American Society of Hematology, ASH Annual Meeting 2018, San Diego

Durchbrüche in der Behandlung vieler hämatologischer Entitäten

Bei der 60. Jahrestagung der American Society of Hematology (ASH) 2018 in San Diego mit über 25.000 Teilnehmern wurden die neuesten und spannendsten Erkenntnisse aus dem Bereich der Hämatologie präsentiert.

Im Rahmen der Plenary-Scientific- und der Late-Breaking-Abstract-Sessions wurden die Ergebnisse klinischer Studien mit neuen Therapieoptionen präsentiert, die das Potential haben, den Praxisalltag in nächster Zukunft zu ändern.

 

B-ALL – rezidiviert/refraktär

Ibrutinib bei älteren Patienten

Eine Chemoimmuntherapie (CIT; Bendamustin plus Rituximab: BR) ist der bisherige Goldstandard der Behandlung von älteren Patienten mit CLL.

Ibrutinib ist in Europa als Erstlinientherapie für Patienten mit CLL zugelassen und wurde noch nicht direkt mit einer aggressiven CIT verglichen. Die Phase-III-Studie A041202 der Alliance North American Intergroup verglich das progressionsfreie Überleben (PFS) von 547 unbehandelten, symptomatischen CLL-Patienten (≥ 65 Jahre) unter einer BR-Therapie (n=183) mit einer Ibrutinib-Monotherapie (n=182; I-Arm) und einer Kombination aus Ibrutinib und Rituximab (n=182; IR-Arm). Das Chemotherapie-Regime wurde über zwei Tage intravenös verabreicht. Die Patienten bekamen insgesamt sechs Zyklen im Abstand von 28 Tagen. Die Ibrutinib-Therapie wurde täglich oral verabreicht. Im Falle eines Progresses konnten die Patienten unter BR-Therapie auf eine Ibrutinib-Monotherapie wechseln.

Ergebnisse: Das PFS konnte von 537 Patienten ausgewertet werden. Das mediane PFS nach einem medianen Follow-up von 32 Monaten betrug im BR-Arm 41 Monate und wurde weder im I-Arm noch im IR-Arm zum Zeitpunkt der Datenanalyse erreicht (HR I-Arm vs. BR-Arm: 0,40; p<0,0001; HR IR-Arm vs. BR-Arm: 0,41; p<0,0001; HR IR-Arm vs. I-Arm: 1,01; p=0,48). Das geschätzte 2-Jahres-PFS war 74 % im BR-, 87 % im I- und 88 % im IR-Arm. Das mediane Gesamtüberleben (OS) wurde in keinem Behandlungsarm erreicht, das geschätzte 2-Jahres-OS betrug 95 %, 90 % und 94 %.

Behandlungsbedingte unerwünschte hämatologische Ereignisse vom Schweregrad 3 oder höher wurden bei 61 % der Patienten im BR-Arm, 41 % im I-Arm und 38 % im IR-Arm beobachtet (p<0,001), nicht-hämatologische Ereignisse wurden von 63 %, 74 % und 74 % der Patienten gemeldet (p=0,04).

Woyach JA et al., Ibrutinib Alone or in Combination with Rituximab Produces Superior Progression Free Survival (PFS) Compared with Bendamustine Plus Rituximab in Untreated Older Patients with Chronic Lymphocytic Leukemia (CLL): Results of Alliance North American Intergroup Study A041202. ASH 2018, Abstr. #6

 

B-ALL – rezidiviert/refraktär

Checkpoint-Inhibitoren bei CAR-T-Zell-Therapie

Die CAR-T-Zell-Therapie hat einen Paradigmenwechsel in der Behandlung der akuten lymphatischen Leukämie vom B-Zell-Typ (B-ALL) bewirkt. In vielen Fällen führt diese Behandlung zu einer vollständigen Remission. Nicht alle Patienten profitieren von der individuellen Gentherapie im gleichen Ausmaß, in einigen Fällen sind die therapeutisch wirksamen CAR-T-Zellen nicht beständig. Die Hypothese der Studienautoren ist, dass die Deaktivierung von CAR-T-Zellen über den PD1/PD-L1-Checkpoint-Signalweg dafür verantwortlich sein könnte.

Die Studienpatienten (n=14, 4–17 Jahre) hatten bereits eine gegen CD19-gerichtete CAR-T-Zell-Therapie im rezidivierten/refraktären Setting erhalten und nicht oder nur in geringem Ausmaß darauf angesprochen.  In der Studie wurde zusätzlich zur CAR-T-Zell-Therapie ein PD1-Inhibitor (frühestens 14 Tage nach CAR-T-Zell-Infusion) verabreicht, die PD1-Therapie konnte alle drei Wochen wiederholt werden.

Ergebnisse: Im Großteil der Fälle (13 Patienten) kam Pembrolizumab, in einem Fall Nivolumab zum Einsatz. Die Antikörper wurden nach dem Abklingen des Cytokine-Release-Syndroms nach der CAR-T-Zell-Infusion verabreicht. Vielversprechend war das Ansprechen auf den PD1-Inhibitor vor allem bei Patienten mit früher B-Zell-Wiederherstellung und großen Tumoren außerhalb des Knochenmarks (bulky extramedullary disease). Bei Patienten mit schlechtem anfänglichem Knochenmarks-Ansprechen wurden nur teilweise Effekte ohne anhaltende Wirkung erzielt. In diesen Fällen dürfte ein anderer Mechanismus als der PD1-Checkpoint-Signalweg für die geringe Beständigkeit der CAR-T-Zellen verantwortlich sein. Es traten keine unerwarteten oder tödlichen Nebenwirkungen auf.

Li AM et al, Checkpoint Inhibitors Augment CD19-Directed Chimeric Antigen Receptor (CAR) T Cell Therapy in Relapsed B-Cell Acute Lymphoblastic Leukemia. ASH 2018, Abstr. #556

 

NDMM

Daratumumab plus Rd verbessert Outcome

Eine Lenalidomid-basierte Behandlung ist der Therapiestandard für Patienten mit neu diagnostiziertem multiplem Myelom (NDMM), die nicht für eine Transplantation in Frage kommen.

Daratumumab ist ein humaner monoklonaler CD38-Antikörper, der bei schwer vorbehandelten MM-Patienten als Monotherapie effektiv ist, in Kombination mit etablierten Arzneien wirkt er bei rezidiviertem/refraktärem MM und NDMM ohne Transplantationsmöglichkeit.

In der Phase-III-Studie MAIA wurde die Behandlung mit Daratumumab plus Lenalidomid und Dexamethason (D-Rd) mit einer Behandlung ohne Daratumumab (Rd) bei NDMM-Patienten, die aufgrund von Komorbiditäten oder Alter nicht für eine Transplantation in Frage kamen, verglichen. Als primärer Endpunkt wurde PFS gewählt. Insgesamt 737 Patienten (D-Rd: n=368; Rd: n=369) aus 14 teilnehmenden Ländern wurden in die Studie eingeschlossen.

Ergebnisse: Die präspezifizierte Interimsanalyse wurde nach 239 PFS-Ereignissen mit einem medianen Follow-up von 28 Monaten durchgeführt. Patienten im D-Rd-Arm hatten ein um 44 % verringertes Risiko für Progress oder Tod, verglichen mit Patienten im Rd-Arm (HR 0,55; p<0,0001). Das mediane PFS wurde im D-Rd-Arm noch nicht erreicht und beträgt im Rd-Arm 31,9 Monate. Durch die Zugabe von Daratumumab konnte ein tieferes Ansprechen mit insgesamt 47,6 % Komplettremissionen erreicht werden (vs. 24,7 % im Placebo-Arm; OR 2,75; p<0,0001). Mindestens sehr gutes partielles Ansprechen wurde bei 79,3 % im D-Rd-Arm und bei 53,1 % im Rd-Arm festgestellt (OR 3,4; p<0,0001). Die HR für Gesamtüberleben betrug 0,78 (95 % Konfidenzintervall: 0,56–1,1). Die Minimal-Residual-Disease-(MRD-)Negativität wurde von 24 % der Patienten im D-Rd-Arm und bei 7 % der Patienten im Rd-Arm erreicht und war somit im D-Rd-Arm um den Faktor 3,4 höher (p<0,0001).

Unerwünschte Ereignisse vom Schweregrad 3 oder 4, die im D-Rd-Arm mindestens 5 % häufiger auftraten als im Rd-Arm, waren Pneumonie, Neutropenie und Leukopenie. Das Sicherheitsprofil von Daratumumab in der MAIA-Studie ist vergleichbar mit früheren Studien.

Facon T et al., Phase 3 Randomized Study of Daratumumab Plus Lenalidomide and Dexamethasone (D-Rd) Versus Lenalidomide and Dexamethasone (Rd) in Patients with Newly Diagnosed Multiple Myeloma (NDMM) Ineligible for Transplant (MAIA). ASH 2018, Abstr. #LBA-2

 

MDS

Luspatercept bei MDS mit geringem Risiko

Das myelodysplastische Syndrom (MDS) ist durch einen erythroiden Reifungsdefekt, welcher zu einer transfusionsbedürftigen Anämie führt, gekennzeichnet. Die Behandlung der Anämie ist eine der größten Herausforderungen bei der Betreuung von Patienten mit MDS mit niedrigem Risiko. Luspatercept ist ein rekombinantes Fusionsprotein das an Liganden der TGFbeta-Familie bindet und so das abnorme Smad2/4-Signaling reduziert und die Erythropoiese in einem späten Stadium verstärkt.

In der randomisierten, doppelblinden placebokontrollierten Phase-III-Studie Medalist wurde eine Luspatercept-Behandlung bei transfusionsbedürftigen MDS-Patienten mit Ringsideroblasten (RS) und sehr geringem, geringem oder mittlerem Risiko untersucht. Die Patienten waren für eine Behandlung mit Erythropoiese-stimulierenden Wirkstoffen aus verschiedenen Gründen ungeeignet.

Die Behandlung erfolgte entweder mit Luspatercept oder Placebo subkutan alle drei Wochen für eine Dauer von mindestens 24 Wochen.

Ergebnisse: Insgesamt wurden 229 Patienten randomisiert und behandelt. Von 153 Patienten, die Luspatercept verabreicht bekamen, erreichten 58 (37,9 %) Patienten eine Transfusions-Unabhängigkeit von mindestens 8 Wochen zwischen Behandlungswoche 1 und 24. In der Placebo-Gruppe war der Anteil mit 13,2 % (10 Patienten) signifikant geringer (OR 5,1; p<0,0001). Eine Transfusions-Unabhängigkeit von mindestens 12 Wochen während der Behandlungsperiode konnte von 28,1 % (43 Patienten) der Patienten unter Luspatercept-Behandlung und 7,9 % (6 Patienten) im Placebo-Arm (OR 5,1; p<0,0002) erreicht werden. Das Sicherheitsprofil von Luspatercept entsprach den Daten aus der Phase-II-Studie PACE-MDS.

Fenaux P et al., The Medalist Trial: Results of a Phase 3, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study of Luspatercept to Treat Anemia in Patients with Very Low-, Low-, or Intermediate-Risk Myelodysplastic Syndromes (MDS) with Ring Sideroblasts (RS) Who Require Red Blood Cell (RBC) Transfusions. ASH 2018, Abstr. #1