Management von Hirnmetastasen

In letzter Zeit hat sich ein multimodales Therapiekonzept in der Behandlung von Hirnmetastasen bei Lungenkarzinomen mit Radiochirurgie, Operation, externer Ganzhirnbestrahlung (GHB) und Chemotherapie etabliert, das nicht nur zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität der Patienten, sondern auch zu einer signifikanten Zunahme der Lebenserwartung geführt hat.

Mikrochirurgische Exstirpation

Die Tumorgröße, ein ausgeprägtes perifokales Tumorödem und große zystische Tumoranteile werden derzeit als Hauptindikationen für einen operativen Eingriff gesehen. Diese Faktoren sind aufgrund der erhöhten intrakraniellen Drucksteigerung Kontraindikationen für die Radiochirurgie und Strahlentherapie.
Eine erfolgreiche operative Entfernung einer Hirnmetastase setzt eine solitäre Läsion voraus, die komplett resezierbar erscheint. Eine stabile bzw. gut beherrschbare Tumorerkrankung sowie ein guter Allgemeinzustand sind weitere Voraussetzungen.
Neben den perioperativen Risiken wie Nachblutungen treten lokale Tumorrezidive nach chirurgischer Resektion in bis zu 50 % der Patienten auf. Mit einer adjuvanten Ganzhirnbestrahlung (GHB) kann die Rezidivrate auf 20 % gesenkt werden (Patchell, 1998). Dadurch beträgt die Behandlungsdauer einer chirurgisch entfernten Hirnmetastase etwa drei bis vier Wochen.
Um die lokale Rezidivrate im Resektionsgebiet einer Hirnmetastase postoperativ zu verhindern, kann das Tumorbett nach der Resektion auch radiochirurgisch nachbehandelt werden. Der Vorteil liegt in einer kürzeren Gesamtbehandlungsdauer und in einer Vermeidung der Langzeitfolgen der Ganzhirnbestrahlung (Wegner, 2011).
In Vergleichsstudien zwischen operativer Resektion mit GHB und Radiochirurgie von Hirnmetastasen zeigt sich in der operativen Gruppe ein leicht besseres Gesamtüberleben sowie eine bessere lokale Tumorkontrolle (Bindal, 1996).

Palliative Ganzhirnbestrahlung

Die externe Ganzhirnbestrahlung wird bei multiplen Hirnmetastasen eines Bronchialkarzinoms (NSCLC) weltweit noch immer als Standardtherapie eingesetzt, obwohl die Überlebenszeit mit zwei bis sechs Monaten wenig zufrieden stellend ist, und sich die neurologische Symptomatik der Patienten kaum bessert. Auch die neurotoxischen Nebenwirkungen sind mit Zunahme der Überlebenszeit nicht unbeträchtlich.
Beim kleinzelligen Bronchialkarzinom (SCLC) wird die palliative externe Ganzhirnbestrahlung als Methode der Wahl angesehen, da die zerebrale Metastasierung in 50–60 % der Patienten auftritt und in den meisten Fällen ein rasches Ansprechen der Absiedlungen zu beobachten ist.

Radiochirurgische Therapie

Unter dem Begriff Radiochirurgie versteht man eine Hochdosis-Einzeitbestrahlung, die unter stereotaktischen Bedingungen durchgeführt wird. Durch die hohe Einzeldosis (20–40 Gy) wird die Metastase mit einer Genauigkeit im Millimeterbereich abgetötet. Zusätzlich verhindert ein steiler Dosisabfall am Tumorrand weitestgehend eine Schädigung des angrenzenden Hirngewebes.
Die Radiochirurgie wird in der Therapie von Hirnmetastasen heute immer häufiger eingesetzt und liegt bei den Indikationen, die weltweit im Gamma Knife behandelt wurden, mit 204.000 Patienten (2009) an erster Stelle.
Der radiochirurgische Eingriff zeichnet sich durch eine kurze Behandlungszeit, eine geringe Patientenbelastung sowie eine hohe Effektivität und Sicherheit im Vergleich zur offenen Operation oder Ganzhirnbestrahlung aus.

 

 

Technik und Methode

Derzeit wird die Radiochirurgie der Hirnmetastasen mit dem Gamma Knife, dem LINAC (Linearbeschleuniger) und dem Cyber Knife durchgeführt. Allen liegt das Prinzip der Bündelung von Strahlen zugrunde, wobei im Gamma Knife 201 fix justierte Strahlengänge im Zielgebiet gebündelt werden. Im LINAC und Cyber Knife erzeugt ein mobiler Beschleuniger zahlreiche Stehfelder, die aus unterschiedlichen Richtungen auf den Tumor einwirken.
Metastatische Absiedlungen im Gehirn sind durch ihre scharfe Begrenzung, zumeist runde Form und gute Darstellung in magnetresonanztomografischen Untersuchungen ideale radiochirurgische Zielobjekte. Zur Indikationsstellung ­einer radiochirurgischen Behandlung von Hirnmetastasen wird unbedingt eine aktuelle Magnettomographie des ­Schädels benötigt, um die Größe der Läsion(en) und deren Anzahl und Lokalisation festzustellen. Um die hohe Genauigkeit in der Behandlung zu erreichen, ist eine Fixierung des Schädels erforderlich, die entweder invasiv mit einem stereotaktischen Rahmen oder auch rahmenlos mit der Maskentechnik oder mit einer nichtinvasiven Fixationsvorrichtung durchgeführt wird.
Für die radiochirurgische computergestützte 3-D-Dosisplanung wird die Bildgebung bei Hirnmetastasen standard­mäßig im Magnetresonanztomografen durchgeführt.
Die radiochirurgische Bestrahlung einer Hirnmetastase selbst benötigt lediglich eine einmalige Bestrahlungszeit von etwa 10–15 Minuten. Radiochirurgische Eingriffe an Hirnmetastasen werden weltweit ambulant durchgeführt.
Zur Nachbetreuung werden alle 3 bis 6 Monate MR-Kontrolluntersuchungen des Schädels durchgeführt, wobei sowohl der Behandlungserfolg der bestrahlten Läsion kontrolliert als auch das Gehirn auf neue Absiedlungen hin überprüft werden.
Radiochirurgisch können nicht nur solitäre Hirnmetastasen bis zu einer Größe von 2 cm problemlos behandelt werden, sondern durch Neuerungen im Gerätebau und Verbesserungen in der Software (Gamma Knife PERFEXION) sind auch Patienten mit multiplen Hirnmetastasen (> 20 Läsionen) in einer einzigen Behandlung mit kurzer Dauer und geringer Belastung behandelbar.
Bei größeren Metastasen (> 2,5 cm Durchmesser) kann jedoch nach der radiochirurgischen Behandlung durch die zelluläre Resorption des abgetöteten Tumorgewebes und der erhöhten Strahlenbelastung in der Tumorumgebung ein über Wochen protrahierter Heilungsverlauf mit Einschränkung der Lebensqualität auftreten.

Einsatzmöglichkeiten der Radiochirurgie

1) Radiochirurgie als alleinige Therapie

2) Radiochirurgie in Kombination mit Ganzhirnbestrahlung

3) Radiochirurgie in Kombination mit Operation

4) Radiochirurgie bei Rezidivmetastasen

ad 1) Die Radiochirurgie als alleinige Therapie hat sich bei Patienten mit Hirnmetastasen und Bronchialkarzinomen als Alternative zur operativen Entfernung durchgesetzt, und zwar aufgrund einer geringeren Komplikationsrate, kürzeren Behandlungsdauer und aufgrund der Kostenersparnis bei der Therapie von kleineren solitären und multiplen Meta­stasen.
Die lokale Tumorkontrolle nach Radiochirurgie von Hirnmetastasen bei NSCLC liegt bei 71 % nach einem Jahr, wobei ein Auftreten von neuen distalen Meta­stasen 7 Monate nach dem radiochirurgischen Eingriff zu beobachten war (Motta, 2011). Nicht die Anzahl der Hirnmetastasen hat einen Einfluss auf das Gesamtüberleben der Patienten, sondern das gesamte bestrahlte Tumorvolumen bestimmt die Grenze der radiochirurgischen Therapiemöglichkeit (Bhatnagar, 2006).
Im Vergleich zur Ganzhirnbestrahlung kommt es nach Radiochirurgie zu einer geringeren Beeinträchtigung der Lebensqualität.

ad 2) Die radiochirurgische Behandlung lässt sich problemlos mit der operativen Entfernung einer großen Hirnmetastase kombinieren, indem das Tumorbett nach der Operation radiochirurgisch nachbehandelt wird. Falls weitere kleinere Metastasen vorliegen, können diese in der gleichen Behandlung mitversorgt werden.

ad 3) Auch eine Kombination der Radiochirurgie von Hirnmetastasen mit einer Ganzhirnbestrahlung ist möglich. Damit wird nicht nur die lokale Dosis in der radiochirurgisch behandelten Metastase erhöht, sondern auch gleichzeitig das übrige Hirngewebe abgedeckt. Eine verbesserte lokale und distale Tumorkontrolle ist die Folge und wird daher häufig bei wenig radiosensitiven Primärtumoren erfolgreich eingesetzt.

ad 4) Für die Behandlung von Rezidivmetastasen nach bereits erfolgter Ganzhirnbestrahlung und Operation ist die Radiochirurgie die Methode der Wahl.
Mit einem Dosisplan, der die Vorbelastungen berücksichtigt, kann dem Patienten eine auf Lebensqualität ausgerichtete Therapie angeboten werden. Hier kommt besonders der Vorteil der geringen Belastung und der kurzen Dauer der radiochirurgischen Behandlung voll zur Geltung.
Bei alten Patienten mit einer Karzinomerkrankung sind größere Hirnmetastasen mit einem Durchmesser von mehr als 2,5 cm kaum therapierbar. Sie gehen häufig mit einer erheblichen Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Patienten einher. Die medikamentöse Therapie mit Kortison lindert zwar kurzfristig die neurologische Symptomatik, hemmt aber nicht das Tumorwachstum.
Eine kurze radiochirurgische Behandlung mit einer reduzierten Dosis (Äquivalenzdosis einer Ganzhirnbestrahlung) bewirkt bei diesen Patienten eine rasche Rückbildung des perifokalen Ödems und damit verbunden eine neurologische Verbesserung mit geringerem Pflegeaufwand.

Zusammenfassung: Die Radiochirurgie hat sich als alternative Therapie von kleineren Hirnmetastasen bei Patienten mit Lungenkarzinomen durchgesetzt.
Die chirurgische Entfernung von Hirnmetastasen ist bei großen Absiedelungen mit raumforderndem Tumorödem und zystischen Läsionen indiziert.
Die externe Ganzhirnbestrahlung ist bei Patienten mit einem kleinzelligen Lungenkarzinom und multiplen Hirnmeta­stasen die Therapie der Wahl.
Die Kombination von externer Ganzhirnbestrahlung und Radiochirurgie bei Hirnmetastasen eines Adenokarzinoms des Bronchus (NSCLC) führt zu einem längeren Überleben und einer verbesserten lokalen Tumorkontrolle. Patienten mit Lungenkarzinomen und Hirnmetastasen können mit einer individualisierten Therapie eine höhere Lebensqualität und längere Lebenserwartung erreichen, wobei die komplexen Therapieentscheidungen interdisziplinär erfolgen sollten.