Kommunikation und Mitarbeitersicherheit

Dr. Brigitte Ettl, Ärztliche Direktorin am KH Hietzing und Präsidentin der Plattform Patientensicherheit, und Dr. Maria Kletečka-Pulker, Geschäftsführerin der Plattform Patientensicherheit, im Gespräch zu relevanten Aspekten des breiten Themenspektrums der Patientensicherheit, die viel mehr Beachtung verdienen.

Was sind die Themen, mit denen sich die Plattform Patientensicherheit aktuell beschäftigt?

Ettl: Neben der Digitalisierung sind nach wie vor die Themen Kommunikation zwischen Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie Mitarbeitersicherheit ein Schwerpunkt unserer Arbeit. Experten aus allen Bereichen des Gesundheitswesens arbeiten laufend in Arbeitsgruppen an möglichen Strategien zur Verbesserung der Situation und erstellen Empfehlungen.

Warum ist Kommunikation wichtig im Patientensicherheitsdiskurs?

Kletečka-Pulker: Die Kommunikation ist ein zentrales Element des Behandlungssettings. Mängel in der Kommunikation, wie zum Beispiel Sprachbarrieren, sind Fehlerquellen und stellen ein Haftungsrisiko dar. So stellt die Behandlung und Betreuung von Menschen mit Migrationshintergrund die Gesundheitsberufe regelmäßig vor besondere Herausforderungen. Wie soll zum Beispiel die korrekte und sichere Anwendung eines Medizinproduktes vermittelt werden, wenn der gemeinsame Wortschatz dafür nicht ausreicht? Risikoquellen, wie zum Beispiel der unreflektierte Einsatz von Laien und Kindern als Dolmetscher, sollen künftig vermieden werden. Nicht zuletzt hat der Träger einer Krankenanstalt im Sinne der Mitarbeiter- als auch der Patientensicherheit, Vorsorge für eine barrierefreie Kommunikation zu treffen und ein rechtlich sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen.

Wie steht es um die machbare und finanzierbare Umsetzung?

Kletečka-Pulker: Selbstverständlich ist die qualifizierte Dolmetschleistung vor Ort die beste Möglichkeit, um eine gute Kommunikation zu ermöglichen. Allerdings ist es natürlich nicht möglich, für jede benötigte Sprache einen professionellen Dolmetscher zu jeder Zeit zur Verfügung zu stellen. Durch die Digitalisierung konnte jedoch ein neues, sicheres Dolmetschangebot geschaffen werden in Form von Videodolmetschen. Über gesicherte Datenleitungen stehen hunderte Dolmetscher in vielen Sprachen rund um die Uhr zur Verfügung und es muss nicht mehr auf rechtlich unsichere Varianten, wie Laiendolmetschungen durch mehrsprachige Mitarbeiter oder Angehörige zurückgegriffen werden.

Was sind neben der offensichtlichen Kostenersparnis die Vorteile des Videodolmetschens?

Kletečka-Pulker: Mittels Videodolmetschen ist Kommunikation sowohl auf der verbalen als auch der nonverbalen Ebene möglich.
Dies trägt zum Vertrauensaufbau bei und erleichtert den Beteiligten die ungestörte und flüssige Durchführung des Gesprächs.
Ein großer Vorteil beim Einsatz des Videodolmetschens ist, dass die Leistung ohne Wartezeiten und Wegzeiten sofort abrufbar ist. Es können professionelle Dolmetscher europaweit gesichert zugeschalten werden. Gerade hier zeigt sich, dass durch die Digitalisierung Leistungen effizienter und kostengünstiger angeboten werden können – zum Nutzen der Patienten, aber auch Angehörigen der Gesundheitsberufe.
Aus diesem Projekt konnten wir zahlreiche wichtige Informationen für den Einsatz von telemedizinischen Leistungen gewinnen. Entscheidend ist nicht nur die Positionierung vor der Kamera, sondern auch die Supervision der Dolmetscher, die oft zuvor nicht wissen, in welches Setting sie zugeschaltet werden. Wie auch die Videodolmetscher können künftig Angehörige der Gesundheitsberufe bestimmte Leistungen über Telekonferenzen anbieten und zwar orts- und zeitunabhängig. Dies ermöglicht flexiblere Arbeitszeiten und Synergien können genutzt werden.

Ettl: Eine gelingende und vor allem qualitätsgesicherte Kommunikation ist ein zentrales Element in der Gesundheitsversorgung. Gelingt Kommunikation nicht, erhöht dies massiv den Grad der Unzufriedenheit, sowohl aufseiten der Angehörigen der Gesundheitsberufe als auch aufseiten der Patienten. Es gibt zunehmend digitale Anwendungen, die helfen, die Kommunikation zu verbessern und so auch die Sicherheit und Zufriedenheit der Patienten zu erhöhen.

Gewaltschutz als Teil der Mitarbeitersicherheit ist aktueller denn je. Was wirkt?

Ettl: Aggressionen bis hin zu gewaltsamen Übergriffen kommen im Berufsalltag von Mitarbeitern in allen Berufsgruppen des Gesundheitswesens vor. Aggressives Verhalten darf nicht als Berufsrisiko im Gesundheitswesen toleriert werden. Alle Gesundheitseinrichtungen sollten sich ernsthaft und verbindlich dem Thema Gewaltprävention widmen. Gewaltprävention umfasst viele Maßnahmen, wie Deeskalationsprogramme, die Risikoeinschätzung, etwaige Notrufsysteme, unter Umständen Videoüberwachung in Notfallabteilungen, Sicherheitsdienste, Meldesysteme, die Schaffung einer geeigneten Atmosphäre im Warteraum, Einführung standardisierter Dokumentation sowie die Aufarbeitung von Vorfällen.
Entscheidend ist vor allem ein regelmäßiges Sicherheitsverhaltenstraining der Mitarbeiter, in dem entsprechende Deeskalationsmethoden, aber auch Selbstverteidigungstools geschult werden. Wichtig für jede Institution ist, dass Mitarbeiter entsprechend sensibilisiert werden. Dafür hat die Plattform Patientensicherheit in einem übersichtlichen Infoblatt einen Überblick über die wichtigsten Handlungsanleitungen erstellt, das auf der Website der Plattform Patientensicherheit www.plattformpatientensicherheit.at zur Verfügung steht.
Es gibt nun auch ein neues Projekt im KH Hietzing „Kollegiale Hilfe (KoHI) – Psychische erste Hilfe durch KollegInnen im KHR“. Hier leisten Kollegen psychische Erste Hilfe bei der emotionalen Bewältigung kritischer Ereignisse am Arbeitsplatz. Die Gespräche gelten als Dienstzeit und sind streng vertraulich.

Ein neues Angebot für Institutionen im Gesundheitswesen ist die SafetyLine der Plattform Patientensicherheit. Was steckt dahinter?

Kletečka-Pulker: Bei manchen Vorfällen, hat sich im Nachhinein gezeigt, dass Mitarbeiter von Missständen oder Gefahrenquellen im Gesundheits- und Pflegebereich wussten oder eine Vermutung hatten, bevor diese öffentlich bekannt wurden. Allerdings hatten sie sich aus Angst vor Konsequenzen durch Vorgesetzte oder Kollegen nicht getraut, dies zu melden. Mit der SafetyLine wurde eine niederschwellige Anlaufstelle implementiert, bei der die meldenden Personen anonym bleiben können. Die SafetyLine ist eine unabhängige und weisungsfreie Ombudsstelle für Mitarbeiter im Gesundheits- und Pflegebereich, insbesondere für jene, die die Meldesysteme der Dienstgeber nicht nutzen wollen oder können. Alle Mitarbeiter der SafetyLine unterliegen einer strengen Verschwiegenheitspflicht und haben die gesetzliche Möglichkeit, bei einem etwaigen gerichtlichen Verfahren, ihre Aussage zu verweigern.
An der SafetyLine können sich alle Institutionen im Gesundheitswesen beteiligen, um ihren Mitarbeitern eine gesicherte Beratungs- und Interventionsmöglichkeit zu bieten. Je nach Art und Inhalt der Meldung werden die Mitarbeiter der SafetyLine aktiv, bieten konkrete Hilfe an und/oder leiten bestimmte – natürlich anonyme – Informationen an das Qualitätsmanagement der Institution weiter.