Die Rolle von „Cilengitide“ bei der Entstehung einer autoimmunen, destruktiven Arthritis

Rationale der Studie

Unter den rheumatischen Erkrankungen stellt die rheumatoide Arthritis den Prototyp einer chronisch entzündlichen Gelenkerkrankung dar. Im Verlauf dieser Erkrankung entstehen schwere funktionelle Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates. Kennzeichnend sind eine Synovitis mit einhergehender Zerstörung des benachbarten Gelenkknorpels und einer Resorption des gelenknahen Knochens. Die Aktivierung der Osteoklasten spielt dabei eine zentrale Rolle.
Die Knochenresorption benötigt reife und funktionierende Osteoklasten. Das setzt zunächst ein Wachstum von Vorläuferzellen, danach deren Differenzierung in mononukleäre Preosteoklasten und schließlich die Fusion in multinukleäre, reife Osteoklasten voraus. Für die Migration und das Adhärieren der Osteoklasten an der Resorptionsstelle sind außerdem Interaktionen mit extrazellulären Matrixkomponenten notwendig.

Integrine sind Membranproteine, die diese „Zell zu Zell“- und „Zell zu Matrix“-Interaktionen regulieren. Dadurch sind sie für die Entwicklung, Aktivierung und Funktion verschiedenster Zellen bedeutsam. Ein Integrin, αvβ3 oder auch Vitronektinrezeptor genannt, wird von aktivierten Osteoklasten stark exprimiert. Darüber hinaus dereguliert das Fehlen des αvβ3-Integrins die Funktion der Osteoklasten und somit den Knochenphänotyp. Es ist bekannt, dass αvβ3-blockierende Antikörper die Knochenresorption hemmen. Die Wirkung der αvβ3-Hemmung auf die Entstehung der Arthritis wurde aber bisher nicht ausreichend untersucht.

Cilengitide ist ein synthetisches, niedermolekulares Pentapeptid, das eine RGD-Aminosäuresequenz enthält. Diese Sequenz besteht aus den drei Aminosäuren Arginin (R), Glycin (G) und Asparaginsäure (D) und vermittelt die Bindung an verschiedene Integrine. Auf diese Weise hemmt Cilengitide unter anderem das Adhäsionsmolekül αvβ3. Wie in früheren Forschungen demonstriert werden konnte, sollten dadurch die Bildung und das Wachstum von tumoreigenen Blutgefäßen und damit die Proliferation und die Aktivität von Tumorzellen vermindert werden.
Cilengitide wird als Angiogenesehemmer bereits effektiv in der Onkologie bei klinischen Studien für Patienten mit Glioblastom sowie anderen Tumoren, wie beispielsweise dem metastasierten Prostatakarzinom, dem fortgeschrittenen nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom und Plattenepithelkarzinomen im Kopf- Hals-Bereich erprobt. Rezente experimentelle Behandlungen zeigen, dass Cilengitide auch die Entwicklung von Knochenmetastasen vermindert.

Hemmende Effekte von Cilengitide

Die potenzielle entzündungshemmende und knochenresorptionsschützende Wirkung von Cilengitide in der Arthritis testeten wir in Zellkulturen und in einem etablierten Arthritismodell, der so genannten kollageninduzierten Arthritis.

Osteoklastogenese. Zunächst konnten wir zeigen, dass αvβ3 für die Entstehung der Osteoklasten essenziell ist. Cilengitide hemmt nämlich nicht nur die Proliferation der Osteoklastenvorläuferzellen, sondern auch die Fusionierung dieser Zellen zu multinukleären, reifen Osteoklasten. Cilengitide könnte daher sowohl mit dem Entzündungsgeschehen als auch mit dem knochendestruierenden Prozess bei der rheumatoiden Arthritis interferieren.

Experimentelle Arthritis. Das Zusammenspiel zwischen Entzündung und Knochenabbau untersuchten wir in einem Mausmodell der rheumatoiden Arthritis. Die systemische Therapie mit dem αvβ3-integrinhemmenden Cilengitide konnte dabei das Entstehen und Fortschreiten der Gelenkentzündung und Gelenkzerstörung aufhalten.

Ausblick

Die Pannusformation und die Knochenresorption spielen eine bedeutsame, pathogenetische Rolle in der rheumatoiden Arthritis. Das Modulieren der αvβ3-Integrinfunktion durch Cilengitide könnte einen neuen therapeutischen Ansatz bei entzündlichen Gelenkerkrankungen bieten.