Minimalinvasive Chirurgie des Bronchialkarzinoms

Die erste VATS-Lobektomie wurde 1992 durch Roviaro in Italien durchgeführt und publiziert. Dies war ziemlich genau 100 Jahre nach der Erstbeschreibung der Thorakotomie zur Lungenresektion durch Tuffier. Seither hat sich diese Methode, welche viele Jahre in Europa nur von wenigen darauf spezialisierten Zentren durchgeführt wurde, weltweit zu einer etablierten Alternative entwickelt. In Österreich wird diese Form der Lungenresektion seit ca. 8 Jahren mit zunehmender Frequenz durchgeführt. Die typische Indikation ist das nodal-negative Bronchialkarzinom im Stadium I.

 

 

Kritiker der Methode lehnen diese Technik aus folgenden Gründen ab:

Onkologische Gründe: Voraussetzung für die Etablierung einer alternativen Operationsmethode müssen solide Studien seien. Bis heute sind nur 4 prospektive, teilweise randomisierte Studien publiziert. Diese Studien sind meist schon älter als 10 Jahre und haben den Nachteil geringer Fallzahlen und anderer methodischer Schwächen. Aufgrund der Studienlage können wir nur auf Vergleichsstudien mit historischen Kollektiven zurückgreifen. Diese zeigen, dass kein Unterschied im Vergleich zwischen der offenen und minimalinvasiven Technik besteht. Aus diesem Grund besteht heute Konsens, dass onkologische Argumente kein Grund sind, diese Technik nicht anzubieten. In diversen Studien konnte gezeigt werden, dass die radikale Resektion des Primärtumors und die komplette Lymphadenektomie in minimalinvasiver Technik genauso exakt durchgeführt werden können. Das 5-Jahres-Überleben ist in beiden Fällen vergleichbar.

Schwierigkeit, die Technik zu erlernen: Die Lernkurve der VATS-Lobektomie wird in diversen Studien mit etwa 50 Eingriffen angegeben. Dies entspricht etwa der Lernkurve einer technisch einfachen offenen Lobektomie. Die typische Lernsituation besteht darin, dass zwei erfahrene Thoraxchirurgen diese Technik unter gegenseitiger Assistenz erlernen. Üblicherweise erfolgt die Einschulung in die Grundregeln an bereits darauf spezialisierten Zentren. Wie bereits 2006 durch Ferguson publiziert, ist diese Methode mittels entsprechender Lernprogramme ebenso sicher wie die offene Resektion erlern- und lehrbar. In einer prospektiven Studie zeigte sich, dass der Unterschied zwischen Trainer und Trainee in der Operationszeit 22 Minuten betrug, wobei keine erhöhte Morbidität, Mortalität oder ein höherer Blutverlust zu verzeichnen waren. Dass der Eingriff auch bei relativ kleinen Fallzahlen mit hoher Sicherheit durchgeführt werden kann, zeigen auch kleinere Fallserien.
Das Argument, dass gerade die einfachen Operationen als so genannte Lehroperationen nicht mehr angeboten werden können, wenn komplett auf die minimalinvasive Technik umgestellt wird, ist jedoch mit dem Beispiel der laparo­skopischen Gallenblasenoperation zu ent­kräften. Der Autor ist der Ansicht, dass sich in der minimalinvasiven Technik die anatomischen Strukturen exakter darstellen lassen und die Grundprinzipien der Resektion nicht missachtet werden.

Kosten, längere Operationszeit: Ein weiteres Argument gegen diese Operationstechnik sind die höheren Materialkosten, welche durch den massiven Einsatz von Klammernahtgeräten entstehen. Für Österreich liegen hier keine Kostenvergleichsstudien vor, man muss jedoch davon ausgehen, dass die reinen Materialkosten beim kompletten Verzicht von Klammernahtgeräten im Rahmen der ­offenen Operation durchschnittlich etwa 1.500 Euro ausmachen. Sobald jedoch auch bei der offenen Operationsklammer Nahtgeräte eingesetzt werden, relativiert sich dieser Kostenfaktor. Der durchschnittlich höhere Zeitaufwand für diesen Eingriff beträgt an unserer Klinik 45 Minuten. Andere Kosten müssen jedoch gegengerechnet werden, so ist an unserer Klinik generell kein postoperativer Aufenthalt auf einer Intensiv- oder Überwachungsstation indiziert.

 

 

Auf der anderen Seite stehen die Argumente, die für die VATS-Lobektomie sprechen:

Perioperative Schmerzbelastung: Das zentrale Argument für diese Operation ist die Reduktion der Schmerzbelastung für den Patienten, da diese auch der Hauptgrund für die postoperative Morbidität im Rahmen offener chirurgischer Eingriffe ist. Vergleichsstudien haben gezeigt, dass die minimalinvasive Technik mit signifikant geringeren Schmerzen in den ersten 3 bis 4 Tagen nach der Operation einhergeht. Chronische Schmerzen bzw. Schmerzsyndrome treten ebenfalls signifikant seltener auf, wobei diese in bis zu 40 % bei der offenen Resektion beschrieben werden. An der eigenen Klinik ist der durchschnittliche stationäre Aufenthalt durch die raschere postoperative Rehabilitation um 4 Tage verkürzt. Während 90 % der Patienten nach offener Lungenresektion Morphine zur Schmerzbehandlung erhalten, sind dies nur 20 % der mittels VATS-Technik Behandelten.

Ausblick

Dass die VATS-Lobektomie eine valide Alternative zur offenen Resektion in den Stadien I–II darstellt, wird heute nicht mehr ernsthaft diskutiert. Jedoch wird diskutiert, ob bei diesen frühen Stadien überhaupt ein derart ausgedehnter Verlust von Lungengewebe erforderlich ist, weshalb man diese Technik mit der anatomischen Segmentresektion vergleichen muss. Hierzu ist anzumerken, dass auch bereits Serien zur anatomischen minimalinvasiven Segmentresektion publiziert sind, die genau das Ziel verfolgen, bei gleicher Radikalität möglichst parenchymsparend zu operieren.
Patienten in höheren Tumorstadien nach minimalinvasiver Technik zu operieren, ist derzeit nur in kleinen Serien in der Literatur beschrieben. Auffallend ist, dass sich auch in großen Resektionsserien bis zu 20 % Patienten in höheren Tumorstadien, also den Stadien II–III, befinden. Mangelnde Angaben zum Outcome dieser Patienten lassen jedoch noch keine Aussagen über die Validität des Eingriffs in höheren Tumorstadien zu.
An der eigenen Klinik wurden dieses Jahr 80 % aller Lobektomien auf minimalinvasivem Weg durchgeführt, wobei wir als Indikation den malignomsuspekten, jedoch noch nicht histologisch nachgewiesenen peripheren Rundherd erachten. Weiters werden alle im PET-CT untersuchten nodal-negativen Patienten dieser Operationstechnik zugeführt. Gründe für den Umstieg auf die offene Technik sind erschwerte Präparation bzw. intraoperativ fortgeschrittener Tumorbefund. Typische intraoperative Komplikationen, wie z. B. Tumoreröffnung oder Blutung, waren keine Gründe für einen Umstieg.

Zusammenfassung

Die Lernkurve für die minimalinvasive Technik beträgt etwa 50 Operationen. Die Indikation für diese Operation besteht im Frühstadium der Erkrankung, wobei sich die Technik mit anderen parenchymsparenden Techniken messen muss.