Cochrane Review: Kalzium schützt vor hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen

Hintergrund

Bedrohungspotenzial: Präeklampsie (Trias aus Ödemen, Hypertonie und Proteinurie) und Eklampsie (akute Dekompensation einer Präeklampsie mit Krämpfen etc.) sind verbreitete Ursachen für schwer wiegende Morbidität und Mortalität in der Schwangerschaft. Es wird geschätzt, dass Bluthochddruck generell weltweit bei 5% aller Schwangeren insgesamt und bei 11% aller Primiparae zu Komplikationen führt – zur Hälfte mit Präeklampsie assoziiert – und für bis zu 40.000 mütterliche jährlich Todesfälle verantwortlich ist. Auch Frühgeburtlichkeit, die mit einem hohen Risiko für akute Morbidität, speziell respiratorische Erkrankungen, aber auch nachteiligen Folgen für die langfristige neurologische Entwicklung verbunden ist, wird in vielen Fällen auf hypertensive Erkrankungen als kausalen Faktor zurückgeführt (Johnson et al., BMJ 1993; 306:1715-8).

Zusammenhang mit insuffizienter Ca-Zufuhr: Erstmals wurden in den 1980er-Jahren epidemiologische Zusammenhänge zwischen einer hohen Ca-Aufnahme bei gleichzeitig niedriger Inzidenz von hypertensiven Schwangerschaftserkrankungen berichtet (Belizan, 1980). Die Hypothese, wonach eine erhöhte Ca-Zufuhr Schwangere mit niedriger Ca-Aufnahme vor solchen Erkrankungen und deren Folgen schützen könnten, erhärtet sich durch weitere epidemiologische, aber auch klinische Studien.

Folgender Wirkmechanismus ist vorstellbar: Niedrige Ca-Aufnahme kann via erhöhte PTH- oder Renin-Sekretion zur intrazellulären Ca-Erhöhung in glatten Gefäßmuskelzellen führen, mit folgender Vasokonstriktion und Hypertonie. In der Gegenrichtung würde eine Ca-Supplementierung einer Kontraktilität der Gefäße, aber über einen ähnlichen Wirkpfad auch jener der glatten Uterusmuskulatur und damit vorzeitigen Wehen bzw. einer Frühgeburt entgegenwirken.

Abstract

Zielsetzungen: Untersuchung des Effekts einer Ca-Supplementierung in der Schwangerschaft auf das Risiko einer Hypertonieentwicklung in der Schwangerschaft und damit assoziierter nachteiliger maternaler, fetaler und neonataler Outcomes. Subgruppenanalysen untersuchten, ob ein möglicher Benefit einer Ca-Supplementierung auch von der vor Studieneintritt gemessenen Höhe der Ca-Zufuhr und des individuellen Risikos für hypertensive Schwangerschaftserkrankungen beeinflusst wurde.

Selektionskriterien: Randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs) des Cochrane Pregnancy and Childbirth group’s Trials Register2, in denen mindestens 1 g Calcium/Tag mit Placebo verglichen wurde. Es wurden 13 Studien guter Qualität (15.730 Patientinnen) inkludiert.

Ergebnisse:

  • Das Hypertonierisiko wurde vs. Placebo reduziert (12 Trials, 15.470 Frauen: RR 0,65, 95%-KI 0,53-0,81).
  • Das Präeklampsierisiko zeigte sich ebenfalls vermindert (13 Trials, 15.730 Frauen: RR 0,45, 95%-KI 0,31-0,65). Der Effekt war am größten bei Frauen mit niedriger Ca-Zufuhr bei Baseline (8 Trials, 10.678 Frauen: RR 0,36, 95%-KI 0,20-0,65) und bei Frauen mit hohem Präeklampsierisiko (5 Trials, 587 Frauen: RR 0,22, 95%-KI 0,12-0,42; in diesem Punkt ist die Aussagekraft jedoch aufgrund unterschiedlicher Risikodefinitionen limitiert).
  • Das Frühgeburtlichkeitsrisiko war insgesamt in der Ca- Gruppe reduziert (11 Trials, 15.275 Frauen: RR 0,76, 95%- KI 0,60-0,97), in 4 kleinen Trials mit Frauen mit Hochrisiko für Präeklampsie zeigte sich sogar ein besonders ausgeprägt reduziertes Frühgeburtlichkeitsrisiko (4 Trials, 568 Frauen: RR 0,45, 95%-KI 0,24-0,83).
  • Für Totgeburt oder Tod des Neugeborenen vor der Spitalsentlassung konnte kein Gesamteffekt gezeigt werden (11 Trials, 15.665 Babys: RR 0,90, 95%-KI 0,74-1,09).
  • Der kombinierte Endpunkt aus mütterlichem Tod oder schwer wiegender Morbidität war reduziert (4 Trials, 9.732 Frauen: RR 0,80, 95%-KI 0,65-0,97). Bei den meisten Frauen dieser Studien waren das Präeklampsierisiko sowie die Ca-Zufuhr bei Baseline gering.
  • Für ein HELLP-Syndrom (Hämolyse, erhöhte Leberwerte, erniedrigte Thrombozytenzahl als Folgen einer zusätzlich zu Präeklampsiesymptomen auftretenden Leberfunktionsstörung) gab es hingegen abweichend ein erhöhtes Risiko (2 Trials, 12.901 Frauen: RR 2,67, 95%-KI 1,05-6,82).

Conclusio

Auf Seiten der Benefits unter Ca-Supplementierung standen in dieser Metaanalyse eine Reduktion von Hypertonie, Präeklampsie und Eklampsie und der Frühgeburtlichkeit. Die Risikoerhöhung für ein HELLP-Syndrom war in Absolutwerten sehr gering und verliert, so die Bewertung der Autoren, auch in Anbetracht der Reduktion des zusammengesetzten Endpunktes maternale Mortalität und schwere Morbidität an Gewicht. Eine Zusammenschau rechtfertige deshalb die Empfehlung für eine Ca-Supplementierung in der Schwangerschaft, besonders bei einer insuffizienten Zufuhr mit der Nahrung und einem hohen individuellen Eklampsierisiko.

 

1 Hofmeyr G. J., Lawrie T. A., Atallah Á. N, Duley L.: Calcium supplementation during pregnancy for preventing hypertensive disorders and related problems. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 8
2 inkludiert alle in MEDLINE und der Cochrane-Datenbank CENTRAL gelisteten RCTs sowie Recherche in 30 relevanten Journalen sowie Proceedings der großen Kongresse

Review und Freigabe dieses Artikels durch die Österreichische Cochrane Zweigstelle (ÖCZ): Dr. Kylie Thaler, MPH, Stellvertretende ÖCZ-Direktorin