Zitronenmelisse – verlockender Geruch, verlockende Wirkung

Die Zitronenmelisse (Melissa officinalis), auch Melisse, Frauenkraut, Bienenkraut oder Mutterkraut genannt, gehört zur Familie der Lippenblütler (Lamiaceae). Die Pflanze stammt ursprünglich aus dem östlichen Mittelmeerraum und wird heutzutage in ganz Europa bis Zentralasien kultiviert. Sie gilt als beliebte Gewürz-, Arznei- und Bienenweidepflanze, wächst mehrjährig und verströmt – entsprechend ihrem Namen – einen angenehm zitronenartigen Geruch.

Ein Kraut mit Geschichte

Für die Volksmedizin war die Melisse in früheren Epochen nahezu unentbehrlich. So schrieb ihr Hildegard von Bingen im 12. Jahrhundert gar die Heilkraft von 15 Kräutern zu und empfahl sie bei Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, rheumatischen Erkrankungen und Magenbeschwerden. Für den Arzt Paracelsus war sie 3 Jahrhunderte später der Inbegriff aller guten Kräfte der Natur: „Melisse ist von allen Dingen, welche die Erde hervorbringt, das beste Kräutlein für das Herz.“ Ihre Wahl zur Arzneipflanze des Jahres 1988 sowie zur Heilpflanze des Jahres 2006 zeigt bis dato ihre ungebrochene Bedeutung in der Phytotherapie.

„Heutzutage“, so Univ.-Doz. Dr. Reinhard Länger, Gutachter am Institut für Zulassung & Lifecycle Management des Bundesamts für Sicherheit im Gesundheitswesen BASG/Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit AGES Medizinmarktaufsicht, „wird Melisse hauptsächlich bei funktionellen Magen-Darm-Beschwerden, nervösen Einschlafstörungen und in Form von Spezialextrakten bei Herpes simplex-labialis-Infektionen angewandt.“

Inhaltsstoffe

Pharmazeutisch interessant sind dabei die Blätter mit ihrem wertvollen ätherischen Öl. „Der zitronenartige Geruch der Blätter ist auf das enthaltene ätherische Öl mit den Hauptkomponenten Citral und Citronellal zurückzuführen“, betont Länger. Die Zusammensetzung des ätherischen Öles kann abhängig von Herkunft, Klima, Erntezeitpunkt und Alter der Pflanze schwanken. Der Ölgehalt ist mit 0,02 bis 0,8% gering, was aromatische Extrakte sehr kostbar macht. „Neben ihrem ätherischen Öl werden Hydroxyzimtsäure-Derivate, insbesondere Rosmarinsäure, Chlorogensäure und Kaffeesäure als wesentliche Inhaltsstoffe angesehen“, weiß Länger.

Anwendung

Das HMPC (Committee on Herbal Medicinal Products) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA hat Melissentee und flüssige alkoholische Auszüge aus Melissenblättern als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. „Basierend auf langjährigen Erfahrungswerten können Zubereitungen aus Melissenblättern somit zur Besserung von stressbedingten Symptomen, als unterstützende Einschlafhilfe sowie bei leichten krampfartigen Beschwerden im Verdauungstrakt (Blähungen) eingesetzt werden“, berichtet Länger.
Zur äußerlichen Anwendung eines speziellen Melissenextraktes in Form einer Salbe oder Creme bei Herpes-simplex-labialis-Infektionen liegen Daten aus klinischen Prüfungen vor.

Melisse gegen Einschlafstörungen

Bei leichten bis mittelschweren Insomnien ist neben allgemeinen schlaffördernden Maßnahmen, insbesondere der Schlafhygiene, die Einnahme eines pflanzlichen Arzneimittels oft ausreichend. Zu den bekanntesten Heilpflanzen bei Schlafproblemen zählt neben Baldrian oder Hopfen die Zitronenmelisse. Die schlaffördernde Wirkung bestimmter Baldrianzubereitungen und Baldrian-Hopfen-Kombinationen konnte in klinischen Prüfungen dokumentiert werden (siehe entsprechende Bewertungsberichte des HMPC), die Anwendung der Zitronenmelisse beruht hingegen auf der Erfahrung langjähriger Anwendung.

Hinweise

Bei bekannten Allergien gegen Melisse müssen Melissenzubereitungen gemieden werden. Für die Anwendung von Melissenblättern während der Schwangerschaft, Stillzeit oder für die Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren liegen noch keine Untersuchungen zur Unbedenklichkeit vor.