Urologie II

Die Urologie gehört zu den innovativsten Fächern der Medizin. Welche neuen Behandlungsformen in den vergangenen zehn Jahren besonders sichtbaren Fortschritt gebracht haben, ist in wenigen Worten fast nicht aufzuzählen, weil es zahlreiche Verbesserungen gegeben hat. Einige davon seien hier stellvertretend genannt.

Wenn wir den häufigsten bösartigen Tumor des Mannes, das Prostatakarzinom, betrachten, gab es gleich mehrere großartige Entwicklungen: Zunächst ist die medikamentöse Behandlung von Knochenmetastasen mit Zoledronsäure zu nennen. Diese Substanz gehört zu den so genannten Bisphsophonaten, Stoffe, die den Körper zum Wiederaufbau von Knochenstruktur anregen, was bei den zumeist knochenauflösenden Prostatakarzinommetastasen eine enorme Verbesserung gebracht hatte. Die Patienten hatten früher starke Schmerzen und neigten häufig zu schwer behandelbaren Knochenbrüchen. Mit der Zoledronsäure sind solche schrecklichen Krankheitssymptome selten geworden. Doch dieser Erfolg wurde noch von einer weiteren Innovation übertroffen: Die Erkenntnis, dass ein Signal-Eiweiß maßgeblich zur Knochenauflösung im menschlichen Körper beiträgt, führte zur Entwicklung von Denosumab, einem monoklonalen Antikörper, der dieses Protein unschädlich macht. Der Antikörper wurde zunächst erfolgreich bei Frauen mit metastasiertem Brustkrebs oder auch gutartigem Knochenschwund eingesetzt und gelangt nun auch bei Männern mit Prostatakrebs zur Anwendung. Das völlig neue Behandlungskonzept scheint deutlich weniger Nebenwirkungen zu haben als die bisher üblichen.

Aber die wahrscheinlich wichtigste Innovation beim Prostatakrebs dürften neue Hormontherapiepräparate darstellen, von denen das erste seit wenigen Monaten für die Behandlung des metastasierten Prostatakarzinoms zugelassen ist. Arbiraterone heißt diese Substanz, die in den inneren Stoffwechsel der Krebszelle eingreift, indem die Wirkung männlicher Geschlechtshormone in Zusammenhang mit dem Rezeptoreiweiß gestoppt wird. Die bisherigen Daten zeigen eine überzeugende Wirkung bei sehr geringem Nebenwirkungsspektrum. Weitere, ähnliche Medikamente sind bereits entwickelt und warten auf ihre Zulassung. In der Urologie geht man davon aus, dass diese Medikamente die Behandlung des Prostatakarzinoms völlig revolutionieren und in wenigen Jahren zugunsten einer weniger aggressiven Therapie verändern werden.

In den vergangenen zehn Jahren wurde in der Urologie das Thema Erektionsstörungen neu definiert und damit dem meist stillen Leiden vieler Männer ein Ende gesetzt. Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten haben die organischen Ursachen dieser Erkrankung aufgedeckt. Das war erst durch die bahnbrechende Entdeckung der Phosphodiesterase-Hemmer möglich, eine Medikamentengruppe, die den Abbau von Stickstoffmonoxyd, einem wichtigen Molekül für die Gefäßweitstellung im Schwellkörper des männlichen Gliedes, hemmt. Dabei ist mit der Einführung von Tadalafil ein doppelter Schritt zu besserer Lebensqualität der betroffenen Männer gelungen, denn dieses Medikament wirkt relativ lange im Körper und ermöglicht auf diese Weise eine ungezwungene Sexualität. Und überdies hat sich in jüngster Zeit herausgestellt, dass Tadalafil auch die Symptome der gutartigen Prostatavergrößerung mildern kann, was dazu führt, dass man zwei häufig gemeinsam auftretende Störungen nun mit einem Medikament behandeln kann.

Auf dem Gebiet der überaktiven Blase sind seit Jahrzehnten krampflösende Medikamente, so genannte Spasmolytika, erfolgreich in Verwendung. Solifenacin, eine neue Substanz aus dieser Gruppe, brachte einen deutlichen Fortschritt, da dieses Medikament nicht nur sehr wirksam, sondern auch vergleichsweise nebenwirkungsarm ist. Frauen, bei denen Harninkontinenz generell häufiger auftritt, kann damit geholfen werden.

Und auch für Kinder hat die Urologie gute Nachrichten: Das nächtliche Einnässen ist eine stigmatisierende Entwicklungsstörung und wird bei Kindern ab dem fünften Lebensjahr als krankhaft betrachtet. Hier hat die künstliche Nachahmung eines Hormons zur Steuerung des Wasserhaushaltes, das Desmopressin, seine hilfreiche Wirkung. Nun ist es jedoch gelungen, dieses Medikament in einer stark verbesserten Darreichungsform anzubieten: Bisher mussten Kinder das Medikament mit einem Nasenspray zu sich nehmen, was nicht nur sehr unangenehm in der Anwendung, sondern auch durch die bei Kindern häufigen Atemwegsinfekte mit schlechter Wirkstoffaufnahme verbunden war. Nun gibt es eine kinderfreundliche Schmelztablette, die Kinder einfach unter ihrer Zunge auflösen lassen können, die wie ein Zuckerl schmeckt, dabei aber viel weniger Wirkstoff benötigt, weil dieser direkt über den Kreislauf zu seinem Wirkort im Gehirn gelangen kann. Die Wirkung konnte so verbessert und die Nebenwirkungsrate drastisch reduziert werden.

Dies sind nur die medikamentösen Verbesserungen. Aber auch in der operativen Urologie gibt es zahlreiche Erfolge zu nennen, wie die moderne Steintherapie, die endo- und laparoskopischen Operationstechniken oder die stark verbesserten Eingriffstechniken bei Harninkontinenz oder bei Prostatakrebs. Dieser medizinische Fortschritt hat dazu beigetragen, das Leben der betroffenen Menschen nicht nur zu verlängern, sondern auch zu verbessern –ein Anspruch, der zu Recht an die Medizin gestellt wird.