion bei hauterhaltender Mastektomie erreicht werden kann. Die schwierigsten Ausgangssituationen für eine erfolgreiche Prothesenrekonstruktion sind die Kombination von Sekundärrekonstruktion und Zustand nach Bestrahlung. Dieser Weg sollte nur ausnahmsweise und aus ganz individuellen Gründen der Patientin beschritten werden.
So hat sich auch an unserer Abteilung seit 1990 das Verhältnis Sofort- zu Sekundärrekonstruktion sehr zugunsten Sofortrekons truktion und das Spektrum angewendeter Techniken von einer Bevorzugung der Kombination von Brustimplantat und Latissimusdorsi-Lappenplastik zwischen 1991 und 2007 zu einer Dominanz von reinen Eigengewebsrekonstruktionen meist mit freien DIEP-(Deep Inferior Epigastric artery Perforator flap) seltener TRAM-Lappenplastiken (Transverse Rectus Abdominis Myocutaneous flap) vom Unterbauch gewandelt. Die Verwendung von Brustimplantaten erfolgt fast nur mehr bei der Sofortrekonstruktion nach hauterhaltender Mastektomie. Der myokutane Latissimus- dorsi-Lappen ist fraglos noch immer eine sehr gute, verlässliche Technik, kommt aber fast nur bei Problemlösungen zum Zug. War das Verhältnis Sofort- zu Sekundärrekonstruktion 1991–2007 an unserer Institution immerhin schon etwa 50:50, ist es heute weiter auf 75:25 angestiegen.

Spezifische Vorteile der Eigengewebsrekonstruktion bei kleiner und bei großer Brust: Die kleine Brust stellt besondere Anforderungen an das Erzielen einer Symmetrie des Gesamtergebnisses: Volumendifferenzen sind leichter ersichtlich, der Volumenbedarf ist oft mit den vorgegebenen Volumenstufen von Implantaten nicht genau zu erfüllen, eine Angleichung der gesunden Seite ist meist auszuschließen, negative Form- und Konsistenzresultate zeichnen bei kleiner Brust deutlicher durch die geringe Weichteildecke durch. Nicht nur aus diesen Gründen ist auch bei kleiner Brust die Rekonstruktion mit rein autologem Gewebe zu bevorzugen, sondern weil auch der geringere Gewebsbedarf Techniken wie die freie myokutane Gracilislappenplastik mit mikrochirurgischem Gefäßanschluss und besonders unauffälliger und unproblematischer Entnahmestelle am ganz proximalen Oberschenkel mit exzellentem, symmetrischem Form- und Größenergebnis ermöglicht. Auch der gefäßgestielte, myokutane Latissimus-dorsi-Lappen hat hier nach wie vor als alleiniger Rekrutierungsaufwand für eine Symmetrie der Größe seine Berechtigung, mit dem Vorteil geringeren operativen Aufwands, aber mit der auffälligeren Entnahmestelle am Rücken.
Im Gegensatz zum freien Gracilis-Lappen und gestielten Latissimus-dorsi-Lappen bietet eine Implantatrekonstruktion – als wesentlichen Nachteil – nicht die Möglichkeit der Rekonstruktion des fehlenden Processus axillaris der Brust. Dieser Nachteil kommt so wie ein defizitäres Ergebnis im Decolleté besonders beim Tragen ausgeschnittener Sommerkleidung oder eines Badeanzuges zum Tragen. In Abb. 3 ist bei vergleichbarer Indikation die Sofortrekonstruktion mit erweitertem Latissimus dorsi alleine der Sekundärrekonstruktion mit Gewebeexpander und in einer zweiten Operation Ersatz durch definitives Silikonimplantat präoperativ und im Spätergebnis gegenübergestellt: Bei der Eigengewebsrekonstruktion ist ohne Tangieren der gesunden Brust ein völlig symmetrisches Ergebnis mit kleiner, natürlich leicht ptotischer Brust und vor allem einem perfekten Processus axillaris und entsprechender vorderer Axillarfalte erreicht. Die Implantatrekonstruktion erfordert ein symmetrierendes Implantat an der gesunden Seite, und mit der mangelnden Verformung durch die Schwerkraft und bei Bewegungen und der Leere am Übergang zur vorderen Axillarfalte ein eher unnatürliches Ergebnis. Daran kann auch nichts die vorgängige Gewebeexpansion etwas ändern. Die Qualität des Decolletés ist durch das Abzeichnen des Implantatlagers durch die dünne Weichteildecke eingeschränkt.
Ein Vergleich von Implantatrekonstruktion und solcher mit autologem Gewebe bei großer Brust ist in Abb. 4 dargestellt: Die Sekundärrekonstruktion mit autologem Gewebe eines voluminösen, freien DIEP-Lappens vom Unterbauch kann gemeinsam mit der bereits präoperativ von der Patientin gewünschten und geplanten angleichenden Mammareduktionsplastik der gesunden Seite in zwei Operationen ein sehr natürliches und symmetrisches Ergebnis erreichen. Die primäre Implantatrekonstruktion unter vergleichbarer anatomischer Vorgabe hat für ein konkurrenzfähiges Ergebnis eine dritte Operation mit mehreren Nachkorrekturen benötigt. Die große Wundhöhle macht wesentliche Probleme, die Implantattasche und die Submammärfalte zu definieren. Im Gegensatz dazu gelingt dies sehr gut bei der Eigengewebsrekonstruktion durch gezielte Verteilung und Fixierung des transplantierten Gewebes und durch operative Neuformung einer natürlichen Submammärfalte, indem die Fixierung eines Dermisrandes des Lappens eine konkrete Ausbildung an korrekter und unverschieblicher Stelle ermöglicht und vor sekundärer Dislokation schützt.

 

 

 

 

 

ZUSAMMENFASSUNG: Aus langer Anwendungserfahrung sowohl von Brustimplantaten als auch von Eigengewebe alleine lassen sich zahlreiche Vorteile der Eigengewebsrekonstruktion definieren:

  • Auch ein größeres Brustvolumen lässt sich ohne Angleichung der gesunden Brustseite zur Symmetrierung rekonstruieren. Dies ist gerade beim Wunsch der Patientin von hoher Relevanz, an der gesunden Brust nicht auch noch eine Operation durchzuführen. Es soll wenigstens „eine Brust intakt bleiben“!
  • Da Form und Größe der rekonstruierten Brust zielgenauer durch Eigengewebsrekonstruktion erreicht werden können, braucht es grundsätzlich weniger häufig einer operativen Angleichung der gesunden Brust als bei der Implantatrekonstruktion.
  • Die Verwendung von Eigengewebe resultiert in einer natürlichen Konsistenz der rekonstruierten Brust. Die Konsistenz des Lappengewebes ist ident mit der von Brustgewebe, die Verformbarkeit mit der Bewegung des Rumpfes bzw. mit der der Arme ist völlig natürlich und symmetrisch.
  • Im Gegensatz zur Implantatrekonstruktion ist die Gestaltung einer natürlichen Form bei der Eigengewebsrekonstruktion intraoperativ möglich, passend zur kontralateralen Seite und zum Alter der Patientin kann eine natürliche Ptose definiert werden.
  • Mit autologem Gewebe kann der resezierte Processus axillaris der Brust rekonstruiert werden, mit einem Implantat nicht.
  • Bei der an Bedeutung und somit Inzidenz zunehmenden, hauterhaltenden Mastektomie hat das unterfütternde Lappengewebe mit mitgebrachter Gewebedurchblutung besseres Vaskularisierungsspotenzial der ausgedünnten und erhaltenen Haut- und Subkutisschicht als ein avaskuläres Silikonimplantat. So wird ein Beitrag zu einer geringeren Nekroserate erhaltener, bodenständiger Haut geleistet.
  • Auch ein erhaltener, als Vollhauttransplantat replantierter Mamillen-Areola- Komplex kann nach intraoperativem, histologischem Ausschluss onkologischer Bedenken sicherer zur Anheilung gebracht werden.
  • Die Problematik einer Kapselkontraktur und dadurch notwendigen Folgeoperation ist von vornherein ausgeschlossen.
  • Auch weitere Operationen während des Restlebens zum Implantatwechsel sind ebenfalls ausgeschlossen.
  • Narbenbedingte Schmerzen und Einschränkungen der Armbeweglichkeit können durch Narbenresektion und Interposition gesunden Gewebes anlässlich der Eigengewebsrekonstruktion erfolgreich eliminiert werden, bei der Implantatrekonstruktion ist dies unrealistisch.
  • Patientinnen nach Eigengewebsrekonstruktion berichten von einem recht normalen Organgefühl in der rekonstruierten Brust, auch von einer gewissen Sensibilität. Die Implantatrekonstruktion ist hingegen vom Problem belastet, dass das Silikonvolumen des Implantates als Kältespeicher wirkt und insbesondere in der kalten Jahreszeit dieses Gefühl der „inneren Kälte“ auslöst, auch die Hautoberfläche erreicht nicht einen vergleichbaren Grad der Sensibilität. In manchen Fällen ist das Fremdkörpergefühl von fortlaufend störendem Effekt.
  • Mit alleiniger Eigengewebsrekonstruktion ist der höchste Grad von Natürlichkeit und Symmetrie des Dekolletés zu erreichen.
  • Durch die natürliche Weichheit der mit Eigengewebe rekonstruierten Brust und die exakte Verteilbarkeit und Fixierbarkeit des Gewebes ist eine symmetrische und klar ausgebildete Submammärfalte zu gestalten.
  • Ein Durchzeichnen eines Implantatrandes oder eines durch Kapselkontraktur abgekugelten Implantates ist von vornherein ausgeschlossen.
  • Welches „Gesundheitsrisiko Implantat“ auch immer – und wenn es nur vom einzelnen Hersteller provoziert ist –, bei der Eigengewebsrekonstruktion steht es niemals zur Diskussion.

Die Argumente pro autolog sind heute evident – bleibt noch, jeder betroffenen Brustkrebs- Patientin bei Wunsch, den Zugang insbesondere zur Sofortrekonstruktion mit Eigengewebe logistisch freizuhalten. Eine Forderung, welche bei der unübersehbaren Reduktion der Ressourcen im Gesundheitssystem immer schwerer erfüllbar sein wird.

 

Literatur:

– Frey, M.: Indikationen und Kontraindikationen für eine Brustrekonstruktion. In: Mammakarzinom – Operative Behandlungskonzepte. Eds.: R. Jakesz und M. Frey, Springer, Wien/New York, 2007, 139-145

– Jakesz R., Frey M. (eds.): Mammakarzinom – Operative Behandlungskonzepte. Springer, Wien/New York, 2007, Kapitel 12: Rekonstruktion mit Eigengewebe, 165-205