Medical Affairs im Wandel

Rasante Weiterentwicklungen in Wissenschaft, Technologie und Daten sowie Veränderungen der Kommunikationskanäle haben zu einem Transformationsprozess von Medical Affairs geführt. Die Healthcare Consulting Group (HCG) hat gemeinsam mit Reuters und unter Mitarbeit von Führungskräften aus Pharmaunternehmen ein Paper herausgebracht, das diese Transformation genauer unter die Lupe nimmt. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Aspekte.

Stetige Zunahme der Informationen

Das rasche Voranschreiten in der Wissenschaft führt zu immer schnelleren therapeutischen Fortschritten und damit zu neuen Produkten in den Pharma-Pipelines. Dazu kommen immer mehr Real-World-Daten, die sowohl auf einer Makroebene (die Faktoren, die die Gesundheit der Bevölkerung bestimmen, wie z.B. die ethnische Zugehörigkeit und der sozioökonomische Status) als auch auf einer Mikroebene (z.B. bei der Identifizierung kleiner, seltener Patientenpopulationen) neue Erkenntnisse liefern. Dies stellt die Medical-Affairs-Teams vor die Herausforderung, dass zunehmend mehr und immer komplexere Informationen an die Zielgruppen kommuniziert werden müssen.

Zielgruppenbedürfnisse verstehen

Auch wenn die Kernzielgruppe der Pharmaunternehmen nach wie vor die Health Care Professionals (HCPs) sind, sind die anderen Stakeholder des Gesundheitswesens verstärkt in den Kommunikationsfokus von Medical Affairs gerückt – ein Trend, der noch weiter zunehmen wird. Zu diesen Zielgruppen gehören Regulierungsbehörden, Kostenträger, Pflegekräfte etc. Allen Stakeholdern gemeinsam ist der Wunsch nach ausgewogenen Informationen von den Pharmaunternehmen, ansonsten weisen sie aber durchaus unterschiedliche Bedürfnisse auf. Medical Affairs kommt die Aufgabe zu, jeder Zielgruppe zu vermitteln, dass deren individuelle Erfahrungen und Bedürfnisse verstanden werden und das Unternehmen bemüht ist, genau dafür Lösungen zu finden.

Omnichannel & Global-to-Local

Die Informationsflut, mit der HCPs täglich konfrontiert sind, führt dazu, dass viele Inhalte ausgeblendet werden. Diese zunehmende Selektion macht eine so personalisierte Kommunikation wie möglich erforderlich. Heutzutage erwarten HCPs ein verbessertes Storytelling, knackige Inhalte und kreative Umsetzung. Kommerzielle Botschaften werden zunehmend weniger toleriert. Informationen müssen zudem omnichannel zur Verfügung gestellt werden und die Bedürfnisse der HCPs erfüllen.

Der Fokus von Medical Affairs liegt daher auf der Entwicklung medizinischer Kommunikationsinhalte, die modular, ansprechend, multiformatig und auf die User Journey abgestimmt sind. Wichtige Fragen dabei sind: Was versteht meine Zielgruppe? Was versteht sie nicht? Was ist ihr bevorzugter Weg, um an diese Information zu gelangen?

Eine weitere Herausforderung für Medical Affairs ist die grenzüberschreitende Verbreitung dieser Inhalte, d.h. eine Aufbereitung nach einem „Global-to-Local“-Konzept, bei dem die unterschiedlichen länderspezifischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

Die Auswirkungen der Patient Centricity

Auch Patientenzentriertheit spielt für die Kommunikation zwischen Pharmaunternehmen und HCPs eine wichtige Rolle. In Zukunft wird es noch bedeutsamer werden, dass Pharmaunternehmen die Bedürfnisse der Patient:innen verstehen, um so die HCPs dabei unterstützen zu können, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Während sich die Mitarbeiter:innen der Patient-Engagement-Abteilung mit der Patientenkommunikation befassen, ist es Aufgabe des Medical-Affairs-Teams, den Kontext zu verstehen, in dem Patient:innen mit der Gesundheitsversorgung interagieren.

Medical Affairs als strategische Führung

Alle diese Veränderungen wirken sich auf die Rolle der Medical-Affairs-Abteilungen aus und machen eine strategischere Herangehensweise sowie eine frühere Einbindung der Medical-Affairs-Mitarbeiter:innen in den Lebenszyklus eines Produktes erforderlich. Medical Affairs trägt dazu bei, Wissenschaft in eine aussagekräftige Geschichte zu übersetzen und vor der Markteinführung wichtige Beziehungen zu Meinungsführern aufzubauen.

Diese größere strategische Führungsrolle von Medical Affairs in der Pharmaindustrie kann auch dazu beitragen, das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken und die öffentliche Meinung über die Branche zu verändern.

Das sagen Medical-Expert:innen aus Österreich

Dr.in Katharina Hauer, Country Medical Head, Sanofi Österreich:
„Die Bedeutung der Kommunikation bei Medial Affairs hat sich in den letzten Jahren stark verändert: Die Digitalisierung nimmt stetig zu, die ‚Produktion von Daten‘ schreitet rasant voran und die personalisierte Kommunikation gewinnt an Bedeutung – viele Faktoren, die es in unserer schnelllebigen Zeit zu ,übersetzen‘ gilt. Daher verstehen wir uns bei Medial Affairs als kommunikative Brücke zwischen der Forschung und der realen Welt – sowohl in der Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens als auch mit unseren HCPs. Nach wie vor basieren diese Informationen aber auf wissensbasierten Zahlen. Meiner Meinung nach gewinnen sie sogar in budgetär unsicheren Zeiten an Bedeutung, in denen Effizienz und Nachhaltigkeit verbessert werden müssen, um zielgerichtete und schnellere Entscheidungen treffen zu können.“

David Roula, PhD, Medical Affairs Officer, Kwizda Pharma:
„Die Gesundheitsbranche entwickelt sich im Rahmen der digitalen Transformation rasant weiter und erfordert auch eine stetige Weiterentwicklung von Medical Affairs. Hierfür werden Silos aufgebrochen und die cross-funktionale Zusammenarbeit mit den Bereichen Research & Development, Sales, Regulatory Affairs, Pharmacovigi­lance und Marketing gewinnt immer mehr an Bedeutung. Für Insights rücken auch zunehmend andere Stakeholder als traditionelle Key Opinionleader in den Fokus, darunter Gesundheitskassen, Behörden und niedergelassene Ärzt:innen. Ein neues Asset stellen Digital Opinionleader dar, welche sich von traditionellen Meinungsbildnern unterscheiden und eine große HCP-Community über soziale Medien erreichen. Um sich diesen neuen Strategien ausreichend widmen zu können, wird es künftig erforderlich sein, repetitive, aber nicht minder wichtige Tätigkeiten auszulagern, wofür sich validierte KI-Applikationen eignen. Damit einhergehend wird digitale Fitness immer mehr zur Kernkompetenz von Medical Affairs.“