European Federation for coloRectal Cancer – Multidisziplinäre Therapie des Kolorektalkarzinoms

Durch die Aufbauarbeit der letzten Jahre ist es gelungen, die weltweiten Opinion Leader für diesen attraktiven Kongress zu gewinnen. Nach den Eröffnungsworten durch Rektor W. Schütz und den Ärztlichen Leiter R. Krepler hat der Koordinator des Comprehensive Cancer Centers (CCC), C. Zielinski, die Bedeutung der Zusammenarbeit von Pathologen, Radiologen, Strahlentherapeuten, Gastroenterologen, Onkologen und Chirurgen unterstrichen.

„Evolution and revolution in colorectal cancer“: Der wissenschaftliche Teil wurde vom Kongresspräsidenten B. Teleky mit dem Vortrag: „Evolution and revolution in colorectal cancer“ eröffnet. In seinem Vortrag stellte er die Entwicklung der kolorektalen Chirurgie seit dem Mittelalter dar. Die Zeitreise ging weiter mit den revolutionären Schritten der Einführung der Antibiotika und der Anästhesie, denn nur so war große Chirurgie möglich, die nicht zuletzt durch die erste Gastrektomie durch Billroth in Wien ihren Ursprung hatte. Ein Überblick auf die neuen Operationstechniken, wie laparos kopische Chirurgie, NOTES (Natural Orifices Transluminal Endoscopic Surgery) und SILS (Single Incision Laparoscopic Surgery) spannte den Bogen in das 21. Jahrhundert. Vom ersten Nachmittag sollen stellvertretend zwei Vorträge zum Thema Diagnostik hervorgehoben werden. Mariana Berho, Pathologin an der Cleveland Clinic, Florida, sprach über prädiktive und prognostische Marker. Wir werden in naher Zukunft Tumorbiologie und Therapieansprechen noch besser vorhersagen können. Wir wissen heute, dass im Stadium II des Kolonkarzinoms bestimmte Patienten durch eine 5-FU-Therapie ein schlechteres Gesamtüberleben haben und nicht von einer adjuvanten Therapie profitieren. Weitere Marker werden untersucht und stehen kurz vor dem klinischen Einsatz. Wissenschaftlicher Schwerpunkt der niederländischen Pathologin Iris Nagtegaal aus Nijmegen ist die genaue Aufarbeitung des Operationspräparats durch den Pathologen. Die Erkenntnisse zu Risikofaktoren, wie z. B. die Infiltration des zirkumferenziellen Randes beim Rektumkarzinom, sowie die Auffindung zusätzlicher Lymphknoten haben Einfluss auf die weitere Behandlung des Patienten. Auch bei den Tumorboard-Besprechungen der Medizinischen Universität Wien ist ein Pathologe anwesend, um auf bestimmte Risikokonstellationen bei der Fallbesprechung hinzuweisen.

Operation von Lebermetastasen: eine kurative Chance: R. Adam aus Paris ist die Personifizierung dieses Paradigmenwechsels. Als längst gelebte Realität werden Patienten mit Lebermetastasen heute einer neoadjuvanten Therapie zugeführt. Nach kurzer Chemotherapiedauer werden die Patienten anschließend operiert. Fragen zur Therapiedauer, aber auch technische Fragen, etwa nach der zu resezierenden Metastasen-Anzahl wurden diskutiert. Auch hier wurde der Stellenwert der prognostischen Marker und der Patientenselektion betont. Die moderne Operationstechnik des Rektumkarzinoms ist die TME (totale mesorek – tale Exzision). Aus der Schule von B. Heald, der die Operationstechnik der TME eingeführt hat, stammt B. Moran. Er hat anschaulich gezeigt, dass bei der TME der Chirurg ein prognostischer Faktor ist. Durch eine optimale Operationstechnik kann die Lokalrezidivrate drastisch gesenkt werden. Trotz jahrzehntlangem Einsatz der TME zeigte die angeregte Diskussion seines Vortrages, dass auch hier noch viele offene Fragen bleiben. Die laparoskopische Technik wurde von E. Rullier aus Bordeaux vorgestellt. In erfahrenen Händen zeigt die Laparoskopie auch beim Rektumkarzinom Vorteile für den Patienten wie verkürzter Spitalsaufenthalt, geringere Schmerzen und frühere Rehabilitation bei gleichem onkologischem Ergebnis. Einen sehr kritischen Vortrag hat J. Marshall von der Georgetown University gehalten. Er hat die Euphorie der genaueren Kenntnis der molekularbiologischen Abläufe in der Tumorzelle gebremst und tumorzellspezifische Strategien gegen Chemotherapie und vor allem Antikörpertherapien veranschaulicht. Die Tumorzelle ergreift sofort Gegenmaßnahmen. Werden etwa Rezeptoren spezifisch blockiert, werden andere Rezeptoren hochgefahren, um das Tumorzellwachstum sicherzustellen.

Operationstechnik sichert Lebensqualität: St. Wexner, der große Chirurg von der Cleveland Clinic Florida ist nicht nur 2 Meter groß, seine Meinung ist in Amerika unumstritten. Sein Vortrag über Laparoskopie beschäftigte sich im Besonderen mit dem Dickdarmkrebs. Auch hier hat sich ein Vorteil für diese Technik gezeigt und an sehr großen Fallzahlen bestätigt. Z. Krivokapic aus Belgrad stellte den Stellenwert der Chirurgie auch im lokal weit fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung dar. Multiviszerale Tumorreduktion führt zur Verlängerung der Überlebenszeiten bei guter Lebensqualität. W. Hohenberg aus Erlangen, Deutschland, hat das Konzept der TME auf den Dickdarmkrebs umgelegt und zeigte durch Operationsoptimierungen mittels CME (komplette mesokolische Exzision) eine höhere Lymphknotendissektionsrate, die einen Überlebensvorteil bringt.

Kurzzeit- versus Langzeitbestrahlung: Ein besonderer Schwerpunkt bei allen EFR-Kongressen ist die Diskussion über die Strahlentherapie des Rektumkarzinoms. Seit der Sauer-Studie (NEJM, 2004) wird in Europa nur mehr präoperativ bestrahlt, nur in Einzelfällen wird die postoperative Radiatio eingesetzt. Offen und heftig diskutiert ist die Dauer beziehungsweise Intensität der Strahlentherapie. L. Pahlman aus Uppsala ist ein Vertreter der Kurzzeitbestrahlung (25 Gy in 5 Tagen) und zeigte Zahlen aus dem schwedischen Register. Ebenfalls angesprochen wurde der optimale Operationszeitpunkt, kommt es doch auch bei der Kurzzeitbestrahlung zu einer gewünschten Tumorverkleinerung, wenn das Intervall zwischen Bestrahlungsende und Operation mindestens 6 Wochen beträgt. Ein Vorreiter für die Optimierung der Strahlentherapie in Europa ist V. Valintini aus Rom, der einen europäischen Konsensus zur Diagnostik, Terminisierung und Patientenselektion bei der Strahlentherapie erarbeitet hat. In seinem Vortrag zeigte er, wie die enge Zusammenarbeit von Strahlentherapeut und Chirurgen die Prognose des Patienten beeinflusst.

Onkologen mit Chirurgen gemeinsam: Die Herausforderung, eine Krebserkrankung gemeinsam zu behandeln, das Wissen vom anderen zu lernen und jeweils die beste Behandlungsmöglichkeit einzusetzen war Ziel dieses Kongresses. Daher war der onkologische Schwerpunkt nicht Abschluss, sondern neuerlich ein Höhepunkt. E. van Cutsem hat genau gezeigt, wie das moderne Behandlungskonzept der Kombinationschemotherapie mit Antikörpereinsatz gezielt und individualisiert auf die Tumorbiologie abgestimmt neue Wege ermöglicht. Mit dem Wissen um biologische Marker wie KRAS stehen wir am Beginn einer neuen Ära „maßgeschneiderter“ Therapien. Durch zielgerichtete Antikörpergabe können wir unnötige Toxizität verhindern, aber auch aus ökonomischer Sicht ist es wichtig, die vorhersagbar wirksamste Therapie zum Einsatz zu bringen.

Junge Wissenschaftler aus Europa: Über 80 Poster wurden für den Ingeborg- Hörhager-Preis eingereicht. Dieser nach einer verstorbenen Patientin benannte Preis wurde von deren Sohn an drei ausgewählte wissenschaftliche Arbeitsgruppen vergeben. Bei den ausgestellten Pos – tern zeigte sich die hohe Qualität der Arbeiten aus dem gesamten neu geformten Europa, aber auch aus dem nichteuropäischen Raum. Gerade die Förderung und Ausbildung auf dem Gebiet des kolorektalen Karzinoms wird in den nächsten Jahren der Schwerpunkt des Vereines sein.

Im Übrigen: Beim Jubiläumskongress der EFR 2013 kann der Verein auf eine zehnjährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. Sie möchten daran teilnehmen? Der 8. Internationale EFR-Kongress wird vom 4. bis 6. April 2013 wieder in Wien stattfinden.

Sämtliche Vorträge können unentgeltlich über die EFR-Website aufgerufen werden: www.efrcancer.org

Die Poster wurden im Rahmen der Förderung junger europäischer Wissenschaftler mit Unterstützung der Firma Amgen im Supplement des Journals European Surgery publiziert.