Vascular Inflammation
 – Von der Entzündung zum Herzinfarkt


In einem Review Artikel im „New England Journal of Medicine“ hielt Russel Ross, einer der Pioniere der kardiovaskulären Forschung, 1999 – kurz vor seinem Tod – fest: „Each characteristic lesion of atherosclerosis represents a different stage in the chronic inflammatory process in the artery.“ Entzündung ist der zentrale pathophysiologische Prozess bei der Entstehung und Progression der Atherosklerose.


Diagnostische Ansätze

CRP: Fillipo Crea aus Rom ging in seinem Beitrag „How to assess vascular inflammation“ zuerst auf die Bedeutung des C-reaktiven Proteins (CRP) ein, welches nicht nur bei Vorliegen klassischer kardiovaskulärer Risikofaktoren, sondern auch bei Depression, geringer Zufuhr an Obst und Gemüse oder mangelnder Bewegung erhöht ist. CRP hat somit das Potenzial, auch Risikofaktoren, die nicht in Risikoscores abgebildet werden, zu erfassen. Außerdem kann es herangezogen werden, um das kardiovaskuläre Risiko vor allem bei Patienten mit intermediärem Risiko besser zu erfassen.
Juan Carlos Kaski aus London ging schließlich noch einmal auf die klinische Bedeutung des CRP ein, hielt jedoch durchaus kritisch zusammenfassend fest, dass CRP zwar ein inflammatorischer Biomarker und Prädiktor für ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko ist, aber im klinischen Alltag vor allem in einem Hochrisikokollektiv letztendlich wenig zusätzliche Information im Vergleich zu konventionellen Risikofaktoren bringt. Bei Patienten mit intermediärem Risiko könnte die zusätzliche Bestimmung von CRP in Zukunft jedoch hilfreich für primärpräventivmedizinische Entscheidungen, insbesondere die Festlegung des optimalen Zeitpunkts für die Implementierung einer medikamentösen Therapie, sein. In den Europäischen Guidelines wird eine routinemäßige Bestimmung von CRP in diesem Setting derzeit jedoch nicht empfohlen.

PET-Imaging: In weiterer Folge wurde die Bedeutung der Positronenemissions-Tomografie (PET) bei der Darstellung von inflammierten Plaques diskutiert. Neben dem klassischen 18FDG (Fluordesoxyglukose) als Tracer für die Untersuchung des Glukosestoffwechsels im Gewebe, wurde zuletzt [11C]PK11195, ein selektiver mit 11C markierter Translocator-Protein-(TSPO)-Ligand, als Tracer verwendet, welcher im Rahmen einer PET-CT stabile von instabilen Plaques unterscheiden kann. PET-CT-Imaging hat somit prinzipiell das Potenzial, gefährdete Patienten frühzeitig zu identifizieren.

MPO: Myeloperoxidase (MPO) ist ein weiterer gut untersuchter kardiovaskulärer Biomarker, welcher unabhängig von der Höhe des CRP ist. Aufgrund der derzeitigen Datenlage ist CRP offenbar ein besserer Marker für die Plaqueruptur und MPO eher ein Biomarker für Plaqueerosionen.

Entzündung und Herzinfarkt

Über den Einfluss von entzündlichen Erkrankungen auf das kardiovaskuläre Risiko berichtete Malte Kelm aus Düsseldorf. Bekannt ist der Zusammenhang von respiratorischen Infekten in den Wintermonaten, die begleitet sind von einem erhöhten Herzinfarktrisiko. In den ersten Tagen nach der Infektion ist das Risiko am größten.

Influenzaimpfung: In diesem Zusammenhang ist eine Studie besonders interessant, in der bei einem Kollektiv von Hochrisikopatienten, die gegen Influenzaviren geimpft wurden, gezeigt werden konnte, dass die Impfung einerseits mit einem niedrigeren Risiko für die Hospitalisation aufgrund von Herzinfarkt oder Schlaganfall einherging, andererseits auch die Mortalität abnahm. In den aktuellen Leitlinien der European Society of Cardiology zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird daher die Influenzaimpfung als kosteneffektive Maßnahme zur Verhinderung von kardiovaskulären Ereignissen zumindest bei Patienten mit erhöhtem Risiko empfohlen.

TNF-α-Blocker: In den letzten Jahren haben effektivere Therapiemaßnahmen bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) generell zu einer Reduktion der Entzündungsparameter geführt. Gleichzeitig ging in diesem Kollektiv auch die Inzidenz an Herzinfarkten zurück. In einigen Studien konnte gezeigt werden, dass klassische Risikofaktoren und inflammatorische Prozesse synergistisch wirken, sodass das wahre kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit RA durch derzeit gebräuchliche Risikoscores generell unterschätzt wird. Interessanterweise kann durch die Therapie mit einem TNF-α-Blocker auch die Gefäßsteifigkeit innerhalb 6–12 Wochen signifikant reduziert werden.

Parodontitis-Therapie: Auch parodontale Erkrankungen sind mit endothelialer Dysfunktion und erhöhtem kardiovaskulären Risiko assoziiert. Die Therapie der Parodontitis verbessert Entzündungsparameter wie das CRP und die endotheliale Funktion. Die direkte Beeinflussung harter klinischer Endpunkte konnte bis dato jedoch noch nicht gezeigt werden. Für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen konnte bisher kein Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse gezeigt werden.

Therapeutische Implikationen

Paul M. Ridker aus Boston fasste zum Abschluss noch therapeutische Implikationen zusammen. Er hielt fest, dass Studienergebnisse eindeutig belegen, dass Patienten mit erhöhten Entzündungsparametern ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen. So präsentierten die Emerging Risk Factor Collaborators 2010 eine Metaanalyse im „Lancet“, die demonstrierte, dass erhöhte CRP-Konzentrationen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität signifikant steigern. In den USA wird zur Risikostratifizierung bevorzugt der Reynolds-Risikoscore verwendet, der einem erweiterten Framingham-Risikoscore entspricht und neben Alter, Rauchen, Blutdruck, Triglyzeriden und HDL-C auch hochsensibles (hs)-CRP, die Familienanamnese und HbA1c erfasst. In den aktuellen europäischen Guidelines wird der Einsatz von hs-CRP, wie schon erwähnt, nicht empfohlen.

JUPITER-Studie: Schließlich fasste Ridker nochmals die Ergebnisse der JUPITER-Studie zusammen, in welche Patienten ohne bekannte KHK eingeschlossen wurden, die anhand der aktuellen Leitlinien kein Statin erhalten würden, jedoch bei einem hs-CRP > 2 mg/l randomisiert wurden und entweder Placebo oder 20 mg Rosuvastatin erhielten. Die Studie wurde vorzeitig abgebrochen, da im Rosuvastatin-Arm signifikant weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle auftraten sowie signifikant weniger koronare Interventionen notwendig waren und als sekundärer Endpunkt auch die Gesamtmortalität niedriger war. Interessanterweise konnte durch Rosuvastatin auch die Inzidenz von venösen Thromboembolien reduziert werden.

Aussicht auf neue Daten: Letztendlich stellte Ridker noch die beiden klinischen Studien vor, die klären sollen, ob es sinnvoll ist, bei kardio­vaskulären Hochrisikopatienten neben der derzeitigen Standardtherapie die Inflammation per se zu behandeln. Die erste Studie – der Cardiovascular Inflammation Reduction Trial (CIRT) – soll untersuchen, ob 20 mg Methotrexat/Woche kardiovaskuläre Rezidivereignisse bei Hochrisikopatienten mit Diabetes mellitus Typ 2 oder metabolischem Syndrom verhindern kann. Der Patienteneinschluss soll im März 2013 beginnen. In CANTOS (Canakinumab Anti-inflammatory Thrombosis Outcome Study) wird neben der derzeitigen Standardtherapie Canakinumab, ein monoklonaler IL-1β-Antikörper, mit dem Ziel eingesetzt, bei Patienten mit stabiler KHK nach Myokardinfarkt kardiovaskuläre Rezidivereignisse zu verhindern. Sekundäre Endpunkte sind Gesamtmortalität, Neuauftreten von Diabetes mellitus und andere vaskuläre Ereignisse. In diese klinische Studie wurde bereits mehr als 3.000 Patienten eingeschlossen.