Grippale Infekte natürlich behandeln – Veranstaltungsbericht

Am 18. November findet der 5. Europäische Antibiotikatag statt. Er soll das Bewusstsein für die Bedrohung der öffentlichen Gesundheit durch Antibiotika und deren Resistenzen schärfen. Im Vorfeld fand eine Pressekonferenz statt, bei der deutlich wurde, dass Aufklärung durch ApothekerInnen und ÄrztInnen nottut, denn nicht jede Erkrankung der oberen Atemwege erfordert den Einsatz von Antibiotika. Eine Lösung des Problems sehen die referierenden Experten in der Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln.


Vom Umgang mit Erkältungen

In die Apotheke? Zum Arzt? Ins Bett? Die Mehrzahl der ÖsterreicherInnen kann eine Grippe von einer banalen Erkältung abgrenzen. 67 % behandeln sich bei Erkältungen in erster Linie selbst mit rezeptfreien Arzneimitteln, aber auch mit Hausmitteln, wie Kräutertees und Wadenwickel. 38,2 % fragen zumindest ihren Apotheker dabei um Rat. 35,1 % suchen den Hausarzt auf, bei dem 60 % der Grippepatienten ein rezeptpflichtiges Arzneimittel erhalten, in etwa 80 % der Fälle ein Antibiotikum.1 „95 % der Atemwegsinfekte sind aber viral bedingt, Antibiotika sind hier fast effektlos. Lediglich das Symptom Fieber kann bei Atemwegsinfektionen verbessert werden 2, bei akuter Bronchitis wird die Hustendauer nur um eine halben Tag und die Arbeitsunfähigkeitsdauer um lediglich 0,3 Tage verkürzt 3. Dafür kommt es aber signifikant häufiger zu Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Hautausschlägen und Pilzinfektionen 3“, erklärte Doz. Dr. Andreas Schapo­wal, HNO-Arzt und Facharzt für Allergologie und klinische Immunologie.


Lieber nicht abwarten

Dem Abwarten, bis sich die Symptome bessern („Waitful Watching“), kann Schapowal wenig abgewinnen, vor allem wenn Risikopatienten wie kleine Kinder, ältere Menschen oder Immungeschwächte betroffen sind. Es können akute Komplikationen auftreten, wie Pneumonie oder Otitis media. „Die Zahl der Patienten, die ohne Behandlung weiter husten, liegt bei 60 % nach 19 Tagen 4. Jeder dritte inadäquat therapierte Fall entwickelt sich zu einer chronischen Bronchitis5, eine weitere Folge kann Asthma sein“, erklärt der HNO-Spezialist.
Aber auch die antiviral wirksamen Neuraminidasehemmer werden viel häufiger eingesetzt als sinnvoll und notwendig. Ein Beispiel: 18 % der Kinder6und 4 % der Erwachsenen7 sind gegen Oseltamivir resistent.

Wirksame Phytotherapie

„Den Antibiotika steht der Durchschnittsösterreicher distanziert bis kritisch gegenüber, da sie glauben, dass Ärzte diese zu schnell und zu häufig verordnen. Die wichtigsten Anforderungen an ein rezeptfreies Arzneimittel sind die gute Verträglichkeit (78 %), sofortige bzw. rasche Wirkung (73 %), eine Verkürzung der Krankheitsdauer (49 %), und es soll natürliche, pflanzliche Inhaltsstoffe aufweisen (39 %)“, schilderte Dr. Walter Wintersberger vom SPEC­TRA Marktforschungsges.m.b.H. Phytopharmaka erfüllen diese Voraussetzungen, wie Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kubelka vom Department für Pharmakognosie der Universität Wien berichtete: „Sie zeichnen sich durch gute Wirksamkeit und Verträglichkeit, bei geringen bis fehlenden unerwünschten Wirkungen aus und sind damit in der Therapie von Erkältungen unverzichtbar.“

Antibiotika bei Kindern

Bei Atemwegsinfekten versuchen Eltern ohne Antibiotika auszukommen, da sie die Nebenwirkungen fürchten. „Der Einsatz von Antibiotika in der frühen Kindheit wird mit einer Zunahme des Risikos für Allergien und Atopie im späteren Kindes- und Jugendalter in Verbindung gebracht und verantwortlich gemacht. Dieses Risikopotenzial ist laut aktuellen prospektiven Studien gering (statistisch ein Trend) erhöht. Der Verdacht, dass Schutzimpfungen das Allergierisiko steigern, hat sich mittlerweile als unbegründet erwiesen“, so die Allergologin und Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Prim. Dr. Waltraud Emminger. Belegt sei allerdings, dass sie die Darmflora über lange Zeit – Experten sprechen von mehreren Monaten – maßgeblich verändern, mit noch unabsehbaren Konsequenzen. Eine gezielte (!) antibiotische Behandlung soll daher in jedem Fall ernsthaften bakteriellen Erkrankungen vorbehalten bleiben und kann dort auch Leben retten.

 

v. l. n. r.: Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Kubelka, Prim. Dr. Waltraud Emminger, Doz. Dr. Andreas Schapowal, Dr. Walter Wintersberger)
Quelle: „Antibiotikaresistenzen nehmen zu – grippale Infekte natürlich behandeln“, Pressekonferenz vom 23. 10. 2012, Wien

Literatur: 

1 SPECTRA Marktforschung, M-12017, n = 1.000

2 Little et al., BMJ 1997

3 Fahey T et al., Cochrane Database 2004; Heft 2007: Issue 2: CD000245

4 Holmes WF, BJGP 2001

5 Jonson JS, BMJ 1998

6 Moscona A, NEJM 2005

7 Gubareva IV, J Infect Dis 2001

Hohes Resistenzrisiko bei Kindern

Die Canberry-Studie*

  • 461 Kinder im Alter von 2–4 Jahren
  • Beobachtungszeit: 25 Monate

Ergebnisse:

  • 76,9 % mit Antibiotika behandelt
  • Antibiotikaeinnahme 17,6 Tage/Kind/Jahr
  • Zahl der resistenten Pneumokokken doppelt so hoch in der Antibiotikagruppe
  • Jeder zusätzliche Behandlungstag erhöht die Wahrscheinlichkeit der Resistenz um 4 %

1 % der Kinder hatten Pneumokokken, die auf ALLE in Frage kommenden Antibiotika resistent sind

*Canberry study, BMJ 2002; nach Vorlagen von Doz. Dr. Andreas Schapowal