Berater im Hintergrund

Gesundheitspolitisch haben während der Corona-Krise nicht viele Tiroler positiv auf sich aufmerksam gemacht. Mit Ischgl & Co hat das Tourismusland sogar international zweifelhafte Berühmtheit erlangt. Einer, den man in der Öffentlichkeit eher selten sieht, der dafür aber inhaltlich eine gute Figur macht, ist Herwig Ostermann. Der gebürtige Tiroler ist nicht nur breit aufgestellt, sondern im Hintergrund auch einer der wichtigsten Berater des Gesundheitsministers. Und mit Brigitte Piso sitzt auch eine ehemalige Mitarbeiterin von ihm und heute BIQG-Geschäftsbereichsleiterin im Kabinett von ­Rudolf Anschober (Grüne).

Gemeinsam für eine Sache kämpfen

Ostermann studierte in Innsbruck und ­Dublin Internationale Wirtschaftswissenschaften und absolvierte anschließend an der privaten Universität für Gesundheits­wissenschaften, Medizinische Informatik und Technik (UMIT) in Hall in Tirol das ­Magister- und Doktoratsstudium der Gesundheitswissenschaften. Seit 2016 ist er Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Das Zusammenspiel von vielen Akteuren und Bereichen der öffentlichen Daseinsversorgung habe ihn immer interessiert, erzählt er zu seinem Werdegang. „Das Gesundheitswesen ist dafür prädestiniert. Es ist eines der spannendsten und schönsten Betätigungsfelder. Es geht nicht darum, ein profanes Produktionsziel zu erreichen – wir alle, die hier arbeiten, schaffen etwas unglaublich Wichtiges: Denn die Anstrengungen, die alle im System ­unternehmen, sollen ja so koordiniert werden, dass wir ein möglichst hohes Maß an Gesundheit für die Menschen erzielen“, sagt er.Als jemand, der im Gesundheitswesen tätig ist, noch dazu auf der Querschnittsebene, habe man das Privileg, auf viele Bereiche und Menschen zu treffen, was abwechselnd und inspirierend zugleich sei, ist Ostermann überzeugt: „Ich vergleiche das gerne mit einem Fußballspiel. Wir stehen alle auf einem Feld und letztlich geht es darum, dass jeder in seinem Setting versucht, einen Beitrag für mehr Gesundheit zu leisten. Und das ist einer der schönsten Bereiche: gemeinsam und kollektiv für eine Sache zu kämpfen, die uneingeschränkt positiv ist.“ Man nehme das oft nicht so wahr, wenn man sich im System bewegt, „aber es gibt viele hier, die sich sehr engagiert einbringen.“

Brücke zur Politik

Die GÖG selbst schlage Brücken zwischen Wissenschaft und Entscheidungsträgern. Per definitionem sei die GÖG als nationales Public-Health-Institut „das Kompetenzzen­trum“ für Bevölkerungsgesundheit, Gesund­heitsförderung, Prävention, Versorgungsplanung und Qualität im Gesundheitswesen. Als nationales Kompetenzzentrum trage die Einrichtung aktiv zur Weiterentwicklung der Versorgung mit Gesundheits- und Pflegeleistungen sowie zur Gesundheitsförderung und Prävention bei und unterstütze die Integration der sozialen Sicherungssysteme. Vorgegeben werden die Aufgaben vom Gesundheitsministerium, doch immer wieder greifen Minister auch auf die Kompetenz der Beschäftigten als Fachexperten zurück. Auch während der Corona-Krise war das nicht anders.

Breites Gesamtgemenge

Der Gesundheitsziele-Prozess etwa sei stark in Zusammenarbeit mit der GÖG ­entwickelt worden, ebenso die Thematik der „Frühen Hilfen“. Vieles, wie beispielsweise das Monitoring, erreichte aber nicht die große Öffentlichkeit. Ganz anders während Corona: „Die aktuelle Situation rund um COVID-19 zeigt sehr stark, wie sehr man nach wissenschaftlicher Expertise fragt“, erläutert Ostermann. Nachsatz: „Wir hätten uns früher immer gewünscht, dass so viel Evidenz eingefordert wird. Jetzt wird sie eingefordert, aber vieles ist noch nicht klar und erst noch zu erforschen und zu bestimmen“, weist er darauf hin, dass kein europäisches Land Erfahrung mit solchen Maßnahmen hatte, wie sie während der Corona-Krise gesetzt worden sind. Er beneide Politiker deshalb nicht für das, was sie während der Krise zu entscheiden hatten, betont der Experte. Als Politiker müsse man immer mehrere Bereiche im Blick haben. Und gerade in den ­vergangenen Monaten hätten sich Interessenkonflikte zwischen Wirtschaft und Gesundheit sehr deutlich gezeigt. „Jetzt sieht man das deutlich, es besteht aber auch sonst. Natürlich gibt es im Gesundheitswesen einen Wettbewerb der Stakeholder und der Bereiche, wenn man etwa an Spitäler und den niedergelassenen Bereich denkt oder an die nationale versus die Bundes­länderebene.“Manchmal missverstehe man, wenn man wissensbasierte Entscheidungsgrundlagen liefert, dass es sich dabei nicht um Maßnahmenkataloge handelt, sondern eben viele andere Bereiche für die Politik und die Entscheidungsträger mitzubedenken sind. „Die Gesamtgemengelage für die Politik ist breiter. Es geht nicht nur um Public Health. Gesundheit ist, wie man auch jetzt sieht, mit allen Bereichen verwoben, und diese müssen auch berücksichtigt werden.“

Lehren für die Zukunft

Insgesamt habe sich das österreichische Gesundheitswesen gut gerüstet gezeigt für das Unerwartete, resümiert Ostermann. Was die Lehren für die Zukunft sind, werde sich erst zeigen. Es gehe auch um die mittel- und langfristige Absicherung der Pflege und die Stärkung der Primärversorgung. „Die Frage wird sein, wie wir mit diesem pandemischen Risiko in den nächsten Jahren umgehen. Hier braucht es vielfältige Handlungsebenen und Maßnahmen. Eine Frage wird auch sein, wie wir Schutzmaßnahmen für das System und für besonders Betroffene setzen und unterschiedliche soziale Gruppen unterstützen“, so Ostermann. Corona habe auf einmal die Welt verändert. Nach dem großen Schlag mit dem Lockdown stehe man jetzt vor der Herausforderung, das Erlebte in den Lebenswelten nachvollziehbar zu machen. „Die Schwierigkeit ist auch jetzt, dass man vorher nicht genau weiß, welche Maßnahmen welche Effekte haben. Man ist im Laufen, man sieht viele Aufgaben und es gilt anzupacken.“Dabei dürfe man aber auch die anderen Themen nicht vergessen, die vor Corona im Gesundheitswesen auf der Agenda standen und es auch jetzt noch tun, warnt der GÖG-Geschäftsführer. Digitalisierung gehöre beispielsweise dazu oder der Kampf gegen Krebs und resistente Keime.

Hochzeit in Corona-Zeiten

Persönlich hat Ostermann die Krise und die beginnenden Lockerungen für ein besonderes Statement genutzt: Über soziale Medien teilte er ein Bild, das ihn und seine langjährige Lebensgefährtin als Hochzeitpaar zeigt – mit Mund-Nasen-Schutz. Die Hochzeit sei schon länger geplant gewesen, erzählt er. Ostermann und seine Frau haben zwei Söhne (8 und 2 Jahre). Neben dem beruflichen Thema Gesundheit hätten seine Familie, Freunde und Bekannte einen sehr hohen Stellenwert in seinem Leben, erzählt er. „Und natürlich das Lesen von Fachliteratur, aber auch Romanen, Zeitschriften und allem, was mir sonst noch in die Hände fällt.“ Als gebürtiger Tiroler sei er auch ein passionierter Skifahrer – auch wenn dafür leider wenig Zeit bleibe.

Zur Person

Ao. Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann ist seit 1. August 2016 Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG). Er studierte in Innsbruck und Dublin Internationale Wirtschaftswissenschaften und absolvierte anschließend an der UMIT in Hall in Tirol das Magister- und Doktoratsstudium der Gesundheitswissenschaften. Von September 2013 bis Juli 2016 leitete Ostermann die Abteilung für ­Gesundheitsökonomie in der Gesundheit Österreich GmbH/Geschäftsbereich ÖBIG. Zudem hält er eine Teilzeitprofessur für Health Policy and Administration am Department für Public Health, Versorgungsforschung und Health Technology Assessment an der UMIT.

© Oliver Miller-Aichholz

V.l.n.r.: ao. Univ.-Prof. Dr. Herwig Ostermann, Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Puchhammer-Stöckl und Sozialminister Rudolf Anschober im Pressegespräch

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Die GÖG

Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ist das Forschungs- und Planungsinstitut für das Gesundheitswesen und die Kompetenz- und Förderstelle für Gesundheitsförderung in Österreich. Ihre Grundlage ist das Bundesgesetz über die Gesundheit Österreich GmbH vom 31. Juli 2006. Alleingesellschafter ist der Bund, vertreten durch den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Die GÖG ist in drei Geschäftsbereiche gegliedert: das Österreichische Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG), den Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) und das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG). Die GÖG arbeitet dabei im Auftrag des Bundes und der Bundesgesundheitsagentur (BGA). In ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist sie weisungsfrei. Zur Abwicklung von Projekten anderer Auftraggeber, etwa der Bundesländer, der Sozialversicherungsträger und des Dachverbands sowie anderer nationaler und internationaler Gesundheitsinstitutionen und -unternehmen, betreibt die GÖG zwei Tochtergesellschaften (GÖ Forschungs- und Planungs GmbH für Non-Profit-Unternehmen und GÖ Beratungs GmbH). Insgesamt hat die Gruppe 227 Beschäftigte, die allein im Vorjahr 101 Projektberichte fertiggestellt haben.