Tumorheterogenität und personalisierte Medizin

Die intratumorale Heterogenität war Ausdruck verschiedener Loss-of-Function-Mutationen in einzelnen Tumorsuppressorgenen (SETD2, PTEN, KDM5C). Darüber hinaus wurden in verschiedenen Tumorregionen Genexpressionsprofile mit guter und schlechter Prognose gefunden, und nicht zuletzt ließen sich in einzelnen Tumorzellklonen unterschiedliche Chromosomensätze nachweisen (Aneuploidie). Last, not least wurde auf Basis der Mutation einer autoinhibitorischen Domäne der mTOR-Kinase ein möglicher Biomarker diskutiert, nachdem die Mutation mit der konstitutiven Aktivierung von Zielkinasen einhergeht, die für die Wirkung von mTOR-Inhibitoren wesentlich sind.

Therapie und integrierte Mutationsanalysen: Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom wurden in der Phase-II-Studie E-PREDICT mit Everolimus behandelt, wobei die Tumorbiopsien (Abb. 1) vor und nach der 6-wöchigen präoperativen Therapie gewonnen wurden, an die eine zytoreduktive chirurgische Intervention angeschlossen war. Im systematisch untersuchten Tumormaterial von Patient 1 mit klarzelligem Nierenzellkarzinom wurden über 100 Mutationen gefunden, die hierarchisch geclustert wurden in a) ubiquitäre, b) mehrfach, aber nicht überall vorkommende und c) auf spezifische Regionen beschränkte („private“) Mutationen (als Ausdruck der klonalen Evolution in bestimmten Tumorregionen). Der Versuch, den Mutationen einen Stammbaum zuzuordnen, zeigte eine nichtlineare, verzweigte Entwicklung mit verschiedenen Mutationen in verschiedenen Zellklonen. Ausgehend von der „Stamm-Mutation“ im Von-Hippel-Lindau-­Gen (VHL-Gen), dem typischen Charakteristikum klarzelliger Nierenkarzinome, entwickelten sich einzelne Zweige zu jenen Klonen, die in Metastasen auffindbar waren, während andere zur Diversität des Pirmärtumors beitrugen. Eine ganz wesentliche Frage war, ob die Therapie mit Everolimus zur intratumoralen Heterogenität beiträgt (z. B. „oncogenic switch“ durch Selektionsdruck), was mit den Daten dieser Studie mehrfach ausgeschlossen wurde, nachdem die wichtigsten Driver-Mutationen schon vor Therapiebeginn vorhanden waren.

 

 

„Stamm-Mutationen“ (Abb. 2): Unter verschiedenen, bei klarzelligen Karzinomen wiederholt auftretenden Driver-Mutationen (VHL, SETD2, KDM5C, PTEN und mTOR) lag das Von-Hippel-Lindau-Gen ubiquitär in allen untersuchten Regionen mutiert vor. Für das Tumorsuppressorgen SETD2 wurden auf Basis des Verlusts eines Allels auf Chromosom 3p drei verschiedene Mutationen in unterschiedlichen Regionen gefunden, die letztlich alle zum Funktionsverlust führten, was als Beispiel einer konvergenten Evolution beschrieben wurde (im Lauf der Tumorentwicklung sind verschiedene genetische Veränderungen aufgetreten, die alle zum gleichen Phänotyp führen).

 

 

Fazit: Die mTOR-Kinase war in nahezu allen Tumorregionen durch eine Missense-Mutation (L2431P) charakterisiert, die zur konstitutiven Aktivierung der Target-Kinasen führt. Die S6-Phosphorylierung wurde in dem Kontext als prädiktiver Marker diskutiert, nachdem ein Ansprechen in jenen Tumorarealen unwahrscheinlich wäre, in denen mTOR in Wildtypform (unmutiert) vorliegt. Interessant war die Beobachtung, dass in verschiedenen Tumorarealen Gensignaturen sowohl mit guter als auch mit schlechter Prognose gefunden wurden, was mit ein Argument dafür ist, dass zur korrekten Einschätzung der Prognose mehrere Tumorbiopsien in verschiedenen Arealen erforderlich sind. Abschließend wurde festgehalten, dass die intratumorale Heterogenität die Validierung onkologischer Biomarker schwierig macht. Mit einer wie in dieser Studie erfolgten Rekonstruktion der Tumorarchitektur unter Charakterisierung häufig vorkommender initialer Driver-Mutationen können robuste Biomarker und „drugable“ Targets für effektive neue Therapien gefunden werden.

 

1 Gerlinger M et al., N Engl J Med 2012; 366 (10):883–892
2 Longo DL, N Engl J Med 2012; 366 (10):956–57
3 Swanton L et al., Genome Med 2010; 2:53

 

PREDICT-Konsortium

Das PREDICT-Konsortium, online abrufbar unter www.predictconsortium.eu, wird durch das siebte Rahmenprogramm zur Forschungsförderung der EU finanziert und ist ein Zusammenschluss europäischer Forschungseinrichtungen mit dem Ziel, prädiktive Marker für Medikamente mit antiangiogenetischer Wirkung zu etablieren, für die solche Biomarker bislang nicht verfügbar sind. Ein Schwerpunkt liegt in der Evaluierung von Sunitinib oder Everolimus in der Indikation des metastasierten Nierenzellkarzinoms. Im Rahmen klinischer Studien werden Tumorproben vor und nach therapeutischer Intervention gesammelt und auf molekularbiologische Besonderheiten analysiert, wobei ein wesentliches Augenmerk der RNA-Interferenz gilt, einem Mechanismus zur Ausschaltung von Genen (z. B. von Tumorsuppressorgenen). Mit den Arbeiten des PREDICT-Konsortiums sollen einerseits Biomarker etabliert werden, mit deren Hilfe sich die Effektivität der Therapie frühzeitig ermessen lässt, andererseits sollen Resistenzmechanismen untersucht und neue Targets gefunden werden, die sich für die nächste Generation an zielgerichteten Medikamenten anbieten können (Swanton et al., Genome Med 2010, 2:53)3. Die hier vorgestellte Arbeit ist das Ergebnis einer Phase-II-Studie bei Patienten mit metastasiertem Nierenzellkarzinom (E-PREDICT) und wurde im März dieses Jahres im „New England Journal of Medicine“ publiziert.1, 2