Erwachsene mit angeborenen Herzkrankheiten − EMAH

Beim diesjährigen ESC-Kongress wurden nicht nur die neuesten Studien- und Registerdaten zum Thema Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) präsentiert, die Kongressteilnehmer konnten sich zusätzlich auch in einer Reihe von State-of-the-Art-Symposien zu den wichtigsten Themen der EMAH-Betreuung fortbilden.

Österreich prominent vertreten

Österreich war durch Vorsitzende, Prof. Ina Michel-Behnke, Klinische Abteilung für Kinderkardiologie, AKH Wien; „Interventional treatment of valve disease in congenital heart disease patients“, und Vorträge, Prof. Irene Lang, Klinische Abteilung für Kardiologie, AKH Wien; „Therapie der pulmonalen Hypertonie“, prominent vertreten.
Bei signifikanter kongenitaler Pulmonalklappenstenose ist die Ballonvalvuloplastie, bei hochgradiger Pulmonalklappeninsuffizienz (z. B. Z. n. operativer Korrektur einer Fallot’schen Tetralogie) oder kombinierten Pulmonalklappenvitien bzw. Homograft-Degeneration in Pulmonalklappenposition (z. B. Z. n. Ross-OP) mittlerweile der perkutane Klappenersatz die Therapie der 1. Wahl – sofern dieser technisch möglich ist. Während die Ballonvalvuloplastie schon seit Jahrzehnten eine etablierte Methode zur Behandlung der kongenitalen Aortenklappenstenose ist, ist der transkutane Aortenklappenersatz (TAVI) wegen fehlender Langzeitdaten zur Haltbarkeit der Klappenprothesen bei EMAH-Patienten noch kein Routineeingriff geworden.
Bei der Therapie der pulmonalen Hypertonie (PH) bei EMAH-Patienten betonte Prof. Lang die Wichtigkeit der Rechtsherzkatheterdiagnostik zur Differenzierung prä- und postkapillärer PH anhand des „pulmonary artery occlusion (wedge)“-Druckes (Grenzwert 15 mmHg), da die Wirksamkeit spezifischer PH-Medikamente (z. B. Endothelinantagonisten oder Phosphodiesterasehemmer) bislang nur für die präkapilläre PH in großen Studien gezeigt werden konnte. Auch bei EMAH ist es sinnvoll, bereits bei mittelgradigen Formen der präkapillären PH von Beginn an mit einer Zweierkombinationstherapie (z. B. Endothelinantagonist plus Phosphodiesterasehemmer) zu starten.

Tipps und Tricks für die Praxis

In mehreren Sitzungen wurden auch Grundkenntnisse für die Betreuung von EMAH-Patienten für nichtspezialisierte Kardiologen vermittelt, mit wichtigen Tipps und Tricks für die Praxis; u. a. in dem neu eingeführten Schwerpunkt „Kardiologie in 4 Tagen“, in dem das Wichtigste der allgemeinen Kardiologie praxisrelevant zusammengefasst wurde. Es ist wichtig, sich genau über die Krankengeschichte, eventuell vorliegende Residualdefekte nach Operationen (ein Residualshunt ist beispielsweise eine Indikation für eine Endokarditisprophylaxe) und die zu erwartenden Komplikationen im Langzeitverlauf bei den einzelnen Patienten zu informieren. Sollte die Echokardiografie nicht alle benötigten Informationen liefern können, ist die Kernspintomografie des Herzens indiziert. Unerwartete Komplikationen erfordern eine sehr genaue Abklärung.
Bei der Messung des arteriellen Blutdruckes (RR) sind Fallgruben zu beachten: Sollte ein Blalock-Taussig-Shunt in der Vorgeschichte durchgeführt worden sein, so ist der RR am betreffenden Arm falsch niedrig. Das Gleiche gilt bei Z. n. Koarktektomie, falls die A. subclavia sinistra für die Rekonstruktion mitverwendet wurde oder nach Korrektur in einem atypischen Winkel von der Aorta abgeht. In diesem Fall ist der am rechten Arm gemessene RR klinisch relevanter. Bei persistierendem Ductus arteriosus botalli muss die Sauerstoffsättigung immer auch an den unteren Extremitäten (meist niedriger) gemessen werden. Aortenisthmusstenosen sind oft mit bikuspiden Aortenklappen vergesellschaftet und umgekehrt. Deshalb muss bei Vorliegen einer dieser Erkrankungen immer auch nach der anderen gefahndet werden. Im Langzeitverlauf kann es zur Dilatation der Aorta ascendens mit Aneurysmabildung und Dissektion kommen. Bei Z. n. Koarktektomie ist bei Verlaufskontrollen auf signifikante Reststenosen und Aneurysmabildungen im OP-Gebiet zu achten. Bei Patienten mit neu entdeckten bikuspiden Aortenklappen ist Verwandten-Screening indiziert. Vorhofseptumdefekte (ASD) können sich auch erstmals nur durch rezidivierende pulmonale Infekte manifestieren. Beim ASD müssen immer zusätzliche Defekte (z. B. fehlmündende Lungenvenen oder Pulmonalklappenstenose) ausgeschlossen werden.

Schwangere mit Herzerkrankungen

Ein Highlight des diesjährigen ESC-Kongresses war die Präsentation der überarbeiteten Richtlinien für die Betreuung von Schwangeren mit Herzerkrankungen,1 bei deren Erstellung Prof. Lang als Vertreterin der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft mitgearbeitet hat. Diese Richtlinien sind durch zahlreiche übersichtliche Grafiken und Tabellen deutlich anwenderfreundlicher geworden. Obwohl in den westlichen Industrienationen das durchschnittliche Alter der Schwangeren steigt und somit Erkrankungen wie arterielle Hypertonie oder koronare Herzerkrankung zunehmend relevant werden, haben rund 2/3 aller Schwangeren mit kardialen Erkrankungen kongenitale Vitien. Die überarbeiteten Richtlinien betonen die Wichtigkeit eines multidisziplinären „Schwangerschaft-Herzteams“ für die Betreuung dieser Frauen.
Besonders wichtig ist die Beratung und Risikostratifizierung für Mutter und Kind bereits vor einer geplanten Schwangerschaft. Für die Risikostratifizierung soll nur mehr der modifizierte World Health Organization (WHO) Score verwendet werden. Beispielsweise sollen eine hochgradige Mitralklappenstenose oder eine symptomatische Aortenklappenstenose vor einer geplanten Schwangerschaft saniert werden, korrigierte Shuntvitien (z. B. Vorhof- oder Ventrikelseptumdefekt) mit guter Leistungsfähigkeit (> 80 % der Norm) haben ein niedriges Risiko, und bei einigen komplexen Vitien, wie z. B. Fontan-Zirkulation mit eingeschränkter Ventrikelfunktion, signifikanter atrioventrikulärer Klappeninsuffizienz oder Rhythmusstörungen oder auch bei Patientinnen mit hochgradiger PH, besteht eine Kontraindikation.
Eine vaginale Entbindung ist aus kardiologischer Sicht in den meisten Fällen möglich, eine generelle Indikation für eine peripartale Endokarditisprophylaxe besteht nicht. Ein sorgfältiges Monitoring ist auch in den ersten Tagen nach der Geburt notwendig, weil in dieser Zeit Komplikationen häufig sind.
Auch in der Schwangerschaft sind supraventrikuläre Rhythmusstörungen wesentlich häufiger als ventrikuläre. Adenosin, β-Blocker oder Verapamil können in der Schwangerschaft verwendet werden. Es ist zu beachten, dass EMAH-Patientinnen durch länger andauernde Rhythmusstörungen oft rasch kardial dekompensieren. Eine Kardioversion ist auch bei Schwangeren möglich, die Herzfrequenz des Kindes muss jedoch anschließend routinemäßig kontrolliert werden. Ein eigenes Kapitel ist dem besonders wichtigen Thema „Management der Antikoagulation von Schwangeren mit mechanischen Klappenprothesen“ gewidmet. Diese Frauen fallen in die Gruppe der Hochrisikoschwangerschaften, es besteht ein relevantes Risiko der Klappenthrombose (ca. 5 %) aber auch für Blutungen. Falls die Patientinnen auf Therapie mit niedermolekularem Heparin – die praxistauglichste Lösung – umgestellt werden, ist zu beachten, dass engmaschige Anti-Xa-Spiegelkontrollen notwendig sind (Zielwerte 4–6 h nach Injektion: 1,0–1,2 U/ml [Mitral- oder Trikuspidalklappenprothe-sen] und 0,8–1,2 U/ml [Aortenklappenprothesen]).
Im Anhang der Richtlinien findet sich die bislang umfangreichste Tabelle zur Bewertung des Einsatzes einzelner Medikamente bei Schwangeren oder während der Stillperiode zum Nachlesen bei diesbezüglichen Fragestellungen im klinischen Alltag. Beispielsweise ist eine Therapie der PH mit Sildenafil möglich, aber Endothelinantagonisten sind kontraindiziert. Die arterielle Hypertonie wird während der Schwangerschaft vorzugsweise mit Labetalol, Kalziumantagonisten (z. B. Nifedipin, Nicardipin) oder α-Methyldopa behandelt.

PFO-Verschluss

Ein weiteres Symposium („Current Status of PFO Closure“) war dem interventionellen Verschluss des persistierenden Foramen ovale (PFO) nach kryptogenem Insult (d. h. bis auf das PFO keine identifizierbare Ursache, also keine relevanten atherosklerotischen Veränderungen in der Aorta und den hirnversorgenden Arterien bei embolischem Muster in der Bildgebung oder sonstige kardiale Emboliequelle) gewidmet. Ein PFO findet sich bei bis zu 40 % dieser Patienten (Vergleichspopulation: nur ca. 20–25 %). Drei große 2017 publizierte Studien (CLOSURE, REDUCE, RESPECT) konnten den Nutzen des PFO-Verschlusses mit anschließender dauerhafter plättchenhemmender Therapie, verglichen mit einer alleinigen plättchenhemmenden Therapie, zur Verhinderung von ischämischen Insultrezidiven im Langzeitverlauf (besonders bei mittlerem bis großem Shunt oder Vorhofseptumaneurysma) eindeutig belegen. Obwohl in diesen Studien nur < 60-jährige Patienten eingeschlossen wurden, waren sich die Experten einig, dass das „biologische“ Alter der in Frage kommenden Patienten zu berücksichtigen ist und > 60-Jährigen der PFO-Verschluss nicht prinzipiell vorenthalten werden sollte.

Resümee

Der ESC-Kongress bot – wie jedes Jahr – eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich in der auch für nichtsubspezialisierte oder niedergelassene Kardiologen immer wichtiger werdenden Subdisziplin EMAH umfassend fortzubilden. Die nächste Möglichkeit dazu bietet das 9. Deutschland-Österreich-Schweiz-(DACH-)Symposium zur Betreuung von EMAH-Patienten (Thema: „Grundlagen in Diagnostik und Therapie – Update 2019“) im Februar 2019 in Wien (22.–23. Februar 2019; Ort: Radisson Blu Park Royal Palace Hotel Vienna).
Die Patientengruppe der Erwachsenen mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) ist bei uns bereits größer, als die der Kinder mit angeborenen Herzfehlern. Auch EMAH-Patienten mit korrigierten, einfachen Vitien sollten am besten in Kooperation mit einem EMAH-Zentrum betreut werden, welches der Ansprechpartner bei Problemen ist.

1 Regitz-Zagrosek V et al., Eur Heart J 2018; 39(34):3165–3241