Schwangerschaftsassoziierte Osteoporose

Pathophysiologischer Hintergrund

Begünstigend für das Auftreten der SAO sind die physiologischen Veränderungen des Knochenmetabolismus während der Schwangerschaft. Osteoprotektive Faktoren in der Schwangerschaft sind in erster Linie die Steroidhormone (Östrogene, Progesteron und Androgene), die einer negativen Stoffwechselbilanz entgegenwirken. Andererseits ist davon auszugehen, dass während der Schwangerschaft ca. 30 g Kalzium von der Mutter zum Kind transportiert werden. Wenn zusätzlich Erkrankungen bzw. medikamentöse Therapiemaßnahmen hinzukommen, kann sich das Risiko für eine SAO erhöhen (Tab.). Risikofaktoren sind u. a. endokrinologische Erkrankungen wie ein primärer bzw. sekundärer Hyperparathyreoidismus, Störungen des Vitamin-D-Stoffwechsels, Osteomalazie und Hyperthyreose. Auch wird ein familiärer Einfluss als Risikofaktor für eine SAO angenommen. Kommt es außerdem während der Schwangerschaft zu einer Immobilisierung z. B. aufgrund vorzeitiger Wehentätigkeit, bei Zervixinsuffizienz oder vorzeitigem Blasensprung, kann es zusätzlich zu ungenügender Stimulation der Osteoblasten und somit zu einer Abnahme der Knochenmasse kommen.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Die Ätiologie der Hüft- und Leistenschmerzen ist vielfältig und kann Erkrankungen der angrenzenden Gelenke sowie Erkrankungen der Organe im Becken- und der Unterbauchregion beinhalten. Plötzlich auftretende Belastungs- und Bewegungsschmerzen im Bereich der Leisten und Hüften und, deutlich weniger ausgeprägt, diffus auch im Bereich der Füße lassen an eine transiente Osteoporose denken.
Tatsächlich werden Schmerzen im letzten Trimenon und in der frühen postpartalen Phase zumeist als normale Begleiterscheinung von Schwangerschaft und Wochenbett gedeutet, womit die SAO häufig verkannt wird. In diesem Kontext ist festzuhalten, dass in der Literatur ein in etwa gleich hoher Prozentsatz von prä- bzw. postpartaler SAO beschrieben wird. Bei 70% der Frauen handelt es sich um die erste Schwangerschaft, bei 23% um die zweite und bei 7% um die dritte. Das Durchschnittsalter der Patientinnen liegt zwischen 25-30 Jahren.

Diagnostisches Instrumentarium

Neben einer ausführlichen Anamnese zur Erfassung von Risikofaktoren und der klinischen Untersuchung ist während der Schwangerschaft die MRT-Untersuchung zur bildgebenden Diagnostik Mittel der Wahl, postpartal das konventionelle Röntgen. Das DEXA-Verfahren zur Beurteilung der Knochendichte sollte erst post partum eingesetzt werden. Im Falle einer Fraktur bei SAO ist eine primäre Sectio zu erwägen.

Kontextangepasste Therapie

Der therapeutische Ansatz besteht in erster Linie in der Vornahme von symptomorientierten und physiotherapeutischen Maßnahmen (unter anderem entstauende Maßnahmen sowie aktive und passive Bewegung der Gelenke), unter diesen Maßnahmen sind die Schmerzen nicht selten rückläufig. Ergänzend ist an die Substitution von Vitamin D und Kalzium zu denken, womit in den meisten Fällen eine rasche Linderung der Beschwerden zu erreichen ist, erst in 2. Linie ist eine medikamentöse Schmerztherapie anzudenken.

ZUSAMMENFASSUNG: Muskuloskelettale Schmerzen in der Schwangerschaft und Stillzeit stellen ein häufiges Symptom dar. Bei plötzlich auftretenden Belastungs- und Bewegungsschmerzen im Bereich der Wirbelsäule, der Hüftgelenke und Sprunggelenke im letzten Trimenon und in der frühen postpartalen Phase ist jedenfalls auch an eine schwangerschaftsassoziierte Osteoporose zu denken.

 

Quelle: Orthopäde 2010: 39:1051-1056