Nichtinvasives, gut akzeptiertes Therapieverfahren mit hoher Lokalkontrollrate – Stereotaktische Strahlentherapie in der Behandlung von kolorektalen Lebermetastasen

Perkutane Strahlentherapie

Ganzleberbestrahlung

Die Ganzleberbestrahlung hat ihren Stellenwert im palliativen Setting bei der Behandlung multipler Lebermetastasen mit dem klassischen Kapselspannungsschmerz nie verloren. Durch die fraktionierte Bestrahlung mit Gesamtdosen von durchschnittlich 30 Gy (Einzeldosis 1,8 bis 2,0 Gy) kommt es innerhalb kurzer Zeit zur deutlichen Abnahme des Spannungsschmerzes. Mit Reduktion des Schmerzes kann vielfach die Schmerzmedikation reduziert werden, und der Patient fühlt sich für eine gewisse Zeit durch Abnahme des Druckgefühls im Oberbauch wohler. Eine längerfristige Kontrolle der Metastasen kann bei der niedrigen Gesamtdosis nicht erwartet werden.3

Stereotaktische Bestrahlung

Im kurativen Setting hat sich die stereotaktische Bestrahlung, kleiner bis mittelgroßer Metastasen mit hohen Einzeldosen (Einzeldosis > 10 Gy), allein oder in Kombination mit anderen lokalen therapeutischen Maßnahmen in der Behandlung von Lebermetastasen etabliert. Die Behandlung erfolgt unter radiochirurgischen Bedingungen, wobei der Patient in einem stabilen Vakuumkissen gelagert wird und eine genaue Zuordnung des Tumors des Patienten zu einem direkt mit dem Vakuumkissen verbundenem Koordinatensystem möglich ist (Abb. 1).
Die Therapieplanung und Durchführung inkludieren alle modernen bildgebenden Verfahren wie Multislice-CT, MRT und PET-CT. Die Planung schließt Atembewegungsstudien des Tumors unter Planungsbedingungen ein und ermöglicht so eine individuelle Berechnung der Tumorbewegung und Festlegung der Sicherheitssäume um den Tumor für die Bestrahlung. Basierend auf diesen Maßnahmen und mit Hilfe der IGRT (Imageguided Radiotherapy) erfolgt eine On- Line-Kontrolle der Tumorbewegung und Position direkt vor und während der Bestrahlung (Abb. 2).

Indikationen: Der Goldstandard der Lo – kaltherapie bei der Behandlung von Lebermetastasen ist die Operation der Metastasen. Bei Inoperabilität eignet sich – neben interventionellen Verfahren (Chemoembolisation, Thermoablation) – die stereotaktische Radiotherapie besonders gut für Tumoren mit Durchmesser kleiner als 6 cm. Einsatzgebiet der Radiochirurgie sind inoperable Einzel- bzw. Oligometastasen (1–3), die zentral, peripher, gefäßnahe oder zwerchfellnahe lokalisiert sind.
Ein großer Vorteil der stereotaktischen Radiotherapie ist, dass es sich um ein nichtinvasives Therapieverfahren handelt und es daher zu keiner iatrogenenTumorzellverschleppung kommen kann. Zusätzlich wird die Therapie aufgrund ihrer Kürze (Behandlungszeitraum meist nur 1–2 Wochen) von den Patienten gut akzeptiert und ist ohne wesentlichen Aufwand für den Patienten durchführbar. Kontraindikationen für eine radiochirurgische Behandlung mit hohen Einzeldosen sind Metastasen, die in unmittelbarer Nähe zu Magen, Darm oder Gallenblase lokalisiert sind. Der Abstand zu den Risikoorganen sollte immer mehr als 1 cm betragen, um Perforationen oder Entzündungen durch zu hohe Dosen zu vermeiden. Des Weiteren sollte ein Volumen von 700 ccm gesundes Lebergewebe von nicht mehr als 15 Gy in 3 Bestrahlungen belastet werden, um einen permanenten Funktionsverlust der Leber zu vermeiden. Besonders nach vorangegangenen Teilresektionen oder anderen lokalen Maßnahmen muss auf die Funktion des Restleberparenchyms geachtet werden.

Ergebnisse: Die Anzahl der Artikel, in denen Ergebnisse stereotaktischer Bestrahlungen von lebereigenen Tumoren und Metastasen publiziert werden, nimmt in den letzten Jahren ständig zu. Guidelines geben Hinweise für optimale Anwendungen hoher Dosen ohne erhöhtes Nebenwirkungsrisiko. Die medianen lokalen Kontrollen liegen nach einem Jahr post Irradiatio bei 70–100 %, nach zwei Jahren bei ca. 60 %. Eine Auflis – tung einiger Publikationen sind in der Tabelle aufgeführt.4–10 Die klinischen Ergebnisse dieser kleinen meist Phase- I/II-Studien zeigen bei guten lokalen Tumorkontrollraten sehr geringe therapiebedingte Grad-III- und -IV-Nebenwirkungen. Da die Prognose der Patienten fast ausnahmslos von weiteren Tumormetastasen bestimmt wird, sollte zurückhaltend agiert werden, wenn extrahepatisch keine Tumorkontrolle möglich ist und keine systemische Therapie mehr zur Verfügung steht. Bei diesen Patienten ist von einer raschen extrahepatischen Progression der Grunderkrankung auszugehen, sodass eine forcierte lokale Therapie nicht indiziert erscheint.
Eigene Erfahrungen seit 2007 bestätigen die international gemachten Ergebnisse. Auch in unserem Patientengut ist die lokale Kontrolle dosisabhängig und bei reduzierter Einzel- und Gesamtdosis nicht zu erzielen. Nur biologisch äquivalente Dosen von mehr als 100 Gy führen zu hohen lokalen Kontrollraten, oft können diese aber aufgrund der Tumorgröße oder -lage zu den Risikoorganen nicht appliziert werden. Die meisten unserer Patienten verstarben aufgrund einer extrahepatischen Tumorprogression oder neu aufgetretener multipler Leberherde.
Nach abgeschlossener Irradiatio werden im Rahmen von 3-monatigen CT- und MR-Kontrollen Schrumpfungen der Raumforderungen mit Restnarbengewebe beobachtet. Der Prozess ist dosisabhängig. Muss aufgrund der Nähe der Metastase zum Risikoorgan auf diese hohe Dosierung verzichtet werden, nimmt die lokale Kontrolle signifikant ab.

Nebenwirkungen: In Abhängigkeit von der Lokalisation, Anzahl und Größe der behandelten Lebermetastasen sowie der applizierten Gesamtdosis können unterschiedliche Nebenwirkungen auftreten. Möglich sind passagere Erhöhungen der Transaminasenwerte bei lokaler Hepatitis, verbunden mit Müdigkeit und Übelkeit als häufige Symptome der Patienten. Diese Symptome lassen sich kurzfristig mit Low-Dose-Cortison verbessern. In seltenen Fällen werden Verschlüsse der Lebervenen (VOD) beobachtet.
Entzündliche Alterationen des Duodenums, gastrointestinale Ulzera, Ösophagitis können bei lokalen Dosen von mehr als 8 Gy pro Fraktion entstehen. Wesentlich ist, dass das Volumen, das den Magen- Darm-Trakt mit hohen Einzeldosen tangiert, nur wenige Kubikzentimeter beträgt, um dauerhafte Schäden zu vermeiden.
Bei hohen Einzeldosen auf Haut und Unterhautgewebe werden lokale Rötungen, Epitheliolysen und im weiteren Verlauf Indurationen des subkutanen Bindegewebes beobachtet. Diese sind normalerweise sehr moderat und werden von den Patienten gut toleriert. Bei den bisher durchgeführten Studien wurden keine Nebenwirkungen Grad III oder IV beobachtet.

Alternative lokale strahlentherapeutische Maßnahmen HDR-Brachytherapie und SIRT

HDR-Brachytherapie bei Lebermetastasen: Mit einer interstitiellen Brachytherapie können Lebermetastasen lokal behandelt werden. Ultraschall-, CT- oder MRT-gestützt erfolgt in Vollnarkose oder Lokalanästhesie die Positionierung der Brachytherapiekatheter direkt im Tumor und anschließend eine Hochdosis-Brachytherapie (HDR-Brachytherapie) mittels Afterloadinggerät. Als Strahlenquelle wird meist Iridium 192, ein Betastrahler, verwendet. Vorteil dieser Methode ist die direkte Applikation der Dosis innerhalb des Tumors ohne Belastung des gesunden Lebergewebes. Nachteile dieser Therapiemethode sind vor allem die Blutungs- und Infektgefahr durch den invasiven Eingriff sowie die Möglichkeit der Tumorzellverschleppung.1

SIRT (selektive interne Radiotherapie): Die SIRT ist ein radiotherapeutisches Verfahren, das durch das Einbringen kleiner radioaktiver Mikrosphären in das Tumorgewebe erfolgt. Über einen Katheter in den Leberarterien werden die Yttrium- 90-Mikrosphären langsam verabreicht und mit dem Blutstrom ins gut durchblutete Tumorgewebe transportiert. Yttrium 90 ist ein Betastrahler mit einer Reichweite von maximal 11 mm und einer physikalischen Halbwertzeit von 64 Stunden. Vorteil dieses Verfahrens ist, dass ein Einsatz auch bei einem diffusen Tumorwachstum möglich und therapeutisch wirksam ist. Nachteile hingegen sind Blutungs- und Infektrisiko und begrenzte Einsatzmöglichkeit nach diversen Vorbehandlungen. Ein stationärer Aufenthalt von mindestens 2 Tagen nach Therapie ist notwendig. Genaue Kenntnisse der Gefäßsituationen im Zu- und Abflussgebiet der Metastasen ist notwendig, um die potenzielle Gefahr von Schädigungen des Magen- und Lungengewebes durch aberrierende Mikrosphären in den venösen Blutstrom zu verhindern.2

Zusammenfassung

Die stereotaktische extrakranielle Radiotherapie stellt eine sehr gute, nichtinvasive Behandlungsform zur Therapie von wenigen Lebermetastasen dar. Sie kann allein oder in Kombination mit anderen lokalen Therapien eingesetzt werden. Mit für den Patienten geringem Aufwand ohne invasives Vorgehen werden viel versprechende Ergebnisse erzielt, ohne die Lebensqualität der Patienten negativ zu beeinflussen. Die Behandlung kann auch bei älteren Patienten ohne Einschränkung durchgeführt werden.
Gegenwärtige klinische Studien sowohl am Cyberknife als auch am Linearbeschleuniger evaluieren lokale Kontrollraten. Mit Optimierung der Dosisverteilung sowie der Umsetzung atemgesteuerter Strahlenapplikation beziehungsweise dem Einsatz von Gating-Systemen wird versucht, die bewegungsabhängigen Sicherheitssäume um die Metastasen zu reduzieren, mit dem Ziel der besseren Schonung des gesunden Lebergewebes. On-Line-Kontrollen der Tumorlage durch Bildgebung an den Bestrahlungsgeräten erhöhen die Qualität der lokalen Behandlung.
Zahlreiche Arbeiten haben eine klare Überlegenheit der Kombination aus Leberchirurgie und systemischer Chemotherapie gezeigt. Im Licht dieser Daten müssen weitere Studien klären, inwieweit auch eine Kombination aus stereotaktischer Bestrahlung mit systemischer Chemotherapie und/oder Thermoablation weitere Vorteile bietet.

 

1 Kettenbach J et al., MR-gestützte Brachytherapie nichtresektabler Lebermetastasen. Der Radiologe 2001; 41:56–63
2 Welsh et al., Selective Internal Radiation Therapy (SIRT) for liver metastases secondary to colorectal adenocarcinoma. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2006; 66:62–73
3 Topkan E et al., Managing liver metastases with conformal radiation therapy. J Support Oncol 2008; 6(1):9–15
4 Blomgren H et al., Stereotactic high dose fraction radiation therapy of extrcranial tumors using an accelerator. Acta Oncol 1995; 34:861–870
5 Herfarth KK et al., Stereotaktische Bestrahlung von Lebermetastasen. Radiologe 2001; 41:64–68
6 Wulf et al. Stereotactic radiotherapy of primary liver cancer and hepatic metastases. Acta Oncologica 2006; 45:838–847
7 Schefter et al., A phase I trial of stereotactic body radiation therapy (SBRT) for liver metastases. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2005; 62(5):1371–8
8 Hoyer et al., Phase II study on stereotacitc body radiotherapy of colorectal metastases. Acta Oncol 2006; 45(7):823–30
9 Kavanagh et al., Interim analysis of a prospective phase I/II trial of SBRT for liver metastases. Acta Oncol 2006; 45(7):848–55
10 Katz et al., Hypofractionated stereotactic body radiation therapy (SBRT) for limited hepatic metastases. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2007; 67(3):793–8