SECRAB-Studie: Chemo- und Radiotherapie bei Mammakarzinom

In der SECRAB-Studie wurden die Möglichkeiten der synchronen Radio- und Chemotherapie ausgelotet.

Sequenziell versus konkomitant: „Bei Mammakarzinom lässt sich durch die Prävention von vier Lokalrezidiven ein Todesfall vermeiden“, betonte Prof. Dr. Indrajit Fernando, University of Birmingham, UK. Die Fragestellung, ob die lokale Kontrolle durch eine synchrone Chemo- Radiotherapie verbessert werden kann, wurde in der SECRAB-Studie evaluiert. Während im Kontrollarm das klassische Schema aus Chemotherapie gefolgt von der Bestrahlung zur Anwendung kam, wurden die Patientinnen im experimentellen Kollektiv synchron behandelt, d. h. entweder mit einer kurzen Radiotherapie über drei Wochen zwischen den Chemotherapiezyklen oder mit einem konkomitanten Schema. Teilnehmerinnen waren Frauen mit frühem Mammakarzinom nach makroskopisch kompletter Tumorresektion; es handelte sich um Hochrisikopatientinnen mit ungünstigen Charakteristika. Die Nachbeobachtung erfolgte über zehn Jahre.

Gute Verträglichkeitsdaten: Für die Rate an Lokalrezidiven nach fünf Jahren (primärer Endpunkt) wurde eine Risikoreduktion unter der synchronen Therapie um 35 % dokumentiert (2,8 % vs. 5,1 %; p = 0,03). „Nach einem Follow-up von 8,8 Jahren fand sich mit 3,6 vs. 5,5 % ein eindeutiger Vorteil in Bezug auf die Inzidenz von Lokalrezidiven“, führte Fernando aus. Hinsichtlich regionaler Rezidive wurde allerdings ein Nachteil sichtbar (3,2 % vs. 2,7 %). „Eine nachträgliche Evaluierung zeigte, dass die meisten Rezidive außerhalb des Bestrahlungsfeldes auftraten.“ In-field- Raten lokoregionaler Rezidive fielen dagegen zugunsten der experimentellen Therapie aus (2,9 % vs. 5,3 % nach fünf Jahren; p = 0,028).
In jeder Subgruppe (Art der Operation, Chemotherapie und Strahlentherapie; pathologische Parameter) konnte ein Trend zugunsten des synchronen Arms festgestellt werden. Für das krankheitsfreie und das Gesamtüberleben wurde kein Unterschied manifest, was auch für die Fernmetastasierung und die Entstehung neuer Primärtumoren galt. Der synchrone Arm zeigte eine mäßige Zunahme akuter Hauttoxizitäten (24 % vs. 15 %; p < 0,001) und einen grenzwertig signifikanten Unterschied bezüglich mäßiger/schwerer Teleangiektasien. Späte Effekte und globale Lebensqualität waren unter beiden Regimes vergleichbar.
„Bei sorgfältiger Patientenselektion kann die Therapie sicher und mit beherrschbarem Toxizitätsprofil appliziert werden“, resümierte Fernando. „Die daraus resultierende Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit wird von den Patientinnen sehr goutiert.“

 

Synchronous Chemo-radiation Can Reduce Local Recurrence in Early Stage Breast Cancer: Results of the SECRAB Trial (ISRCTN: 84214355), I. Fernando on Behalf of the SECRAB Steering Committee

 

KOMMENTAR

Die brusterhaltende Therapie des Mammakarzinoms wurde allein durch die obligat nach OP zu erfolgende Radiotherapie ermöglicht. Diese ist auch heute noch unabdingbarer Bestandteil jeglicher brusterhaltender Therapie. Mit der Zunahme des Einsatzes der systemischen Therapien und der (für uns Radioonkologen nicht wirklich nachvollziehbaren) veränderten Argumentation, das Mammakarzinom sei per se eine systemische Erkrankung, wurde der Einsatz der Radiotherapie zeitlich ständig nach hinten verschoben. Dazu werden folgende Argumente angeführt: „Eine Verzögerung (der Gabe der Chemotherapie) über 12 Wochen hinaus sollte vermieden werden, um keinen Wirkungsverlust in Kauf zu nehmen. Die Einhaltung der geplanten Dosis ist ebenfalls wichtig, um die volle Wirksamkeit zu erhalten. Um dieses Zeitfenster einzuhalten, Dosiskompromissen vorzubeugen und Dosisdichte und Dosisintensität konstant zu halten, sollte die Strahlentherapie erst nach vollständig abgeschlossener Chemotherapie begonnen werden.“
Wie des Öfteren, wenn auf die evidenzbasierte Medizin Bezug genommen wird, wurde hier nicht aus der Güte der wissenschaftliche Grundlage, sondern allein aus der Häufigkeit der Durchführung einer bestimmten Methode und der dadurch zugrunde liegenden Menge der zugänglichen Literatur der Standard der Vorgehensweise bestimmt und damit die Radiotherapie „standardmäßig“ hintangestellt. Dies wurde dann ebenso auf die heutzutage sehr viel seltenere Indikation zur Nachbestrahlung bei Mastektomie übertragen. Das strahlenbiologisch einleuchtende Argument, dass auch eine Verzögerung der Radiotherapie mit einem Wirkungsverlust derselben einhergeht, wurde gerne hintangehalten. Nur in wenigen Brustzentren wurde eine risikoadaptierte Vorgehensweise gepflegt, die bei erhöhtem Risiko für ein Lokalrezidiv (z. B. knappe Resektionsränder) die Radiotherapie voranstellte, bei hohem Risiko für eine systemische Ausbreitung (Anzahl befallener Lymphknoten) die Chemotherapie.
Letztlich basierten all diese Vorgangsweisen auf Untersuchungen, die die Chemotherapie vor Strahlentherapie oder vice versa gaben, oder eine so genannte Split-Course-Technik benutzten, bei der die Radiotherapie in einem chemotherapiefreien Intervall nach drei Zyklen verabreicht wurde. Daten zur simultanen Gabe von Radio- und Chemotherapie sind rar und zeigten bis auf veränderte Toxizität bis jetzt keine statistisch signifikanten Unterschiede zum sequenziellen Vorgehen. Dies erinnert ein wenig an die Situation beim Rektumkarzinom vor der Veröffentlichung der so genannten „Krook“-Studie, in der ebenfalls Radiotherapie und Chemotherapie um den Stellenwert im adjuvanten Einsatz buhlten, bis ein eindeutiger Vorteil auch für das Überleben im gleichzeitigen Einsatz beider Verfahren nachgewiesen wurde.

Pluspunkte: In dieser Situation ist die Publikation einer weiteren, durch große Patientenzahlen charakterisierten Studie zum Vergleich einer klassisch sequenziellen Therapie mit einer konkomitanten Therapie hilfreich. Diese Studie zeigt einen eindeutigen Vorteil der simultanen Therapie hinsichtlich des Auftretens von „In Field“-Lokalrezidiven (2,8 vs. 5,1 % nach einem medianen Follow-up von 8,8 Jahren), bei allerdings leicht erhöhten Toxizitätsraten. Die „over all“-lokoregionalen Rezidivraten unterschieden sich allerdings nicht mehr statistisch signifikant, dies erweitert die Diskussion über eine vermehrte Indikationsstellung zur Ausweitung der Strahlenfelder und spricht gegen die ebenfalls in Diskussion befindliche alleinige, aufs Tumorbett beschränkte, intraoperative Radiotherapie.

Kritikpunkte: Es gibt leider auch Schwächen der Studie, diese betreffen sowohl die ausgewählte Chemotherapie, die heute in Österreich kaum mehr zur Anwendung kommt, als auch die Inhomogenität der chirurgischen wie strahlentherapeutischen Vorgehensweisen. Die heute hierzulande am häufigsten verordnete Chemotherapie ist taxanhältig. Taxane sind potente Radiosensitizer, sowohl für Tumor- als auch Normalgewebe; es ist also sehr fraglich, ob die Ergebnisse dieser Studie auf die heutigen und hiesigen Verhältnisse angewendet werden können. Gerade auch in Verbindung mit höheren (bei uns nicht üblichen) Einzeldosen, wie bei der teilweise verwendeten Fraktionierung zwischen den Chemotherapiezyklen, ist mit einer erhöhten Wechselwirkung des Gewebes, möglicherweise sowohl in Hinblick auf die Langzeitergebnisse der Tumorbehandlung als auch der Spättoxizitäten, zu rechnen.

FAZIT: Eine direkte Auswirkung auf die heute gängige Praxis ist deshalb aus diesen Daten nicht abzuleiten. Allerdings sollte man diese Studie zum Anlass nehmen, in den Tumorboards wieder mehr die individuellen Risiken der Erkrankung als Grundlage der Therapieentscheidungen und der Sequenz der zur Wahl stehenden Optionen heranzuziehen und deren Risiken und Nutzen in der Diskussion zwischen den chirurgischen Disziplinen, den internistischen Onkologen und den Radioonkologen sehr sorgfältig gegeneinander abzuwägen.