Was ist neu? Was kann 2013 in die Praxis umgesetzt werden?

Effektivität: Niedrigeres LDL-Cholesterin ist besser

Patienten mit manifestem Typ-2-Diabetes – unabhängig davon, ob eine klinisch evidente Atherosklerose vorliegt oder nicht – werden nach den aktuell gültigen ESC/EAS-Leitlinien (Reiner et al., Eur Heart J 2011) als Personen mit „sehr hohem Risiko“ (Wahrscheinlichkeit eines schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignisses > 10 % pro 10 Jahre) eingeschätzt, mit einem empfohlenen Therapieziel für das LDL-Cholesterin (LDL-C) von < 70 mg/dl. Dies gilt auch für Patienten mit Typ-1-Diabetes und Mikroangiopathie (z. B. Mikroalbuminurie) oder stabil eingeschränkter Nierenfunktion (eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 Körperoberfläche). Diese Leitlinie für Diabetespatienten deckt sich völlig mit den Lipidempfehlungen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (Wascher et al., Wien Klin Wochenschr 2012) und relativ weitgehend mit den Lipidempfehlungen der ADA 2013.
Die wesentliche wissenschaftliche Grundlage für die obigen Empfehlungen ist die Metaanalyse der Cholesterol Treatment Trialists’ (CTT) Collaborators (Lancet 2010), welche die Ergebnisse von 5 Studien „mehr vs. weniger Statin“ mit 21 Studien „Statin vs. Placebo (oder ,usual care‘)“ verglich. Intensive LDL-C-Senkung vs. Standardsenkung wurde in 2 Studien nach akutem Koronarsyndrom (PROVE-IT; A to Z) und in 3 Studien bei stabiler koronarer Herzkrankheit (TNT, IDEAL, SEARCH) geprüft, wobei insgesamt fast 40.000 Patienten untersucht wurden. Alle Studien zeigten zumindest einen positiven Trend, während nur PROVE-IT und TNT eine signifikante Reduktion des primären Endpunkts aufwiesen. Die Metaanalyse ergab, dass eine mittlere LDL-C-Senkung von ca. 20 mg/dl in der mit potenten Statinen behandelten Gruppe eine hoch signifikante Reduktion vaskulärer Ereignisse um 15 % mit sich brachte (p < 0,0001); diese setzte sich zusammen aus einer Reduktion von Tod durch koronare Herzkrankheit und nichttödlichem Myokardinfarkt um 13 %, einer Reduktion koronarer Revaskularisationen um 19 % und einer Reduktion von Schlaganfällen um 16 %. Es fand sich ein Trend zu niedrigerer kardiovaskulärer Mortalität, aber kein Unterschied in der Gesamtmortalität.
Extrapoliert auf einen Unterschied im LDL-C von 40 mg/dl entsprach dieser Zusatznutzen vollständig dem Nutzen von Statin vs. Placebo. Der Zusatznutzen war auch bei LDL-C-Ausgangswerten < 80 mg/dl gegeben, sodass eine aggressive LDL-C-Senkung von 80–120 mg/dl das Gefäßrisiko um 40–50 % zu senken imstande ist.
Eine Post-hoc-Subgruppenanalyse von Teilnehmern der PROVE-IT-Studie, die LDL-C-Werte von z. B. 40–60 mg/dl erreichten, zeigte gute Effektivität (relative Risikoreduktion um 33 %) ohne wesentliche Sicherheitsbedenken. Die Tatsache, dass nach mittlerweile ca. 20 Jahren Nachbeobachtung der ersten Statinstudien keine Hinweise für erhöhte nichtvaskuläre Sterblichkeit bestehen, spricht für die Sicherheit pharmakologisch erzielter LDL-C-Werte im Bereich von 40–70 mg/dl.

Sicherheit: Statine sind diabetogen

Neben den bekannten, seltenen Nebenwirkungen von Statinen (Myopathie: 1 Fall pro 1.000 Behandelte pro 10 Jahre), Rhabdomyolyse (0,2 Fälle pro 1.000 Behandelte pro 10 Jahre), erhöhte Leberfunktionsparameter und – vielleicht – hämorrhagischer Schlaganfall (1 Fall pro 1.000 Behandelte pro 10 Jahre) führen Statine beim Nichtdiabetiker zu einer Erhöhung des Diabetesrisikos von 9 % (siehe DIABETES FORUM 3/2012; Beitrag „Statine und Diabetesrisiko“).

Umsetzung strengerer LDL-C-Ziele in der Praxis

Statine in Standardintensität – in obigen Studien Pravastatin 40 mg, Simvastatin 20–40 mg und Atorvastatin 10 mg – führen zu einer mittleren LDL-C-Absenkung von < 40 %. Die in den Studien verwendeten Statine hoher Intensität waren Atorvastatin 80 mg oder Simvastatin 80 mg (welches wegen erhöhter Myopathieraten nicht mehr eingesetzt werden sollte).
Falls der LDL-C-Zielwert von < 70 mg/dl bei Patienten mit Diabetes nicht mit Statinen in Standardintensität erreichbar ist, steht mit Atorvastatin 20–80 mg eine inzwischen frei verschreibbare Substanz aus der grünen Box zur Verfügung; alternativ dazu Rosuvastatin, welches positive Daten in der Primärprävention aufzuweisen hat.
Bei Statinnebenwirkungen oder komplexer Komedikation mit Interaktionspotenzial empfiehlt sich eine Kombination niedrig dosierter Statine mit Ezetimib, nachdem die Wirkung der Statine vornehmlich, wenn nicht ausschließlich aus der Senkung des LDL-C resultiert.

Berücksichtigung des diabetogenen Potenzials der Statine

Die mittlerweile etablierte Steigerung des Diabetesrisikos durch Statine sollte zu folgenden Konsequenzen führen:

  • Glukosekontrollen unter Statinen beim Nichtdiabetiker
  • Keine Änderung in der Indikationsstellung der Statine

Nachdem dieser ungünstige Effekt nicht Folge der LDL-C-Senkung, sondern „statinspezifisch“ und darüber hinaus bei potenten Statinen stärker ausgeprägt ist, könnte daraus ein Vorteil für Ezetimib-Statin-Kombinationen abgeleitet werden.