Geheimnissen der Rhinitis auf der Spur

Das Risiko für Infektionen der oberen Atemwege variiert von Mensch zu Mensch. Ein US-amerikanisches Forscherteam rund um Robert J. Lee hat jetzt eine mögliche Ursache dafür ermittelt: unterschiedliche Variationen des Bittergeschmack-Rezeptors T2R38. Je nachdem, welche Variante davon bei einem Menschen vorliegt, kann dieser beispielsweise den Bitterstoff Phenylthiocarbamid unterschiedlich gut schmecken. Doch zudem hat T2R38, der auch in der Schleimhaut der Atemwege produziert wird, eine weitere Funktion: Er kann Bakterien erkennen und die lokale Immunabwehr in Gang setzen, berichten Forscher der University of Pennsylvania. So kann beispielsweise eine Rhinosinusitis, bei der in etwa 30 % der Fälle eine bakterielle Ursache vorliegt, verhindert werden.

Bittergeschmackstest als Grundlage für Therapieempfehlung?

Für ihre Untersuchung züchteten die Forscher als ersten Schritt eine „künstliche Schleimhaut“ aus Zellteilen von Nasenschleimhaut, die bei Operationen angefallen waren. Nachdem die Zellen zusammengewachsen waren, verhielten sich diese wie echte Schleimhäute, inklusive Schleimproduktion und Schleimtransport mittels Flimmerhärchen. Brachten die Wissenschaftler die Zellkulturen nun in Kontakt mit dem Botenstoff Acyl-Homoserin-Lacton (AHL) – dieser wird von Pseudomonaden und anderen Bakterien bei der Bildung eines Biofilms produziert –, sonderte das Gewebe Schleim und Stickstoffmonoxid ab, zudem habe sich die Aktivität der Flimmerhärchen verdoppelt. Diese Abwehrreaktion fiel unterschiedlich stark aus, je nachdem, welche T2R38-Variante vorlag, bzw. fand sie gar nicht statt, wenn die Produktion des Geschmacksrezeptors blockiert wurde. Als zweiten Schritt untersuchten die Wissenschaftler, ob sich bei Menschen, deren Bittersensoren in den Schleimhäuten nicht oder nur eingeschränkt funktionieren, tatsächlich eine geringe Abwehrreaktion zeigt. Hierzu führten sie eine Analyse der Sensorgene von Personen, die eine normale Mikrobenfauna in Nase und Rachen aufwiesen, im Vergleich zu Personen mit einer starken Besiedlung krankheitserregender Bakterien auf den Atemwegen durch. Das Ergebnis: Alle Patienten mit krankhaft veränderter Mikrobenfauna hatten Bittersensoren, die nicht einwandfrei funktionierten. Die Personen mit normaler Bakterienpopulation verfügten hingegen über funktionsfähige Bitterrezeptoren. Dies wertet das Forscherteam als Beleg für die Bedeutung von T2R38 bei der Abwehrreaktion der Atemwege. Die Wissenschaftler sind der Meinung, dass ihre Entdeckung Anlass für klinische Studien sei, auf deren Grundlage man später einen genau definierten „Bittergeschmackstest“ einführen könnte, um zu ermitteln, wie anfällig jemand für Infektionen der oberen Atemwege sei. Dieser Test könne dann beispielsweise als Indikator für eine aggressive Therapie bei Patienten mit Rhinosinusitis hinzugezogen werden.

Immunabwehr greift falschen Teil der Rhinoviren an

Bezüglich Virenabwehr und einer möglichen „Schnupfenimpfung“ gibt es ebenfalls aktuelle Entwicklungen: Eine von Katarzyna Niespodziana aus dem Team von Rudolf Valenta, Medizinische Universität Wien, publizierte Studie zeigt, dass die menschliche Immunabwehr bei Rhinoviren das Innere der Viren angreift und nicht die Hülle, mittels derer sich die Viren an der Schleimhaut festsetzen. Hierin vermuten die Forscher eine Ursache, warum Menschen gegen Erkältungskrankheiten nicht immun werden, denn wer an Rhinitis erkrankt ist, entwickelt somit Antikörper gegen den falschen Teil des Virus. Auf dieser Grundlage sollen nun Antikörpertests sowie ein wirksamer Impfstoff gegen Rhinovireninfektionen und daraus entstehende Atemwegserkrankungen, wie z. B. Asthma, entwickelt werden. Weitere Forschungen in diese Richtung finden im Rahmen des EU-Projekts „Predicta“ (http://www.predicta.eu/) statt, in das die Wiener Forscher involviert sind. Dabei steht für die Wissenschaftler nicht die Bekämpfung der Rhinitis selbst im Vordergrund, sondern die Hypothese, dass eine wiederholte Infektion das Immunsystem verändert, was dazu führen kann, dass der Körper anfälliger für chronische Entzündungen wird, wodurch z. B. aus einem wiederholten Rhinitispatienten ein Asthmapatient werden kann. Dies soll verhindert werden.

Quellen:

 Lee RJ, Cohen NA; Department of Otorhinolaryngology, University of Pennsylvania, Philadelphia, Pennsylvania, USA, T2R38 taste receptor polymorphisms underlie susceptibility to upper respiratory infection. Journal of Clinical Investigation, doi: 10.1172/JCI64240

 Niespodziana K, Laboratory for Allergy Research, Department of Pathophysiology and Allergy Research, Medical University of Vienna, Misdirected antibody responses against an N-terminal epitope on human rhinovirus VP1 as explanation for recurrent RV infections. FASEB-Journal 2011 Nov 25, doi: 10.1096/fj.11-193557 fj.11-193557