Einleitung


ABO-Blutgruppeninkompatibilität kann aufgrund der schädigenden Wirkung von zirkulierenden Antikörpern gegen die Blutgruppe des Spenders schwerste Abstoßungskrisen verursachen. Unter gezielter Immunmodulation und Elimination von ABO-Antikörpern kann aber auch über die Barriere ungleicher Blutgruppen erfolgreich transplantiert werden. Dafür wurden in den letzten Jahren verschiedene Desensibilisierungsstrategien entwickelt und optimiert (Fehr T, Stussi G, Curr Opin Organ Transplant 2012; 17(4):376). Die ABO-inkompatible Nierentransplantation gilt heute als sicheres und effizientes Verfahren und ist mittlerweile an vielen Zentren Routine, auch in Österreich (Haidinger et al., Wien Klin Wochenschr 2009; 121:247).

ABO-antigenspezifische Immunadsorption

Insbesondere das innovative Prinzip der ABO-antigenspezifischen Immunadsorption (IA) hat exzellente klinische Ergebnisse ermöglicht (Tyden et al., Transplantation 2007; 83(9):1153). Nachteilig sind allerdings die hohen Kosten, da derzeit verfügbare ABO-selektive Adsorber nur für den Einmalgebrauch zugelassen sind. Zudem bedingt eine hohe Bindungsselektivität, dass eine gleichzeitige Entfernung anderer relevanter Spezifitäten wie Alloantikörper gegen HLA-Antigene nicht möglich ist. Das technische Prinzip ABO-selektiver IA ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt.

 

 

Semiselektive IA-Verfahren

Eine seit langem bewährte Apheresestrategie ist die Entfernung pathogener Antikörper mittels semiselektiver IA-Verfahren, wie Protein-A-, GAM-Peptid- oder anti-human Ig-basierten Adsorbertechnologien, die Immunglobuline unabhängig von ihrer Spezifität depletieren (Abb. 1). Solche Verfahren haben sich zur Entfernung pathogener Antikörper bei Autoimmunerkrankungen und zur Desensibilisierung und Abstoßungstherapie vor und nach der Transplantation bewährt. Von großem Vorteil ist, dass semiselektive IA-Adsorber ohne wesentlichen Kostenmehraufwand regeneriert und wiederverwendet werden können und damit eine nahezu unbegrenzte Adsorptionskapazität aufweisen. Ein weiterer potenzieller Vorteil ist die Möglichkeit einer simultanen Elimination anderer pathogener Antikörper, insbesondere solcher gegen HLA-Alloantigene (Bartel et al., Transpl Int 2011; 24(12):1142). Letztlich kann spekuliert werden, dass Isoagglutinine, die gegen die Kernketten von Spenderblutgruppenantigenen gerichtet sind, durch semiselektive IA effizienter eliminiert werden als durch die immobilisierten Trisaccharidantigene der antigenspezifischen Adsorber.
Bezüglich ABO-inkompatibler Transplantation gibt es allerdings nur wenig Erfahrung. In einzelnen Serien bzw. Fallberichten wurde darauf hingewiesen, dass die ABO-Antikörper-Elimination mit semiselektiver IA oft inkomplett war und ergänzend Plasma für eine ausreichende ABO-Antikörper-Entfernung separiert werden musste (Tyden et al., Transplantation 2007; 84(12 Suppl):S27; Morath et al., Transplantation 2012; 93(8):827). Diese klinischen Daten weisen auf eine möglicherweise geringere Absenkungseffizienz des Verfahrens hin.
In dieser Studie haben wir nun systematisch untersucht, inwieweit semiselektive Verfahren ABO-Antikörper im Vergleich zur ABO-antigenspezifischen IA tatsächlich eliminieren können.
Ein wesentliches Ergebnis unserer Studie war, dass semiselektive IA-Verfahren einer ABO-spezifischen IA in Hinblick auf IgM- und IgG3-Elimination deutlich unterlegen waren, dies auch in serieller Anwendung. Unsere Daten weisen darauf hin, dass eine Desensibilisierung mit semiselektiven Verfahren immunologische Risiken bergen könnte. Tatsächlich ist die klinische Relevanz verschiedener Immunglobulinklassen und -subklassen im Kontext ABO-inkompatibler Transplantation nicht definitiv geklärt. Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass semiselektive Verfahren in ABO-inkompatibler Transplantation eher zurückhaltend, und wenn überhaupt, nur unter exaktem engmaschigem Antikörpermonitoring (z. B. exakte Bestimmung von IgM-Reaktivitäten) bzw. unter Bereitschaft ergänzender Verfahren (z. B. Plasmapherese) eingesetzt werden sollten.