40 Jahre Grünenthal: „Ich finde vieles hier extrem cool“

PHARMAustria: Wie ist Grünenthal in Österreich gestartet?

Thomas Schöffmann: Unser Weg begann 1977. Damals wurde am Wiener Handelskai eine kleine Chemiefabrik namens Chemie Grünenthal ins Handelsregister eingetragen. Ein Jahr später übersiedelte das Unternehmen nach Wien Meidling und nannte sich ab sofort Grünenthal GmbH. Zu dieser Zeit wurden vor allem Antibiotika und Kontrazeptiva vertrieben.

Was waren seither die großen Würfe des Unternehmens?

Die Einführung von Tramal® 1984 war sicherlich ein Meilenstein. Damit sind wir in Österreich in die Schmerztherapie eingestiegen. Ab 2010 haben wir uns auf die Schmerzbehandlung fokussiert. 2,3 Millionen Österreicher leiden unter Schmerzen, rund 1,8 Millionen davon unter chronischen. Das heißt: Wir helfen hier wirklich, Leid zu lindern. Heute sind wir im Bereich Schmerz Innovationsführer, sowohl was die Wirkstoffe als auch die Technologie der Galenik angeht. Als unabhängiges Unternehmen in Familienbesitz mit vollständig integrierter Forschung und Entwicklung verfügen wir über langjährige Erfahrung in innovativer Schmerzbehandlung und in der Entwicklung modernster Technologien für den Patienten. Ein weiterer großer Meilenstein war für mich 2016 die Entscheidung, in den Bereich Parkinson zu investieren.

Was ist das Besondere am österreichischen Markt?

Die Zulassung neuer Medikamente ist in Österreich kein Problem, sehr wohl aber deren Erstattung. Ein konkretes Beispiel: Laut einem Ländervergleich der EFIC (Europäische Schmerzföderation) aus dem Jahr 2015 gibt es in Deutschland 47 orale Opioide, die für mittelstarke bis starke Schmerz eingesetzt werden können und die eine Vielfalt in der Schmerztherapie bringen. In Österreich sind noch nicht einmal halb so viele Analgetika verfügbar und von diesen werden auch nicht alle erstattet. Benachteiligt ist dadurch eindeutig der Patient, denn eine individuelle und auf den jeweiligen Schmerz abgestimmte Therapie ist damit nur eingeschränkt möglich.

Was befindet sich derzeit in der Grünenthal- Pipeline?

Wir haben eine Reihe von Präparaten rund um den akuten und chronischen postoperativen und neuropathischen Schmerz in Phase- I-, -II- oder -III-Studien. In Österreich arbeiten zwei KollegInnen ausschließlich an Phase-II- und -III-Studien hierzu. Wir betreiben zukunftsweisende Forschung in den Indikationen Schmerz, Gicht und Entzündungserkrankungen. Und das mit Erfolg: 2018 werden wir Zurampic®, ein Medikament zur Behandlung von Gicht, launchen.

Wie sieht die künftige strategische Ausrichtung aus?

Grünenthal entwickelt sich immer mehr zum Spezialisten im Bereich Schmerz und Parkinson. Wir sind im Bereich Business Development sehr aktiv, das heißt, dass wir neue Arzneimittel in unser strategisches Portfolio einlizenzieren, wie beispielsweise Produkte gegen neuropathische Schmerzen (Qutenza®) oder Migräne (Zomig®). Und mit Sandoz Österreich arbeiten wir im Bereich Parkinson zusammen.

Sie sind jetzt seit zwei Jahren Geschäftsführer in Österreich. Wie ist das als Deutscher in Österreich?

Selbst wenn man mit keiner rosaroten Brille durchs Leben geht – ich finde viele Dinge hier extrem cool. Ich beobachte so eine „euphorische Gelassenheit“, die allen gut tut. Was ich damit meine: Ich finde, dass man Österreicher begeistern kann und trotzdem immer eine gewisse Gelassenheit mitschwingt. Auch wie man miteinander umgeht, finde ich beeindruckend. Die Konsens-Kultur ist hier ausgeprägter als anderswo. Außerdem freue ich mich jedes Mal, wenn ich durch Österreich fahre oder durch die Wiener Innenstadt gehe. Die Hofburg, die Albertina, der Stephansdom – einfach herrlich! Und auch kulinarisch ist das Land einfach spitze!

Wenn Sie morgen zum Generaldirektor des Hauptverbandes bestellt würden, was wären Ihre ersten Reformentscheidungen?

Das Thema Schmerz wird in der Öffentlichkeit nicht oder zu wenig wahrgenommen. Man könnte hier mit Prävention und frühzeitiger Schmerztherapie viel erreichen. Das ist eine volkswirtschaftliche Komponente, die nicht zu unterschätzen ist. Wir müssen gemeinsam am Gesundheitssystem arbeiten, damit es nachhaltig funktioniert, finanzierbar und zukunftssicher ist. Jeder Player sollte dabei nicht nur in seiner ureigenen Kategorie denken, sondern auch Verständnis dafür aufbringen, was den anderen antreibt.