Gesundheitsinformation braucht Zielgruppenpartizipation

Dass Laien Gesundheitsinformationen brauchen, um im Zuge der Wahrnehmung ihrer Gesundheitskompetenz eigene Entscheidungen zu treffen und bestmöglich im Interesse ihrer eigenen Gesundheit zu handeln, steht außer Frage. Doch wie sollten diese Informationen aussehen?

Lebenssituation der Betroffenen berücksichtigen

Ap. Prof. Priv.-Doz. DDr. Igor Grabovac, Facharzt für Public Health, Zentrum für Public Health, Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Universität Wien, betont diesbezüglich: „Gute Gesundheitsinformation, die auch ankommt, muss partizipativ erstellt werden, nicht top-down! Das ist nicht einfach, liefert aber bessere Ergebnisse. Daher ist der erste Schritt immer, mit der jeweiligen Zielgruppe zu reden. So macht es beispielsweise bereits einen großen Unterschied, ob sich die Information an Teenager oder ältere Menschen richtet.“ Daher gelte es zum Beispiel auch herauszufinden, welche Medien für die Zielgruppe geeignet sind, also Printmedien, Video, Instagram, TikTok etc., und welche Art Information bevorzugt wird (Print, Cartoon, Video etc.).

„Ein wichtiger Aspekt ist natürlich auch, was die dringlichen Fragen dieser Zielgruppe sind. Welche Infos braucht sie? Das kann ein Außenstehender gar nicht einschätzen, die Lebenskontexte der Betroffenen müssen aber in den Gesundheitsinformationen berücksichtigt werden“, erläutert Grabovac. Ein weiterer wichtiger Aspekt in seinen Augen ist, sprachliche und kulturelle Barrieren zu berücksichtigen.

Die Merkmale gut aufbereiteter Gesundheitsinformation fasst er wie folgt zusammen:

  • klar
  • ohne Fachbegriffe (bzw. wenn sie verwendet werden, mit Erklärung dazu)
  • leicht verständlich
  • deutliche Quellenangabe

Medien in „Übersetzerfunktion“

Karin Podolak, Chefredakteurin der „Krone Gesund“ (Samstagsbeilage der Kronenzeitung) sowie von „Gesünder Leben“ (Wartezimmer-Zeitschrift), sieht einen großen Bedarf an seriösen Informationen, die gut verständlich sind: „Aus meiner jahrzehntelangen Erfahrung als Gesundheitsjournalistin kann ich sagen, dass Interviews mit Expert:innen in einer laiengerechten Sprache für viele eine sehr wertvolle Informationsquelle darstellen. Die Menschen sind interessiert an ­Expertenwissen, aber es gibt oft Verständnisprobleme bei ,Expertensprache‘. Daher müssen Informationen von Expert:innen entsprechend aufbereitet werden, damit die Menschen diese in ihr Leben einbauen können.“ Sie sieht gute Gesundheitsinformation als eine Art Brücke zwischen medizinischem Fachwissen und medizinischen Laien.

Podolak hat zudem die Erfahrung gemacht, dass gerade Betroffene durchaus sehr inte­ressiert sind, mehr über ihre Beschwerden zu erfahren. „Sobald jemand einen Leidensdruck hat, ist er auch interessiert, mehr über seine Erkrankung zu erfahren. Daher behandeln wir in der ,Krone Gesund‘ sowie in ,Gesünder Leben‘ sämtliche Beschwerdebilder, darunter auch Tabuthemen. So können wir dazu beitragen, Hemmschwellen abzubauen“, berichtet die Journalistin.

Serviceleistung einbauen

Bei Gesundheitsinformationen für Laien ist es laut Podolak immer von großer Bedeutung, auch eine Serviceleistung mitzuliefern: „Egal, um welches Thema es geht, sollten immer folgende Aspekte enthalten sein: Was kann der/die Betroffene selbst tun? Wohin kann er/sie sich wenden? Was liegt der Erkrankung bzw. den Beschwerden zugrunde?“ Dies sind in ihren Augen wichtige Faktoren, damit die Menschen befähigt werden, selbst Verantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen. „Ebenfalls ganz wichtig ist es, Angst zu nehmen! Wer Symptome bemerkt oder bereits eine Diagnose erhalten hat, macht sich natürlich Sorgen. Diese darf man nicht verstärken, sondern muss eine Lösung anbieten. Dabei ist es immer ganz wichtig, dass man aufzeigt, was die betreffende Person selbst tun kann und wo sie professionelle Hilfe erhält. Das gilt auch bzw. gerade bei Tabuthemen, wo zur Angst oft auch Scham hinzukommt“, betont Podolak.

Auch praktische Aspekte sollten eingebaut werden, damit die Betroffenen die Informationen in ihren Lebensalltag integrieren können, rät die Gesundheitsjournalistin. „Dabei gilt es die Zugangsschwelle stets niedrig zu halten und auf Augenhöhe zu kommunizieren. Wir Medien haben den Auftrag, die Menschen so zu informieren, dass sie etwas davon haben und ihre Eigenverantwortung wahrnehmen können. Und das sollte eigentlich die Aufgabe jeder Gesundheitsinformation sein – egal, von wem sie kommt“, so Podolak.

Unterstützungsangebote für Patient:innen

Auch Dr.in Iris Herscovici, Geschäftsführerin von selpers, einer Plattform für Patient:innen und Angehörige, sieht Gesundheitsinformationen und Patientenschulungen als wichtige Unterstützungsangebote für Betroffene und ihre Angehörigen. „Dabei gilt es immer zu überlegen, wo die Zielgruppe in der Patient Journey steht, denn daraus ergibt sich, welche Informationen gerade hilfreich sind“, erklärt sie. Typische Phasen, in denen Betroffene Unterstützung brauchen, sind u.a:

  • kurz nach der Diagnose => Verarbeitung der Diagnose, Verstehen der Erkrankung
  • bei Entlassung aus dem Spital => was sind die nächsten Schritte, was kann man selbst beitragen, was sollte man beachten
  • bei Verschlechterung einer chronischen Erkrankung => was bedeutet das und welche Maßnahmen sind jetzt therapeutisch erforderlich

„In solchen Phasen kann man mit praktischer Information gut unterstützen“, weiß Herscovici aus der Praxis. Zudem sollte ihrer Meinung nach bei Menschen mit einer (chronischen) Erkrankung die Lebensqualität mehr in den Fokus gerückt werden: „Es gilt die Patient:innen zu unterstützen, mit krankheitsbedingten Veränderungen im Alltag zurechtzukommen und zu lernen, dass auch bei einer bestehenden Erkrankung Lebensqualität möglich ist – und dass man selbst etwas dazu beitragen kann!“ Hierfür wünscht sie sich mehr professionelle Begleitung und Beratung der Patient:innen, beispielsweise durch kostenlose psychologische Unterstützung.

Für Herscovici ist das Hinhören bei jeder Art von Kommunikation über Gesundheitsthemen sehr wichtig: „Bevor ich jemanden informiere, muss ich erst einmal seine Bedürfnisse kennen. Denn nur dann kann ich genau die Informationen anbieten, die auch gebraucht werden.“