Frischer Wind in der Arzt-Patienten-Kommunikation

Selbstverständlich geht es bei Gesundheitsthemen um sensible Daten, mit denen besonders achtsam umgegangen werden muss. Doch wenn Ordinationen und Ambulanzen zunehmend überfüllt sind, sollte man über digitale Entlastung nachdenken.

Patientenfragen via E-Mail und Messenger-Dienst

„Es wäre wünschenswert, dass wir Ärzte Patientenanfragen per E-Mail beantworten und solche Kontakte auch abrechnen können“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Florian Thalhammer, Fortbildungsbeauftragter der Österreichischen Gesellschaft für Innere Medizin (ÖGIM). Auf diesem Wege könnte die Technik sowohl die Ärzte als auch die Patienten entlasten, da weniger Arztbesuche erforderlich wären. „Auch eine Kommunikation über WhatsApp oder andere Messenger-Dienste wäre vorstellbar, wobei natürlich der Datenschutz garantiert sein muss. Die schriftliche Kommunikation hat zum einen den Vorteil, dass keine Hörfehler passieren können, und zum anderen ist das Gespräch dokumentiert“, so Thalhammer weiter.
Auch Priv.-Doz. Dr. Deddo Mörtl, Fortbildungsreferent der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG), ist für einen Einsatz von Messenger-Diensten in der Patientenkommunikation: „Viele Fragen würden sich auf diesem Wege beantworten lassen; telefonisch ist das – unter anderem aus Zeitgründen – oft schwieriger.“

Apps als „Datensammlung“

Patienten-Apps können nicht nur Betroffenen beim Umgang mit ihrer Erkrankung helfen, sondern auch die Arzt-Patienten-Kommunikation unterstützen.
Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Christian Dejaco, Südtiroler Sanitätsbetrieb und Medizinische Universität Graz, betont, dass man zwischen drei verschiedenen Arten von Patienten-Apps unterscheiden müsse:

  • Apps, die Informationen zur Krankheit, zur Therapie sowie zu den Medikamenten übermitteln: „Solche Apps gibt es leider noch zu wenige. Dabei wären diese sehr hilfreich, um Erkrankungen und Therapien zu erklären sowie den Behandlungsverlauf genauer verfolgen zu können“, so Dejaco.
  • Apps, die in Ambulanzen eingesetzt werden, um Fragebögen digital zu erheben: „Solche Apps sind die Zukunft. Sie werden uns Papier und die Zeit der Dateneingabe ersparen“, ist Dejaco überzeugt.
  • Apps, in die der Patient Daten eingibt, welche anschließend vom Arzt ausgewertet werden: „Diese Apps werden vermehrt eingesetzt und sind im Grunde eine Art digitales Therapietagebuch. Hier ist es wichtig, dass die Apps sehr unkompliziert

konzipiert werden, denn der Patient soll sie ja jeden Tag nutzen“, betont Dejaco.

 

 

Patienten-Apps: Schnittstelle zum Arzt

Patienten-Apps, die Informationen übermitteln, hält auch Thalhammer für sinnvoll, da viele Patienten zunehmend mehr über ihre Erkrankung erfahren möchten. „Bei chronischen Erkrankungen können Apps zudem für die Kontrolle bestimmter Werte wie Blutdruck, Blutzucker etc. eingesetzt werden. Wenn der Patient die Daten regelmäßig eingibt, kann der Arzt diese abrufen und hat damit eine umfassende Informationsübersicht“, so Thalhammer.
Katharina Graninger, Lead Digital Innovation & Commercial Operations, MSD Österreich, betont, dass Patienten-Apps eine wichtige Schnittstelle zum Arzt darstellen: „Wenn der Patient über die App Testergebnisse an seinen Arzt übermittelt, kann sich ein Gefühl der Umsorgtheit einstellen, denn der Patient weiß ja, dass der Arzt im Fall der Fälle mit ihm in Kontakt treten wird.“ Auf dieses „Gefühl der Umsorgtheit“ zielen auch Apps ab, die eine sogenannte „Non-Treatment Care Solution“ anbieten. Ein Beispiel dafür ist „medware“, eine Medical Software der Agentur antwerpes ag. Diese bietet Software-getriebene Services rund um ein Medikament, die „beyond-the-pill“ und „beyond-the-beaten path“ sind, d.h. über die bloße Arzneimittelgabe hinausgehen (siehe Kasten „Web-Apps für Beyond-The-Pill-Services“).

Konkrete Fakten vorab übermitteln

Mörtl wünscht sich Apps, die bereits vor dem Arztkontakt wichtige Aspekte beim Patienten abfragen, sodass dieser schon mit den Antworten zu ihm kommt. „Damit würde mir die App Dinge abnehmen, die mich jetzt viel Zeit kosten, weil ich diverse Aspekte erst beim Patienten erfragen muss – z.B. wie viele Schritte er am Stück gehen kann etc. Wenn dies vorab über die App erledigt wird, habe ich Zeit für anderes im Patientengespräch. Allerdings sind diese Fragen natürlich wichtig für die Arzt-Patienten-Beziehung. Das heißt, die App müsste sozusagen die Basis liefern, die spezifischeren Fragen behandle ich dann nach wie vor selbst im Gespräch. Denn die persönlichen Aspekte dürfen durch standardisierte Prozesse nicht verloren gehen!“

 

 

Therapieerfolg unterstützen

Graninger sieht das Gesamtkonzept von interaktiven Patienten-Apps, bei denen Daten zwischen Patient und Arzt übermittelt werden, noch im Wachsen: „Manche Ärzte sind von solchen Apps begeistert, andere sind noch zurückhaltender. Idealerweise findet der Arzt mit dem Patienten eine überstimmende gemeinsame Lösung mit Mehrwert für beide.“ Das sieht auch Mag. Maria Wagner, MSc, Multi Channel Marketing Manager, Pfizer Österreich, so: „Die Nutzung von Patienten-Apps hängt immer auch von der Digitalaffinität des Arztes und des Patienten ab. Wer privat generell keine Apps nutzt, wird diese auch in Bezug auf seine Krankheit nicht nutzen.“
Eine Grundvoraussetzung, damit Patienten- Apps funktionieren, ist laut Sabine Lang, Head of Communication bei Sanofi Österreich, dass die App einen klar erkennbaren Nutzen für die Zielgruppe bietet und sich von der Konkurrenz abhebt. Zudem, so Lang weiter, habe die Usability einen hohen Stellenwert: „Die Nutzung der App muss einfach sein und auch Spaß machen. Entscheidend sind zudem eine kontinuierliche Pflege sowie Maßnahmen, um das Engagement der Nutzer anzuregen – regelmäßige Updates sind also Pflicht.“
Auch zur Unterstützung von Lebensstilveränderungen, wie z.B. Ernährungsumstellungen oder mehr Bewegung, können Apps eingesetzt werden. Dabei ist es wichtig, individuell auf die User einzugehen, wie dies beispielsweise beim „Butterfly Coach“, Agentur Plan. Net, umgesetzt wurde (siehe Kasten „Bei Lebensstiländerungen per App unterstützen“).
Mark Joainig, Unternehmenssprecher bei Novartis Austria, ist überzeugt, dass Pharmaunternehmen bei Patienten-Apps neue Wege gehen sollten: „Heute reicht es nicht mehr, sich auf klassische Apps und responsive Websites zu konzentrieren. Mit Alexa Skills haben wir beispielsweise im Bereich der Atemwegserkrankungen ein neues Asset gelauncht, das die Adhärenz bei Patienten steigern soll und somit Arzt wie auch Patient dabei unterstützt, den bestmöglichen Therapieerfolg zu erzielen. Solche Tools bieten einen echten Mehrwert, sind einfach in der Anwendung und vor allem alltagstauglich.“ Dies ist für Joainig der entscheidende Aspekt von Patienten-Apps: „Sie müssen den Alltag mit der Therapie erleichtern, indem sie z.B. Anwendungen bildlich darstellen.“

 

 

Live-Kontakte anbieten

Lang ist überzeugt, dass die Möglichkeit von Live-Kontakten mit kompetenten Ansprechpartnern in Zukunft immer wichtiger werden wird und für Betroffene einen hohen Mehrwert darstellen kann, wie am Beispiel von Onduo, einem Joint Venture von Sanofi mit der Google-Tochter Verily Life Sciences, zu sehen ist: „Onduo ist eine virtuelle Diabetesklinik, im Rahmen derer Betroffene neben vielen anderen Features auch die Möglichkeit haben, rund um die Uhr ein Coaching-Team, bestehend aus zertifizierten Diabetesberatern, Diätologen, Fitnesstrainern etc., mit ihren Fragen zu kontaktieren – ein unglaublich wertvolles Angebot gerade bei einer Erkrankung wie Diabetes, die eine echte 24/7-Herausforderung ist und den gesamten Alltag der Betroffenen prägt, vom Aufstehen am Morgen bis zum Schlafengehen.“
Für die Beantwortung von Patientenfragen kann auch der Einsatz eines Chatbots genutzt werden, wie die Agentur antwerpes ag mit dem „Sprechenden Beipackzettel“ zeigt: Der Berater-Voicebot beantwortet alle Patientenfragen zum Präparat, per Tastatur- oder Spracheingabe wird mit dem Beipackzettel kommuniziert, dieser stellt Rückfragen und verhilft dem Patienten durch hohe Serviceorientierung zu einer besseren Therapieanwendung im Alltag (siehe Kasten „Chatbots in der Patientenkommunikation“).

 

 

Bei Lebensstiländerungen per App unterstützen

„Butterfly Coach“ ist eine Fitness-App für Menschen, die nicht an Fitness-Apps glauben: ein digitaler Personal Trainer, der jeden Nutzer individuell kennenlernt und durch lautes und funktionelles Design motiviert. Die künstliche Intelligenz des Butterfly Coach garantiert, dass kein Training dem anderen gleicht, und wählt die perfekten Übungen basierend auf den Zielen und dem Feedback des Users sowie über 50 weiteren Parametern aus. Der Coach Felix ist rund um die Uhr für den User da, fordert ihn heraus, lernt von ihm, gibt ihm Tipps und belohnt ihn mit Punkten und Trophäen. Alles, was der Nutzer braucht, gibt’s als Direktnachricht. Das macht die User Experience intuitiv und einfach. Außerdem hilft es jedem User, jeden Tag bessere und gesündere Entscheidungen zu treffen.

Agentur: Plan.Net

 

 

Web-Apps für Beyond-The-Pill-Services

Medware, eine Kombination aus „medical“ und Software, ist ein Angebot der Agentur antwerpes ag, in dessen Rahmen Web-Apps speziell für „Beyond-The-Pill-Services“ entwickelt werden. Ziel ist es, Ärzte zu unterstützen und Patienten zu begleiten. Möglich sind u.a. die Dokumentation von Krankheits- und Therapieverläufen, die grafische Darstellung von Entwicklungen u.v.m.

Agentur: antwerpes ag

 

 

 

Chatbots in der Patientenkommunikation

Beipackzettel sind oft unübersichtlich gestaltet: Die Schrift ist zu klein, der Text zu lang. Ein Grund mehr, warum heute jeder vierte Patient auf dessen Lektüre verzichtet, so die Ergebnisse einer Studie des Münchner MedTech-Unternehmens MEDIKURA Digital Health. Eine Chatbot-Funktion, die dem Patienten Fragen zum Medikament direkt „im Gespräch“ beantwortet, könnte tatsächlich die Lösung für den Umgang mit der oft ungeliebten Lektüre sein und den Patientenalltag um einiges einfacher gestalten. Dabei wurde der „Sprechende Beipackzettel“ als Multiplattform-Ansatz entwickelt und holt die Nutzer auf jenen Plattformen ab, auf denen sie sich ohnehin schon befinden.

Agentur: antwerpes ag