Urologie I

Vor etwa zehn Jahren wurde mit Docetaxel ein neues Zytostatikum entwickelt, das beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom erstmalig eine Lebensverlängerung erwirken konnte. Dann ging es Schlag auf Schlag, und eine ganze Reihe neuer Medikamente wurde entwickelt. Dazu gehören derzeit Abirateron (Zytiga®) und Cabazitaxel (Jevtana®), die schon zugelassen sind. Fast ein halbes Dutzend weiterer Substanzen hat teilweise schon die FDA-Zulassung oder steht kurz davor. Hier gibt es also bald eine ganze Reihe von neuen Medikamenten, um ein Krankheitsstadium zu behandeln, das früher de facto unbeeinflussbar war und nur symptomatisch behandelt wurde.

Zukünftig wird diese Entwicklung weitergehen. Das wird eine gewisse Herausforderung bedeuten, denn je mehr Substanzen zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es, eine Sequenzierung und mögliche sinnvolle Kombinationen herauszufinden.

Beim Prostatakarzinom beginnt generell ein Umdenken. Definitiv neu ist, dass man nicht mehr zwingend dem Reflex „hier Diagnose – da Behandlung, Operation, Bestrahlung usw.“ nachgeht. Heute wird sehr wohl versucht, zu differenzieren, weil wir wissen, dass nicht jeder Patient immer gleich eine sofortige Behandlung braucht. Hier hat sich in den letzten zwei bis vier Jahren das Konzept der Active Surveillance herauskristallisiert. Aus den Screening-Studien, die in dieser Zeit abgeschlossen wurden, weiß man, dass man sehr viele Patienten behandeln muss, um ein Leben zu retten. Daher versucht man, das so gut wie möglich auf die Patienten zu beschränken, die wirklich bedroht sind und eine Therapie brauchen. Für Patienten ist es manchmal schwierig, zu verstehen, warum sie nicht behandelt werden, nachdem sie dreimal biopsiert wurden. Aber die Diagnostik zielt eben darauf ab, dass versucht wird, die biologisch aggressiven Karzinome zu erfassen, und wenn sich herausstellt, dass es sich eher um einen Low-Risk-Tumor handelt, kann auch zugewartet werden. Der PCA3-Score, der FDA-approbiert ist, erlaubt eine besser Indikationsstellung zu einer Re-Biopsie.

Das Gleiche hat sich beim Nierenzellkarzinom getan, das über Jahrzehnte praktisch ausschließlich einer chirurgischen Therapie zugänglich war. Wenn diese nicht möglich war oder sich bereits Metastasen gebildet hatten, konnte man nichts mehr machen. Auch hier sind innerhalb der letzten zehn Jahre sehr viele Substanzen auf den Markt gekommen, die ältesten sind Sunitinib (Sutent®) und Sorafenib (Nexavar®). Wir verfügen hier also mittlerweile über ein breites Spektrum von Medikamenten, die man in bestimmten Reihenfolgen einsetzen kann und soll. Im Falle eines chirurgischen Eingriffs wird heute organerhaltend therapiert, wohingegen früher praktisch immer die ganze Niere entfernt wurde.

Bei der Resektion eines Blasentumors ist die PDD (Photodynamische Diagnostik) als Neuerung zu nennen.

Auf dem Gerätesektor haben sich die Endoskope verbessert. Es gab technische Entwicklungen wie das Narrow Band Imaging, wo man Licht in einem eingeschränkten Spektralbereich verwendet, wodurch besonders gute Sichtverhältnisse entstehen. Weiters gab es Entwicklungen wie Chip-on-the-Tip, wo der Chip an der Endoskop-Spitze sitzt, wodurch man wieder besonders gute Sichtverhältnisse hat, die Uretero-Renoskope wurden besser, sodass wir auch hoch oben im Harntrakt liegende Steine endoskopisch rasch entfernen können. Das ist wichtig, denn wenn man etwa 25 Jahre zu den Anfängen der ESWL (der Zertrümmerungstechnik) zurückgeht, wurde das bereits damals von den Patienten sehr geschätzt, weil sie sich einen offenen Flankenschnitt ersparten, der mit einer gewissen Morbidität und zeitweiligem Berufsausfall verbunden war. Heute haben sich die Erwartungshaltungen verändert, und die Patienten wollen den Stein so schnell wie möglich loswerden. Dadurch gewinnt die endoskopische Entfernung unter Sicht zusehends an Bedeutung gegenüber der ESWL. Dies war nur durch bessere Endoskope möglich, die heute dünner sind, wodurch man leichter an die Steine herankommt.

Auch die Roboterchirurgie soll erwähnt sein. Das ist ein schwieriges Kapitel, denn auf der einen Seite ist es eine interessante technische Entwicklung, von der aber momentan bei genauerer Betrachtung der onkologischen und funktionellen Ergebnisse kein wirklicher Vorteil ableitbar ist. Der Roboter alleine macht keine besseren Chirurgen.

Neue Erkenntnisse gibt es auch in verschiedensten anderen Bereichen, wie z.B. auch bei der BPH (benigne Prostatahypertrophie) und bei LUTS (Lower Urinary Tract Symptom). Früher war LUTS eine zwingende gedankliche Verbindung zur BPH. Heute weiß man, dass das bestenfalls für einen Teil der Patienten zutrifft und dass viele andere Störungen, also Drangsymptomatiken wie Polyurie und Nykturie nicht ausschließlich mit einer BPH vergesellschaftet sind.

Auch hier ist auf dem Gebiet der Antimuskarinika einiges passiert bzw. sind neue Beta-3-Rezeptor-Agonisten in Entwicklung. Damit können diese Patienten besser, sinnvoller und ursächlicher behandelt werden. Früher konnte nur die Prostata operiert werden, was natürlich die Drangsymptomatik nicht immer verschwinden ließ.