Forschung, Innovation & Technologie: „Innovativ ist nur, was auch erfolgreich ist.“

„Der Standort Wien ist das Zugpferd für Innovationen innerhalb unserer Firmengruppe und einer der Wachstumsmotoren. In Wien werden im Bereich der medizintechnischen Forschung und Entwicklung Spitzenleistungen erbracht“, sagt Dr. Hans Dietl, Geschäftsführer Otto Bock Healthcare Products GmbH. Über ein Drittel der 550 hochqualifizierten Mitarbeiter arbeitet in diesem Bereich. 2012 hat Ottobock bei einem Gesamtumsatz von 95 Millionen Euro mehr als 25 Millionen für Forschung und Entwicklung aufgewendet.
Innovationsarbeit – oder FTI-Arbeit für Forschung, Technologie und Innovation – ist einer der bestimmenden Faktoren zur Verbesserung der Wettbewerbs­fähigkeit, Produktivität und des Wachstumspotenzials. Sie geht über die ­klassischen F&E-Aufgaben eines Unternehmens also weit hinaus, umfasst den gesamten Innovationsprozess von der Ideenfindung über F&E, Fertigungsaufbau bis hin zur Markteinführung. „Ein wichtiger Teil der Innovationsarbeit ist auch das Sammeln und Auswerten von Informationen über bestehenden Mitbewerb, möglichen zukünftigen Mitbewerb und etwaige Produkte oder Entwicklungen, die für unsere Zielgruppe interessant sind, um Trends frühzeitig zu erkennen“, ergänzt Manuel Müller, B.Sc. M.A., Leiter der Abteilung Produkt und Innovation der Neuroth AG.

Vielfältige Vernetzungen

Medizinprodukte-Unternehmen setzen in ihrer Innovationsarbeit sehr stark auf Kooperation und Vernetzung. Am häufigsten arbeiten sie dabei mit ihren Kunden zusammen. Immerhin 75 Prozent der Unternehmen haben in den vergangenen drei Wirtschaftsjahren gemeinsame Projekte durchgeführt. Aber auch mit Zulieferern, Fachhochschulen und Universitäten wird kräftig kooperiert.
Ottobock etwa verdankt seinen Erfolg „nicht zuletzt auch der guten Vernetzung und den interdisziplinären Kooperationen mit der ausgeprägten Forschungslandschaft in Wien, zum Beispiel dem Christian Doppler Labor an der MedUni Wien“, schätzt Dietl die breiten Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der Bundeshauptstadt: „Von der Wiener Niederlassung werden verschiedene nationale und internationale Kooperationen auf dem Gebiet Forschung und Entwicklung eingegangen. Derzeit laufen acht F&E-Projekte mit Kliniken und Universitäten.“
Der Kooperationsanteil könnte zukünftig aber noch durchaus höher sein, geht es nach den Wünschen der Produzenten: „Open Innovation ist wesentlich, da man im Verbund den Kunden meist besser verstehen und anschließend auch bedienen kann“, sagt Müller, schränkt aber ein: „Schade nur, dass viele Unternehmen noch nicht dazu bereit sind und ihr Wissen nicht teilen möchten.“

Kundennutzen

Gegenseitiges Verständnis sei umso wichtiger, argumentiert Müller, weil es Voraussetzung dafür ist, um der größten Gefahr jeder Innovationsarbeit entgegenzuwirken: den Kundennutzen aus den Augen zu verlieren und etwas zu entwickeln, was der Kunde gar nicht benötigt: „Etwas Neues ist erst dann eine Innovation, wenn es wirtschaftlich erfolgreich ist. Sonst ist es nur etwas Neues“, so lautet das Credo von Neuroth.
Die zur Verfügung stehende öffentliche Innovationsförderung in Österreich bezeichnen die Industrievertreter als umfassend, können sich aber durchaus noch Verbesserungen vorstellen. So wünscht sich etwa Müller eine Reduktion des „Formalismus, der mit einem Antrag verbunden ist. Meines Erachtens sind auch die Kriterien nicht immer ganz klar, nach denen eine Förderung vergeben wird“. Nach Meinung von Dr. Hans Dietl von Ottobock sollten Start-up-Unternehmen stärker unterstützt werden: „Unserer Meinung nach sollte Risiko belohnt werden. Statt auf Aktienkurse zu setzen, sollte besser auf Unternehmen, die riskieren, um innovative Produkte zu entwickeln, gesetzt werden. Förderungen für mehr solche Nachwuchsunternehmen sind notwendig, damit Projekte nicht ‚verhungern‘. Eine Förderung für den Start reicht da nicht aus.“

Wachstum trotz Barrieren

Überhaupt rückt im Fokus der Finanz- und Wirtschaftskrise das hohe wirtschaftliche Risiko von FTI-Vorhaben für die überwiegende Mehrheit (fast drei Viertel) der in der AUSTROMED-Studie befragten Unternehmen als größte Barriere in den Mittelpunkt. Als weitere wesentliche Gründe, die FTI-Aktivitäten verhindern, wurden genannt: das Refundierungssystem der Krankenkassen bzw. des Hauptverbandes, die Anpassung des LFK-Systems sowie der Mangel an F&E-Eigenmitteln.
Die Studienautoren orten insgesamt eine gegenüber der Vorgängeruntersuchung aus dem Jahr 2007 leicht pessimistischere Einschätzung der Unternehmen, was die weitere Entwicklung von FTI-Aufträgen an Dritte, Patentanmeldungen sowie FTI-Fördergelder betrifft. Trotzdem geht noch immer eine Mehrheit von 53 Prozent von einem weiteren Wachstum der FTI-Aktivitäten und Investitionen aus, nur ein Viertel glaubt an einen Rückgang der Innovationsausgaben in den nächsten drei Jahren.