Raynaud-Syndrom – Altbekanntes und Neues zur Therapie

Unter Anwendung strenger Kriterien (kalte Finger + Taubheitsgefühl + Zwei-Farben- Reaktion) liegt die Prävalenz des Raynaud- Syndroms (RS) bei Frauen um 2,9 % und bei Männern um 0,5 % (Bartelink M. I. et al., Neth J Med 1992).
Aufgrund der unterschiedlichen Prognose sowie der notwendigen weiteren Abklärung muss zwischen primären und sekundärem RS differenziert werden: Ersteres wird als rein funktionelle Störung der die Akren versorgenden Blutgefäße ohne Grunderkrankung gesehen. Zweiteres tritt im Rahmen einer systemischen Erkrankung auf.

Klinische Manifestation und Diagnostik

Das primäre RS manifestiert sich klassischerweise symmetrisch an beiden Händen (bzw. Vorfüßen) unter Aussparung der Daumen. Es treten meist keine Ulzerationen auf. Die klinische Untersuchung, Kapillaroskopie, Laborparameter sowie die Immunserologie sind unauffällig. In einer prospektiven Studie entwickelte sich bei lediglich 2 % der Patienten mit RS eine rheumatische Erkrankung, wenn initial die Immunserologie unauffällig war.
Hinweise für ein sekundäres RS sind höheres Alter bei Erstmanifestation (> 30 Jahre), intensive schmerzhafte Episoden, asymmetrischer Befall von Händen oder Vorfüßen, Nachweis von Autoantikörpern, pathologische Kapillaroskopie (> Abb. 1) und klinische Zeichen einer Kollagenose. Häufiger kommt es zu Störungen des Nagelwachstums, Ulzerationen, Nekrosen und Knochenatrophie. In der Differenzialdiagnostik des sekundären RS sollte an zahlreiche sehr unterschiedliche Erkrankungen und Medikamente/Toxine gedacht werden (> Tab.).

 

 

Therapie

Die Behandlung des RS und insbesondere seiner ischämischen Läsionen ist komplex (> Abb. 2), zeigt jedoch aufgrund rezenter Einsichten in die Pathogenese und durch die Identifizierung zentraler Mediatoren einen deutlichen Progress. Eine medikamentöse Therapie ist bei Patienten indiziert, die auf Allgemeinmaßnahmen (Vermeidung von Kälte, Stress, Nikotin, lokale Wärmeanwendungen etc.) nicht ausreichend ansprechen. Bei Auftreten digitaler Ulzera muss auch eine adäquate Lokaltherapie (Wundmanagement, Debridement) sowie Antibiose bei Infektion erfolgen.

 

Kalziumantagonisten (KA) (Nifedipin, Amlodipin) gelten als Medikamente der ersten Wahl zur Therapie des RS (Herrick A.L., Curr Opin Rheumatol 2011). Rezente Studien belegen auch positive Effekte der KA auf die kardiale Beteiligung im Rahmen einer Sklerodermie (SSc). Bei unzureichender Effektivität können andere vasoaktive Medikamente zu KA kombiniert werden oder den KA ersetzen.

Angiotensinrezeptorblocker (Sartane) reduzieren Anzahl und Schwere der Raynaud-At-tacken bei Patienten mit primären und sekundären RS (Dziadzio M. et al. Arthritis Rheum 1999), während ACE-Hemmer in einer Studie keine positiven Effekte zeigten.

Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) zeigten positive Effekte in einer Studie und können vor allem bei Patienten mit ausgeprägten Nebenwirkungen auf die oben genannten Medika verwendet werden.

Prostazyklinanaloga: Bei kritischer Ischämie und digitalen Ulzerationen, aber auch bei schwerem RS ist intravenös verabreichtes Iloprost als Therapie der ersten Wahl anzusehen, wobei weder zur Dosierung noch zur Dauer dieser Therapie einheitliche Empfehlungen vorliegen (Herrick A.L., Curr Opin Rheumatol 2011). An unserer Abteilung wird Iloprost in der Dosierung von 2 ng/min/kg (Dosistitration angezeigt) als kontinuierliche Infusion über 6–24 Stunden verabreicht. Die Dauer der Verabreichung hängt vom Schweregrad des RS bzw. der Ausprägung digitalen Ulzera ab und beträgt im Durchschnitt 7 bis 10 Tage. Auch eine ambulante Verabreichung 1-mal pro Monat, zusätzlich zu anderen Therapien, hat sich im klinischen Alltag bewährt.

Endothelinrezeptorantagonisten: Endothelin ist ein starker Vasokonstriktor in systemischen und pulmonalen Blutgefäßen und hat zusätz liche Effekte auf das vaskuläre Remodeling und die Fibrose. Endothelin-1 gilt als ein zentrales Enzym in der Pathogenese der SSc. Endothelinrezeptorantagonisten (Bosentan) verbessern die Symptomatik desRS nicht, werden jedoch bei rezidivierenden digitalen Ulzera im Rahmen der SSc eingesetzt und reduzieren die Zahl der neu auftretenden Ulzera (Nguyen V. A. et al., Rheumatology 2010; Matucci-Cerinic M. et al., Ann Rheum Dis 2011). Kombinationen mit Iloprost oder anderen vasoaktiven Substanzen sind möglich und bei einzelnen Patienten immer wieder notwendig.

Phosphodiesteraseinhibitoren (PDI) (Sildenafil, Vardenafil, Tadalafil) zeigten in klinischen Studien überwiegend positive Ergebnisse, insbesondere auch bei sekundärem RS. Stickstoffmonoxid (NO) ist ein potenter Vasodilata – tor. PDI steigern den Effekt von NO über die Verminderung des Abbaus von zyklischem Guanosinmonophosphat. Der Blutfluss in den Akren wird verbessert, die Zahl und Schwere der Raynaud-Attacken reduziert. PDI wurden auch als Add-on-Therapie bei SSc eingesetzt und zeigten positive Auswirkungen auf digitale Ulzera (Shenoy P. D. et al., Rheumatology 2010; Brueckner C. S. et al., Ann Rheum Dis 2010). Obwohl PDI bereits häufig zur Therapie des RS und digitaler Ulzera eingesetzt werden, gelten sie noch nicht als ausreichend validierte Therapie (Herrick A. L., Curr Opin Rheumatol 2011).

Thrombozytenfunktionshemmer: Patienten mit SSc zeigen verstärkte Thrombozytenaktivierung und -aggregation. Daher können Thrombo – zytenfunktionshemmer (Aspirin, Clopidogrel) bei SSc-assoziiertem schweren RS und/oder kritischer Ischämie eingesetzt werden (Herrick A.L., Curr Opin Rheumatol 2011).

Statine könnten über mehrere Wege positiv auf das RS und begleitende ischämische Komplikationen wirken. Atorvastatin reduzierte in einer Untersuchung die Anzahl der neuen Ulzera und die Schwere des RS (Abou-Raya A. et al., J Rheumatol 2008). Die vorliegenden Daten erlauben jedoch keine generelle Therapieempfehlung für Statine bei RS.

Weitere Therapieoptionen

Die Lokaltherapie des RS mit Nitraten zeigt dosisabhängig lokale wie auch systemische Effekte. Rezent wurden positive Effekte bei Verwendung eines Nitroglycerin-Patches beschrieben. Medikamente, die in kleinen Fallserien positive Effekte zeigten, sind Antioxidantien (Acetylcystein) und Botulinumtoxin. Für weitere Medikamente laufen zurzeit bereits klinische Studien. Untersucht werden unter anderem Treprostinil, verschiedene PDI, Endothelinrezeptorantagonisten und ein RhoA/Rho-Kinase-Inhibitor.