Einleitung

Störungen der Knochenstruktur und des Knochenstoffwechsels bei niereninsuffizienten Patienten sind Teil eines Syndroms, das unter dem Begriff „chronic kidney disease – mineral and bone disorder“ (CKD-MBD) zusammengefasst wird1. Definitionsgemäß umfasst die CKD-MBD Störungen des Kalzium-, Phosphat-, Parathormon- oder Vitamin-D-Haushalts, das Auftreten von Gefäßverkalkungen und Veränderungen des Knochens (renale Osteodystrophie, ROD).
Niereninsuffiziente Personen – insbesondere Dialysepatienten – haben ein deutlich erhöhtes Knochenbruchrisiko. Das Risiko einer Oberschenkelhalsfraktur ist bei Dialysepatienten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung etwa 4-fach erhöht2. Eine Oberschenkelhalsfraktur ist für die Lebensqualität der Patienten ein einschneidendes Ereignis (große Operation, Bettlägerigkeit) und führt zu einer Verdopplung der Mortalität in diesem Kollektiv3. In letzter Zeit verdichten sich die Hinweise auf einen kausalen Zusammenhang zwischen renaler Osteodystrophie und dem Auftreten von Gefäßverkalkungen. Insbesondere ein verlangsamter Knochenstoffwechsel („low turnover“) scheint für das Auftreten von Gefäßverkalkungen zu prädisponieren4. Da das Auftreten von arteriellen Gefäßverkalkungen ein unabhängiger prognostischer Parameter hinsichtlich des Patientenüberlebens darstellt5, könnte die Optimierung eines gestörten Knochenstoffwechsels auch zu einer Verminderung der Gefäßverkalkung führen. Bislang fehlen jedoch Interventionsstudien zum Einfluss einer knochenspezifischen Therapie auf die Frakturrate oder die Gefäßverkalkung, obwohl es immer mehr wirksame Therapien gibt (Vitamin D und -Derivate, Bisphosphonate, Strontiumranelat, Raloxifen, rekombinantes Parathormon, Denosumab).
Das Hauptproblem im klinischen Management der ROD ist die schwierige Diagnostik.
Die ROD kann sich als Veränderungen des Knochenumsatzes („turnover“), der Mineralisation („mineralization“) oder des Knochenvolumens („volume“) äußern (TMV-Klassifizierung)6. Aktuell sind diese Parameter nur mittels trans­iliakaler Knochenbiopsie mit anschließender Histomorphometrie verlässlich zu erheben. Diese Diagnostik ist invasiv, und die Probenaufbereitung (histologischer Schnitt von nichtentkalktem Knochen) ist technisch aufwändig. Um die Auswirkung einer knochenspezifischen Therapie valide beurteilen zu können, müssen die Patienten seriell biopsiert werden. Aufgrund anatomischer Gegebenheiten und der Invasivität des Eingriffs ist die Zahl der möglichen Biopsien pro Patient jedoch beschränkt und die Bereitschaft der Patienten zur Knochenbiopsie gering.
Andere diagnostische Verfahren wie die konventionelle Knochendichtemessung mittels DEXA oder die Bestimmung von Parathormon (PTH) oder serologischen Knochenstoffwechselmarkern (z. B. knochenspezifische alkalische Phosphatase, Osteokalzin u. a.) sind nicht sensitiv oder spezifisch genug, um eine korrekte Diagnose der ROD zu ermöglichen. Solange das Problem der nichtinvasiven Diagnostik der ROD nicht gelöst ist, sind auch keine Interventionsstudien mit Endpunkten auf Patientenebene wie Fraktur oder Gefäßverkalkung zu erwarten.
Aus diesem Grund versucht unsere Arbeitsgruppe, neue diagnostische Wege zu finden, um die ROD korrekt zu klassifizieren. Eine unserer Arbeiten möchten wir hier exemplarisch vorstellen.

  1. Moe S et al., Kidney Int 2009; 76:S1–S130
  2. Alem AM et al., Kidney Int 2000; 58:396–399
  3. Coco M et al., Am J Kidney Dis 2000; 36:1115–1121
  4. London GM et al., J Am Soc Nephrol 2004; 15:1943–1951
  5. Okuno S et al., Am J Kidney Dis 2007; 49:417–425
  6. Moe S et al., Kidney Int 2006; 69:1945–1953