Kleinzelliges Bronchialkarzinom

Chemotherapie bei LD-SCLC und ED-SCLC

Eine Kombinationschemotherapie mit Cis­platin (oder Carboplatin) plus Etoposid ist Standard in der Erstlinientherapie und hat anthrazyklinhältige Schemata weitgehend verdrängt. Ansprechraten auf diese Kombinationen sind mit ca. 80 % bei LD-SCLC (limited disease) und 60 % bei ED-SCLC (extended disease) exzellent. Das Ansprechen ist aber häufig kurz anhaltend und die meisten Patienten erleiden eine Progression. Die Annahme, dass das Risiko für eine Resistenzentwicklung durch eine inadäquate Dosierung der Chemotherapie mitverursacht wird, war Grundlage für Studien mit Hochdosischemotherapie. Die Ergebnisse dieser Studien waren aber enttäuschend und zeigten keinen zusätzlichen Überlebenszeitgewinn.
Ergebnisse einer japanischen Studie mit Irinotecan nährten erstmals wieder die Hoffnung, durch Einsatz neuerer Chemotherapeutika ein besseres Überleben von Patienten mit SCLC erzielen zu können. Studien bei Kaukasiern konnten aber eine Verbesserung im Vergleich zur Platin-Etoposid-Kombination nicht bestätigen, wohl aber unterschiedliche Nebenwirkungsprofile.

Strahlentherapie

Die Standardbehandlung bei Patienten mit LD-SCLC besteht in einer Chemotherapie mit Cisplatin/Etoposid und einer zusätzlichen thorakalen Strahlentherapie. Zwei Metaanalysen haben den Nutzen dieser additiven thorakalen Strahlentherapie zu einer Polychemotherapie mit Nachweis einer Reduktion der Lokalrezidivrate um 25–30 % und einer Verbesserung des 2-Jahres-Überlebens um 5 bis 7 % unterstrichen. Die optimale Verabreichung der Strahlentherapie – Dosis, Timing, Fraktionierung und Volumen – bleibt bis auf weiteres Gegenstand der Forschung. Am erfolgreichsten erscheint derzeit das Konzept der konkomitanten Verabreichung mit Chemotherapie in zweimal täglicher Fraktionierung.

Zerebrale Metastasierung

Wegen des hohen Risikos einer zerebralen Metastasierung (50 %) im weiteren Verlauf der Erkrankung ist seit mehr als zehn Jahren eine prophylaktische Ganzhirnbestrahlung (PCI, prophylactic cranial irradiation) zur Reduktion des Risikos von Hirnmetastasen bei Patienten mit LD-SCLC und Ansprechen auf die Primärbehandlung etabliert. Die diesbezügliche Standarddosierung beträgt 30 Gy und lässt eine Risikoreduktion um 50 % erwarten. Neuropsychologische Nebenwirkungen sind gegebenenfalls bei älteren Patienten oder bei paralleler Applikation mit Chemotherapie relevant.
In den letzten Jahren konnte die Anwendung der PCI auf Patienten mit ED-SCLC (extended disease) und Ansprechen auf die Chemotherapie ausgeweitet werden, nachdem für diese Patientengruppe auch eine ähnliche Risikoreduktion bei vergleichsweise guter Verträglichkeit gezeigt werden konnte.
Aktuelle Therapieempfehlungen inkludieren sowohl die thorakale Strahlentherapie als wichtige Komponente eines multimodalen Therapiekonzepts bei Patienten mit LD-SCLC als auch die PCI bei Patienten mit Ansprechen nach Chemotherapie.

Zweitlinientherapie

In der Zweitlinientherapie kann bei längerer progressionsfreier Zeit die Wiederaufnahme des platinhältigen Erstlinienregimes ein neuerliches Ansprechen zeigen. Bei kurzer Ansprechdauer auf die Vortherapie ist Topotecan, ein weiteres Camptothecinderivat neben Irinotecan, ähnlich aktiv wie das CAV-Regime mit vergleichsweise bescheidenen Ansprechraten um die 20 %. Als gleichwertige Alternative zur intravenösen Applikation – auch was die Verträglichkeit betrifft – kann die komfortablere perorale Appli­kation in dieser Situation verwendet werden.
Mittlerweile ist in Japan auch Amrubicin, ein Anthrazyklin der dritten Generation ohne wesentliche Kardiotoxizität, für die Zweitlinientherapie registriert worden. Amrubicin scheint insbesondere bei der Gruppe der cisplatinrefraktären Patienten Vorteile gegenüber Topotecan aufzuweisen. Ob dieser Umstand dazu führen wird, dass die Substanz auch bei Kaukasiern zugelassen werden wird, bleibt abzuwarten.

Targeted Therapy

Das kleinzellige Bronchialkarzinom verhält sich nicht nur klinisch anders als das nichtkleinzellige Bronchialkarzinom, es unterscheidet sich auch im molekularen Profil. So spielen EGFR-Mutationen bei SCLC vergleichsweise keine Rolle und der Einsatz von Angiogenesehemmern war bisher nicht konsistent erfolgreich – genausowenig wie andere Arten von „targeted therapies“. Die Suche nach Targets und spezifischer Therapie bei SCLC gestaltet sich derzeit als große Herausforderung – nicht zuletzt wegen des Mangels an ausreichend verwertbarem Tumormaterial aufgrund seltener chirurgischer Interventionen.

 

Referenzen:
– Auperin A, Arriagada R, Pignon JP et al., Prophylactic cranial irradiation for patients with small-cell lung cancer in complete remission. Prophylactic Cranial Irradiation Overview Collaborative Group. N Engl J Med 1999 Aug 12; 341(7):476–484.
– Slotman B, Faivre-Finn C, Kramer G et al., Prophylactic cranial irradiation in extensive small-cell lung cancer. N Engl J Med 2007 Aug 16; 357(7):664–672.
– Ettinger DS, Jotte R, Lorigan P et al., Phase II study of amrubicin as second-line therapy in patients with platinum-refractory small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2010 May 20; 28(15):2598–2603.
– Vallières E, Shepherd FA, Crowley J et al., The IASLC Lung Cancer Staging Project: proposals regarding the relevance of TNM in the pathologic staging of small cell lung cancer in the forthcoming (seventh) edition of the TNM classification for lung cancer. J Thorac Oncol 2009 Sep; 4(9):1049–1059.
– Lad T, Piantadosi S, Thomas P et al., A prospective randomized trial to determine the benefit of surgical resection of residual disease following response of small cell lung cancer to combination chemotherapy. Chest 1994 Dec; 106(6 Suppl):320S–323S.
– Kalemkerian GP et al., NCCN Clinical Practice Guidelines in Oncology: Small Cell Lung Cancer; v.1.2011 (updated v.1.2011; cited 07/25/2010); Available from: http://www.nccn.org/professionals/physician_gls/PDF/sclc.pdf.
– Pignon JP, Arriagada R, Ihde DC et al., A meta-analysis of thoracic radiotherapy for small-cell lung cancer. N Engl J Med 1992 Dec 3; 327(23):1618–1624.
– Turrisi AT 3rd, Kim K, Blum R et al., Twice-daily compared with once-daily thoracic radiotherapy in limited small-cell lung cancer treated concurrently with cisplatin and etoposide. N Engl J Med 1999 Jan 28; 340(4):265–271.
– Le Péchoux C, Dunant A, Senan S et al., Standard-dose versus higher-dose prophylactic cranial irradiation (PCI) in patients with limited-stage small-cell lung cancer in complete remission after chemotherapy and thoracic radiotherapy (PCI 99-01, EORTC 22003-08004, RTOG 0212, and IFCT 99-01): a randomised clinical trial. Lancet Oncol 2009 May; 10(5):467–474.
– Noda K, Nishiwaki Y, Kawahara M et al., Irinotecan plus cisplatin compared with etoposide plus cisplatin for extensive small-cell lung cancer. N Engl J Med 2002 Jan 10; 346(2):85–91.
– Lara PN Jr, Natale R, Crowley J et al., Phase III trial of irinotecan/cisplatin compared with etoposide/cisplatin in extensive-stage small-cell lung cancer: clinical and pharmacogenomic results from SWOG S0124. J Clin Oncol 2009 May 20; 27(15):2530–2535.
– Zatloukal P, Cardenal F, Szczesna A et al., A multicenter international randomized phase III study comparing cisplatin in combination with irinotecan or etoposide in previously untreated small-cell lung cancer patients with extensive disease. Ann Oncol 2010 Sep; 21(9):1810–1816.
– von Pawel J, Schiller JH, Shepherd FA et al., Topotecan versus cyclophosphamide, doxorubicin, and vincristine for the treatment of recurrent small-cell lung cancer. J Clin Oncol 1999 Feb; 17(2):658–667.
– Eckardt JR, von Pawel J, Pujol JL et al., Phase III study of oral compared with intravenous topotecan as second-line therapy in small-cell lung cancer. J Clin Oncol 2007 May 20; 25(15):2086–2092.