Frühkarzinom endoskopisch therapiert

Wesentliche Ursache für die Krebsvorstufe, die sogenannte Barrett-Schleimhaut, ist ein chronischer Rückfluss von Salzsäure, Gallensäure und Enzymen aus Magen und Zwölffingerdarm in die Speiseröhre. Die Säure führt auf Dauer dazu, dass sich die Schleimhautzellen der Speiseröhre in Vorstufen von Krebszellen verwandeln: „Eine Barrett-Schleimhaut liegt durchschnittlich bei bis zu 1,3 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland vor, auch wenn jüngste Berichte eine deutlich höhere Rate annehmen lassen“, erklärt Dr. Jürgen Hochberger, Vorsitzender der Sektion Endoskopie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und Chefarzt der Medizinischen Klinik III am St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim. Besonders betroffen sind Männer über 50 Jahren mit chronischem Reflux und Übergewicht. „Sie entwickeln in 13 Prozent der Fälle eine Barrett-Schleimhaut. Deren Risiko einen Krebs zu entwickeln ist 40- bis 125-fach, und damit im Vergleich zur Normalbevölkerung stark erhöht“, ergänzt Hochberger. Neben Reflux und Übergewicht stellt vi­taminarme Ernährung einen wesentlichen zusätzlichen Risikofaktor dar. Häufiges Sodbrennen ist das wichtigste Alarmzeichen für krankhafte Veränderungen in der Speiseröhre.
Ärzte haben in den letzten zehn Jahren große Fortschritte darin gemacht, die Krebsvorstufen in Barrett-Schleimhaut und Schleimhautkrebs zu erkennen und mit dem Endoskop zu behandeln. Typischerweise besteht beim Schleimhautkrebs noch ein geringes Risiko, dass er Metastasen bildet und streut. Derzeit existieren drei verschiedene Verfahren, die alternativ oder ergänzend einsetzbar sind. Die längste Erfahrung besteht für die sogenannte Mucosaresektion mit Nachverfolgungszeiträumen bis 15 Jahre. Dabei trägt der Arzt mit der Endoskopschlinge schrittweise Schleimhautstückchen mit bis zu zwei Zentimeter Größe ab. 2003 wurde in den USA darüber hinaus ein sehr wenig Körper-eingreifendes Verfahren entwickelt, die sogenannte Radiofrequenz-Ablation oder auch BarrX-Verfahren. Hierbei veröden Ärzte mittels Strom über einen aufblasbaren zylindrischen Ballon die veränderte Speiseröhrenschleimhaut oberflächlich. Von April 2005 bis Juni 2011 wurden weltweit mehr als 85.000 Eingriffe mit diesem Ballonverfahren durchgeführt, bei dem jeweils die Schleimhautoberfläche in mehreren Durchgängen hitzebehandelt wird. „Das Verfahren hat vor allem bei oberflächlichem Schleimhautbefall inzwischen einen hohen Stellenwert und eignet sich vielleicht in Zukunft auch in der prophylaktischen Behandlung von Risikopatienten mit Barrett-Schleimhaut“, erläutert Hochberger.
Das dritte und jüngste Verfahren ist die Endoskopische Submucosa-Dissektion (ESD), die bisher nur auf wenige Zentren zur Behandlung von Speiseröhren-Frühkarzinomen in Europa beschränkt ist. Sie ermöglicht erstmals die röhrenförmige Entfernung der kompletten Schleimhaut mit den Krebsbezirken. Wesentlicher Vorteil ist, dass der Pathologe anschließend die Schleimhaut als Ganzes unter dem Mikroskop untersuchen und damit eine eindeutige feingewebliche Aussage darüber treffen kann, ob die krankhaften Stellen in der Tiefe und zu den Rändern hin komplett entfernt wurden. „Durch die restlose Entfernung können wir davon ausgehen, dass die ESD von allen drei genannten Verfahren mit Abstand das geringste Wiedererkrankungsrisiko aufweist“, erklärt Hochberger. Sie sei jedoch das eingreifendste Verfahren, erfordere ein hohes fachliches Können vom Endoskopiker und sei am zeitaufwendigsten. Die ESD steht damit in der Radikalität, aber auch der Invasivität der Chirurgie am nächsten, gleichwohl ohne Schnitt.

Quelle: Viszeralmedizin 2012, 19. bis 22. September 2012, Congress Center Hamburg, 67. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten mit Sektion Endoskopie (DGVS)

6. Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie gemeinsam mit den Arbeitsgemeinschaften der DGAV