EGFR-Mutationsanalyse

Welche Rolle spielt der EGF-Rezeptor beim Tumorwachstum?

Der EGFR ist ein Transmembranprotein, dessen Aktivierung durch die Bindung von Liganden an die extrazelluläre Domäne des Rezeptors erfolgt. Das Signal wird über Autophosphorylierung und die Aktivierung einer Kaskade von Signalmolekülen unter der Beteiligung von KRAS und B-raf ins Zellinnere geleitet, was letztendlich das Zellwachstum stimuliert und den programmierte Zelltod verhindert. Der EGFR ist in vielen verschiedenen Tumoren hochreguliert. Das heißt, auf der Zelloberfläche finden sich abnorm viele EGF-Rezeptoren. Da diese Rezeptoren auch eine intrinsische Aktivität besitzen, führt die Überexpression auch ohne Ligandenbindung zu einer verstärkten Proliferation. Aktivierende Mutationen an diesem Rezeptor führen zu einer unkontrollierten Aktivierung des Rezeptors und den nachgeschalteten Signalwegen, beginnend mit der Phosphorylierung der intrazellulären Domäne des Rezeptors. Diesen Prozess der Phosphorylierung kann man mit EGFR-Tyrosinkinaseinhibitoren (EGFR-TKI) unterbinden und somit das Proliferationssignal stoppen. Da Tumoren mit einer solchen Mutation sehr abhängig von diesem Signalweg sind, führt es zu einer Inhibition des Tumorwachstums.
Das EGFR-Gen ist auf dem Chromosom 17 lokalisiert und umfasst 28 Exons, wobei die therapierelevanten Mutationen in den Exons der TK-Domäne (Exon 18–21) lokalisiert sind. Als häufigste Mutationsarten werden Deletionen im Exon 19 und eine Punktmutation im Codon 858 (L858R) im Exon 21 detektiert. Andere Punktmutationen in den Exons 18 und 21 sowie Insertionen im Exon 20 zählen mit einem Anteil von nur 5 % zu den seltenen Mutationen. Die darüber hinaus beschriebenen sekundären Resistenzmutationen, v. a. im Codon 790 von Exon 20 (T790M), werden derzeit selten nachgewiesen. Mit der längeren Behandlung und den steigenden Patientenzahlen werden diese Sekundärmutationen jedoch in Zukunft vermehrt eine Rolle spielen. Die verschiedenen Mutationen, ihre Bedeutung und Häufigkeit sind in Tabelle 1 dargestellt.
Interessanterweise scheint das Auftreten der EGFR-Mutation mit der Expression des thyroidalen Transkriptionsfaktors 1 (TTF-1) im Zusammenhang zu stehen. Aktuelle Ergebnisse des ASCO-Meetings 2011 konnten zeigen, dass eine aktivierende Mutation bei TTF-1-negativen Tumoren unwahrscheinlich ist.

 

 

Wer soll getestet werden?

Gehäuft treten Mutationen bei Nichtrauchern, Frauen und bei Adenokarzinomen auf – wobei die klinische Einschätzung nicht für eine Mutation beweisend ist. Daher ist die Bestimmung entscheidend. Eine automatische Testung wird bei Adenokarzinomen und NSCLC-NOS (Not Otherwise Specified) empfohlen. Für alle übrigen NSCLC, wie z. B. Plattenepithelkarzinome, sollte die Testung nach der klinischen Einschätzung angefordert werden, da hier eine Mutation selten ist (ca. 1 bis 2 %). Patienten mit einem neuroendokrinen Karzinomtyp sollten nicht getestet werden, da bei diesen ein negatives Ergebnis zu erwarten ist.

 

 

EGFR-Mutationstestung

Optimal für die Diagnostik sind endo-, transbronchial oder transthorakal gewonnene Biopsien. Als „ausreichend“ werden 3 bis 5 endo- oder transbronchiale Biopsien oder 3 transthorakale Biopsiezylinder angesehen. Durch Bürstenabstriche oder Feinnadelpunktion (ultraschallgezielt – EBUS, EUS) gewonnene Proben sollten in Zellblocktechnik verarbeitet werden, um eventuell notwendige immunhistochemische Untersuchungen zu gewährleisten und reproduzierbare Markierungen für eine für die DNA-Extraktion ausreichende Zellauswahl zu ermöglichen. Die Tumorgewebsproben sollten unmittelbar nach Entnahme in 4%igem, neutral gepuffertem Formalin fixiert und möglichst rasch einer weiteren Verarbeitung zugeführt werden.
Der Pathologe kann dann am histologischen Schnitt das Tumorareal markieren und mittels Makro- bzw. Mikrodissektion das Normalgewebe eliminieren. Die minimal notwendige Tumorzellzahl ist unklar definiert. Idealerweise sollten in einer Gewebeprobe zumindest 200 bis 400 Tumorzellen vorliegen. In der Routine wird diese Zahl nur selten erreicht. Für die DNA-Sequenzierungstechniken sollten mindestens 10–20 % Tumorzellen im Gewebe vorliegen. Mit anderen Methoden (Realtime-PCR, Pyrosequenzierung) liegt die Mutationsdetektionsrate unter 10 % Tumorzellanteil im Gewebe.
Unterschiedliche Methoden werden zum Nachweis von EGFR-Mutationen verwendet (Tab. 2). Derzeit besteht kein Konsensus, welche Methode am besten geeignet ist. Mit der Sanger-Sequenzierung sind alle Mutationen detektierbar. Mutationsspezifische PCR-Methoden detektieren nur die klinisch relevanten aktivierenden und Resistenzmutationen, sind jedoch sensitiver als die Sequenzierung.
Eine Übersicht über die in österreichischen Instituten für Pathologie eingesetzten Methoden zur Erfassung von EGFR-Mutationen ist in Tabelle 2 dargestellt. In welchen Instituten für Pathologie eine EGFR-Mutationsdiagnostik durchgeführt wird, ist in der Tabelle 3 dargestellt (Stand Juli 2010).

 

 

Häufigkeit der EGFR-Mutationen in Österreich

Im Zeitraum von Jänner bis Oktober 2012 wurden auf der Pathologie des Otto-Wagner-Spitals Tumorgewebeproben von Bronchoskopien, CT- und ultraschallgezielten Punktionen sowie von Operationen bei Adenokarzinomen (AC) und NSCLC NOS (Not Otherwise Specified; ohne Plattenepithelkarzinome und großzellige Karzinome) routinemäßig getestet. Hierfür wurde Tumormaterial von insgesamt 581 Patienten untersucht (550 AC, 31 NOS), die aus dem Wilhelminenspital, dem Landeskrankenhaus Hochegg, Krankenhaus Hietzing und Otto-Wagner-Spital kamen. Zur Testung wurde der TheraScreen EGFR29 Mutation Kit von Qiagen verwendet. Insgesamt lag bei dieser selektionierten Gruppe in 15 % der Fälle eine Mutation vor. Eine aktivierende Mutation fand sich bei 12 % der Patienten, wobei die Deletion im Exon 19 und die Punktmutation im Exon 21 (L858R) in etwa gleich häufig auftraten. Somit ist die Häufigkeit von aktivierenden Mutationen mit anderen kaukasischen Patienten aus Europa vergleichbar.

Literatur:
– Popper H et al., Histologie-basierter Algorithmus der molekularen Diagnostik des epidermalen Wachstumsfaktor-Rezeptorgens (Epidermal Growth Factor Receptor, EGFR) beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (non-small cell lung cancer, NSCLC). Wiener Klinische Wochenschrift 2011; 123:316–321
– Pirker R et al., Consensus for EGFR Mutation testing in NSCLC – Results from a European Workshop. Journal of Thoracic Oncology 2010; 10:1706–1713
– Hochmair MJ et al., EGFR mutation in Austrian patients with NSCLC: a retrospective study. Journal of Thoracic Oncology 2012 April; Supplement P180; 3rd European Lung Cancer Conference 2012