Neue Einblicke in die fetale Gehirnentwicklung

Anatomische und funktionelle MRT-Aufnahmen eines fetalen Gehirns in der 32. Schwangerschaftswoche.

 

 

Zusätzlich zur Optimierung morphologischer Bildsequenzen, mit denen die Evaluierung normaler und pathologischer Hirnentwicklung in utero möglich ist, galt seit Längerem das Bestreben, den Fokus über die Morphologie hinaus zu verlegen. Erste Ergebnisse im Bereich der Darstellung von Faserverbindungen des Gehirns mittels Traktografie und der Demonstration von metabolischen Prozessen mittels Spektroskopie waren in diesem Bereich wegweisend. Der letzte Puzzleteil in Bezug auf fetale Hirnfunktionen fehlte aber bisher.
Die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRT) eröffnete schon vor mehr als 15 Jahren die Türen zur Erforschung von Verarbeitungsprozessen des Gehirns und bietet heute neben der Möglichkeit, Grundlagenwissen zu vertiefen, auch bedeutende klinische Anwendungsgebiete wie zum Beispiel die Lokalisierung von Spracharealen zur präoperativen Planung bei Epilepsie- oder Tumorpatienten. Darüber hinaus konnte in neuesten Untersuchungen auch die Existenz von sogenannten „Ruhenetzwerken“ im Gehirn gezeigt werden, den sogenannten „Resting-State Netzwerken“ (RSN).
Diese revolutionierten den Zugang der Neurowissenschaften, indem sie eine einfache Möglichkeit zur Messung räumlicher Verteilungen von Netzwerken im Gehirn im Ruhezustand bieten und somit Einblicke in spezifische funktionelle Charakteristika liefern. Es konnte gezeigt werden, dass diese RSN immer existieren: im Schlaf, während des Ausführens von Tätigkeiten, in Ruhe, sogar in Anästhesie. Außerdem weisen RSN spezifische Veränderungen bei verschiedenen Erkrankungen auf, wie zum Beispiel Alzheimer oder Schizophrenie. Weiters wird vermutet, dass RSN eine Art Substruktur für verschiedene neuronale Prozesse liefern und somit die Basis zur Verarbeitung unterschiedlicher Reize, wie zum Beispiel sensorischen, kognitiven, emotionalen oder motorischen Input bilden. Neben der Information über funktionelle Konnektivität eröffnen sie außerdem neue klinische Perspektiven in der präoperativen Planung.
Die Existenz und in weiterer Folge die Bedeutung dieser Netzwerke im Verlauf der fetalen Entwicklung war bisher gänzlich unerforscht. Das ist zum einen auf die schwierigen Messbedingungen und zum anderen auf komplizierte Auswertetechniken zurückzuführen. An der Universitätsklinik für Radiologie an der Medizinischen Universität Wien konnte erstmals gezeigt werden, dass intrinsische funktionelle Gehirnnetzwerke bereits in utero existieren und darstellbar sind. Die Anwendbarkeit fetaler fMRT in einem klinischen Rahmen konnte demonstriert und die Existenz von drei verschiedenen Resting-State Netzwerken (frontal, okzipital und temporal) bei nicht sedierten Feten (20.–36. Schwangerschaftswoche) nachgewiesen werden. Basierend auf diesen Resultaten wird es möglich sein, die funktionelle Entwicklung des Gehirns gezielt zu beobachten und somit wichtige Einblicke in grundlegende Mechanismen früher humaner Gehirnreifung zu erlangen.
Durch eine kombinierte Verarbeitung von funktionellen und strukturellen Daten, speziell für jede Schwangerschaftswoche, wird es zukünftig möglich sein, anhand dieser fusionierten Informationen einen genaueren Einblick in den Entwicklungsprozess des Gehirns zu erlangen, um somit den Entwicklungsablauf besser zu verstehen. Diese Erkenntnisse werden entscheidend zum Verständnis des zeitlichen Verlaufs und des komplexen Aufbaus früher morphologischer Auffälligkeiten beitragen sowie deren Einfluss auf kognitive und sensorische Fähigkeiten aufzeigen.