Ist das Gras woanders grüner?

Die Online-Marketing-Agentur eMAGNETIX und das IT-Unternehmen Nagarro bemühen sich schon lange um eine moderne und zukunftsorientierte Arbeitswelt. Zwei Erfahrungsberichte.

Vertrauen ab dem ersten Tag

Klaus Hochreiter, eMAGNETIX; © Alexander Kaiser

eMAGNETIX hat bereits am 1. Oktober 2018 die 30-Stunden-Woche bei vollem Gehalt eingeführt. Zunächst waren die 30 Stunden auf 5 Tage aufgeteilt, später wurde auf eine flexible 4-Tage-Woche umgestellt. Klaus Hochreiter, Geschäftsführer bei eMAGNETIX, erläutert die Motivation hinter diesem Schritt: „Wir haben bei Bewerbungsgesprächen festgestellt, dass gerade für die Jungen Gehalt zwar wichtig ist, Zeit für sie aber die wichtigere Währung ist, denn sie wollen neben dem Job ausreichend Freizeit für Hobbys, ehrenamtliche Tätigkeiten, Familie und Kinder etc. haben. Dadurch wurde uns klar, dass wir ein attraktiveres Arbeitszeitmodell anbieten müssen, um mehr Bewerber:innen – und dabei möglichst die Besten der Besten – anzulocken und diese auch im Unternehmen zu halten.“

Zu dieser verkürzten Arbeitszeit kommt eine Unternehmenskultur, die auf Empathie, Wertschätzung und Vertrauen statt auf Druck und Kontrolle setzt. „Wir vertrauen unseren Mitarbeiter:innen ab dem ersten Tag, den sie bei uns arbeiten. Das heißt, wir gewähren den größtmöglichen Freiraum und geben nur gewisse ,Leitplanken‘ vor, zwischen denen sich unsere ,eMAGNETEN‘, wie wir unsere Mitarbeitenden nennen, bewegen können. Das schätzt vor allem die junge Generation. Unsere Mitarbeiter:innen haben zudem ein Mitspracherecht und können vor Veränderungen in anonymen Befragungen ihre Meinung abgeben“, so Hochreiter.

Sowohl 2019 als auch 2022 ließ das Unternehmen sein Projekt „#30sindgenug“ wissenschaftlich evaluieren. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Produktivität im Vergleich zu der Zeit vor der Umstellung nicht gesunken, sondern sogar um bis zu 34% gestiegen ist. Wir sind davon überzeugt, dass unsere Unternehmenskultur und auch die Arbeitszeitverkürzung dabei eine große Rolle spielen. Seit der Umstellung ist die Stimmung im Team viel besser. Unsere Mitarbeiter:innen sind hoch motiviert und fühlen sich wohl. Zudem haben sie das Gefühl, sich einbringen zu können und in einem Unternehmen tätig zu sein, das eine Pionierrolle einnimmt“, berichtet Hochreiter. Das Ergebnis dieser Unternehmenskultur: mehr Bewerbungen und eine sehr geringe Fluktuation!

Work from anywhere & keine Jobtitel

Vera Reichlin-Meldegg, Nagarro; © Christian Dusek

Auch bei Nagarro setzt man auf ein vertrauensbasiertes und freies miteinander Arbeiten. „Wir waren als IT-Unternehmen schon vor der Pandemiezeit sehr digital aufgestellt und daher waren unsere Mitarbeiter:innen auf die intensive Homeoffice-Zeit gut vorbereitet und auch entsprechend technisch ausgerüstet. Jetzt muss bei uns natürlich niemand ins Büro zurückkommen, sondern wir arbeiten nach einer ,Work from anywhere‘-Policy“, erklärt Vera Reichlin-Meldegg, die als Service Region Custodian dafür zuständig ist, dass die Unternehmenskultur weltweit gelebt wird: „Bei uns kann man im Büro arbeiten oder im Kaffeehaus, bei den Eltern in Niederösterreich oder bei Freunden in Spanien – der Arbeitsort ist irrelevant, so lange die Arbeit gemacht werden kann und eine gute Kommunikation mit dem Team gepflegt wird.“

Dass diese Unternehmenskultur funktioniere, liege an dem hohen Maß an Vertrauen. „Wir lassen die Zügel locker und fördern neue und andere Ideen – das wird von den Mitarbeiter:innen sehr geschätzt und sie übernehmen daher gerne selbst Verantwortung“, betont Reichlin-Meldegg. Dass das so gut klappt, ist auch der Tatsache geschuldet, dass man Jobtitel und Hierarchien abgeschafft hat. Stattdessen pflegt man einen sehr respektvollen Umgang auf Augenhöhe mit einer offenen Kommunikationskultur, in der jede:r jederzeit Feedback geben kann.

Natürlich müsse die Arbeit erledigt werden, so die IT-Expertin, aber der wichtigste Wert im Unternehmen, sozusagen das Dach der Unternehmenskultur, ist „CARING“ – einerseits in der wörtlichen Bedeutung, andererseits als Akronym für 6 wichtige Unternehmenswerte. Reichlin-Meldegg: „Das ,G‘ zum Beispiel steht für ,Global‘ – ein wichtiger Wert für unsere globale Zusammenarbeit und für das richtige Mindset im Rahmen unserer ,Work from anywhere/anytime‘-Policy. Die zuvor erwähnte Verantwortung spiegelt sich in unserem ,R‘ für ,Responsible‘ wider oder auch im ,N‘ für ,Non Hierarchical‘ – der seit Jahren bei uns beliebteste Wert. Je digitaler die Welt wird, desto mehr Menschlichkeit braucht es – unser CARING-Wertekompass gibt uns hierbei die richtige Orientierung.“