Psychoonkologie in der onkologischen Rehabilitation

Die Rehabilitation entwickelte sich in den letzten Jahren zu einem Bestandteil der onkologischen Therapie. Den Einfluss einer stationären onkologischen Rehabilitationsbehandlung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität und psychische Belastung zeigt die Studie von Nickels et al.1 (2017): Zu Beginn der Rehabilitationsbehandlung gaben hier etwa 27 % der 939 einbezogenen Patienten eine auffällige psychische Belastung an. Die Verlaufsergebnisse zeigten eine klinisch bedeutsame Verbesserung in beinahe allen erfassten Lebensqualitätsdomänen sowie eine klinisch bedeutsame Reduktion der psychischen Belastung. Die Patienten profitierten am stärksten hinsichtlich des emotionalen Funktionsniveaus (d = 0,8), der Fatigue (d = 0,7) sowie des sozialen Funktionsniveaus (d = 0,6).
Folgendes Fallbeispiel eines 3-wöchigen stationären Aufenthaltes soll die oben gezeigten Einflüsse und Wirkfaktoren psychoonkologischen Arbeitens in der onkologischen Rehabilitation praxisnahe verdeutlichen:

Anamnese

Unsere Patientin ist 48 Jahre alt, verheiratet, hat keine Kinder und ist als Angestellte tätig. Die Familienanamnese erscheint unauffällig.

Somatischer Befund

Nach Atemnot und einem auffälligen Lungenröntgen wurde ein Pleuramesotheliom diagnostiziert. Nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie konnte ein Lungenflügel inkl. Pleura und anliegendem Perikard entfernt werden. Adjuvant wurde eine weitere Chemotherapie angeschlossen, diese endete kurz vor Beginn der stationären onkologischen Rehabilitation. Hauptsymptome waren für die Patientin Schmerzen (behandelt mit oralem Opioid) im OP-Bereich, Nausea und Lumbalgie.

Psychischer Befund

Frau A. zeigte sich im Rahmen des Erstgesprächs wach, bewusstseinsklar und zu Raum, Zeit und Ort orientiert, Mimik und Gestik kongruent, sprachlich ergaben sich keine Auffälligkeiten. Affizierbarkeit war grundsätzlich in beiden Skalenbereichen gegeben. Im Affekt erschien sie leicht abgeflacht und gedrückt bei unauffälligem Antrieb und Psychomotorik. Frau A. selbst beschreibt eine psychische Belastung, die sich durch gedrückte Stimmung und Motivationslosigkeit zeige.

Angaben zur klinisch-psychologischen Behandlung

Folgende Screeningverfahren wurden zur Abklärung der aktuellen psychischen und physischen Belastung eingesetzt2: Distress Thermometer3, die Hospital Anxiety and Depression Scale4 sowie der EuroQol-Fragebogen inkl. Visuelle Analogskala5. Zusätzlich wurden Anamnese und Exploration nach ICD-10-Checkliste6 durchgeführt. Frau A. zeigte neben erhöhten Werten auf den Dimensionen Angst und Depression (HADS) auch eine erhöhte psychosoziale Belastung (Distress Thermometer).

Behandlungsziele

Frau A. gab an, in erster Linie aufgrund ihrer körperlichen Beschwerden an der 3-wöchigen onkologischen Rehabilitation teilzunehmen. Um die Motivation einer psychologischen Behandlung zu erhöhen und möglichen Widerstand zu vermindern, wurden die Ziele der Behandlung gemeinsam mit Frau A. formuliert7. In Anlehnung an die körperlich definierten Ziele (Wunsch nach Schmerzreduktion und Steigerung von Ausdauer und Kraft) wurde im psychologischen Erstgespräch das Ziel adäquater/alternativer Umgang mit wahrgenommenen Schmerzen festgelegt. Weiter gibt Frau A. an, unter einer hohen Rezidiv-Angst zu leiden. Davon ausgehend wurden Möglichkeiten und Interventionen zur Angstbewältigung mit der Patientin vereinbart. Frau A. wolle in den nächsten Wochen gerne zur Ruhe kommen und neue Kräfte mobilisieren. Mit den beiden übergeordneten Zielen einhergehend wurden die Zusatzziele Stressreduktion, Entspannung und Ressourcenstärkung mit aufgenommen.

Behandlungsplan und -verlauf

Neben den psychologischen Einzelgesprächen nahm Frau A. an Entspannungs- und psychoedukativen Gruppen zum Thema Umgang mit Angst und Stressreduktion teil. Einbezogene Berufsgruppen waren, neben dem klinisch-psychologischen Team, Ärzte, Physio-, Ergo- und Sporttherapeuten.

Behandlungsergebnisse

Umgang mit Erkrankung und Angst: Die Krankheitsverarbeitung stellt für Betroffene in allen Phasen eine hohe Anforderung in den Bereichen Verarbeitung, Bewältigung und Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen dar. Vor allem das subjektive Krankheitserleben und dessen kognitive Bewertung haben eine zentrale Bedeutung. Es wurde demnach gemeinsam mit Frau A. daran gearbeitet, die Krankheitsbewältigung als einen kontinuierlichen Prozess der Auseinandersetzung mit der Erkrankung, deren Folgen und Belastungen zu verstehen8, diese zu bewältigen und sich anpassen zu können.Hier waren es v. a. Maßnahmen zur Gesundheitsförderung (Sport, medizinische Untersuchungen, Information über die Erkrankung und deren Verlauf), welche Frau A. für sich gewinnen konnte. Zum Umgang mit der Erkrankung und der begleitenden Angst wurde psychoedukativ mit ihr erarbeitet, dass Ängste als normale Reaktion auf eine bedrohliche Erkrankung gesehen werden können9. Diesen Ängsten einen Raum zu geben und sie zu benennen, zeigte bei Frau A. einen entlastenden Effekt. Gegen Grübeln und Angstgedanken zeigten hier v. a. Gedankenstopp-Übungen ihre Wirksamkeit. Die Patientin selbst berichtete durch mehrfaches Üben zwischen den Sitzungen von guten Fortschritten.

Schmerzpsychologische Behandlung und Ressourcenstärkung: Nach psychologischen Schmerztheorien kann eine depressive Grundstimmung als Einflussfaktor auf die erlebte Schmerzwahrnehmung gelten. Und: Patienten mit chronischen Schmerzen neigen des Weiteren öfter zu körperlichen Anspannungen10. Dahingehend wurde mit Frau A. an den Zielen Entlastung, Aufbau positiver Aktivitäten und Entspannung gearbeitet.
Mit dem Fokus auf schmerzfreie Stellen und Zeiten konnte Frau A. den Gedanken der erlebten Gegenpole von entweder „nur Schmerz“ oder „kein Schmerz“ Schritt für Schritt ablegen11. Als erlebte Unterstützung gab sie an, dass ihr die gemeinsam erarbeiteten Interventionen (Body Scan12, Atemtechniken10) sehr geholfen hätten. Auch der Fokus auf positive Aktivitäten konnte im Verlauf der Behandlung gut erarbeitet werden. Unserem Gast war es möglich, die Schmerzen zu akzeptieren und gleichzeitig das Wohlbefinden zu steigern, um mit diesen besser umgehen zu können. Gemeinsam konnte eine Vielzahl an möglichen Ressourcen erarbeitet werden, um so das eigene Wohlbefinden in weiterer Folge konstant zu fördern und steigern. Frau A. berichtete, dass sich mit der gesteigerten Selbstfürsorge sowohl ihr psychisches Befinden als auch das aktuelle Schmerzempfinden verbesserten.

Abschließende Diskussion

Insgesamt konnte sich Frau A. gut auf die Gespräche und die gemeinsam erarbeiteten Interventionen einlassen. Dadurch war es möglich, mit Beendigung der Rehabilitation eine positive Entwicklung hinsichtlich ihrer Symptomatik von Depression und Angst zu beobachten. Frau A. konnte durch die gelernte Akzeptanz ihrer Schmerzen und der Ressourcenorientierung die meiste Zeit des Tages ohne starke Schmerzwahrnehmung verbringen. Auch im Umgang mit ihrer Erkrankung zeigte sich eine adäquate Einstellung zur Erkrankung selbst und den damit einhergehenden Ängsten. Insgesamt beschrieb Frau A. wieder deutlich mehr Freude an angenehmen Aktivitäten und ein damit einhergehendes gesteigertes Wohlbefinden. Auf dem erneut vorgegebenen Distress Thermometer3 bewertete Frau A. ihre aktuelle Belastung mit einem Skalenwert von 3 (zu Beginn der Reha lag der Wert bei 8). Dies verdeutlicht den Rückgang der Symptomatik und die Entlastung, die bei Frau A. durch die intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit erzielt werden konnte.

Fazit

Die Psychoonkologie kann im Rahmen der onkologischen Rehabilitation einen wertvollen Beitrag leisten. Als Wirkfaktoren lassen sich u. a. die gemeinsame Zielformulierung, psychoedukative Gruppen sowie Entspannungstechniken nennen. Im Sinne der Krankheitsverarbeitung hilft es, diese als einen kontinuierlichen Prozess der Auseinandersetzung mit der Erkrankung, deren Folgen und Belastungen zu verstehen. Durch Psychoedukation sowie gezielte psychoonkologische Interventionen kann ein adäquater Umgang mit Ängsten im Zusammenhang mit der Erkrankung erarbeitet werden. Ressourcenorientiertes Arbeiten kann sowohl das subjektive Wohlbefinden steigern als auch die erlebte Schmerzwahrnehmung senken.