Epidemiologie von Schlafstörungen

Mit Prävalenzraten, die in der Literatur zwischen 10 % und 50 % angegeben werden1, stellen Schlaf – störungen ein häufiges und wichtiges Gesundheitsproblem dar.

Schlafstörungen können einerseits eigenständige Erkrankungen (z. B. Narkolepsie, periodische Beinbewegungen, Restless Legs Syndrom …) sein, andererseits andere Krankheiten begleiten (z. B. neurologische und psychiatrische Erkrankung, degenerative Erkrankungen des Stützapparates, konsumierende Erkrankungen, Schmerzzustände im Rahmen anderer Erkrankungen); sie können aber auch andere Krankheiten negativ beeinflussen; viele Studien zeigen eine erhöhte Mortalitätsrate bei verschiedenen Schlafstörungen2.

Außerdem sind Schlafstörungen ein wichtiger gesundheitsökonomischer Faktor, wobei nicht nur die direkten Kosten (durch Diagnose und Therapie bedingt), sondern ebenso die indirekten Folge – kosten eine wichtige Rolle spielen. Ein gestörter Schlaf verursacht auch Müdigkeit am Tage, was das Risiko für Arbeits- und Verkehrsunfälle erhöht.

Die Schlafstörungen sind in der ICSD-2- Klassifikation (International Classification of Sleep Disorders,)3 in 8 Gruppen zusammengefasst (Tab.). Insgesamt gibt es ca. 100 Schlafstörungen, aber nicht für alle liegen ausreichende, aktuelle Prävalenzraten vor.

Zur Prävalenz

Die Prävalenzzahlen dieser Schlafstörungen sind durchaus unterschiedlich und auch stark vom Alter abhängig, da Schlafstörungen im Alter zunehmen. Zu Schlafstörungen liegen sehr viele Studien vor – die jeweiligen Prävalenzzahlen hängen von der untersuchten Population (Altersabhängigkeit) sowie von der Definition und Genauigkeit der Erfassung der jeweiligen Schlafstörungen ab.

Österreich: Bei einer 2007 in Österreich durchgeführten Umfrage zu Schlafgewohnheiten und Schlafstörungen4, gaben insgesamt 18 % subjektiv Schlafstörungen an, der Großteil von ihnen (72 %) klagte über Schlafstörungen, die länger als 6 Monate andauerten.

Nach subjektiver Einschätzung hatten 6 % Einschlafstörungen (Einschlaflatenz über 30 Minuten) sowie 26 % Durchschlafstörungen mit häufigem nächtlichem Erwachen. Auf die Frage nach speziellen Symptomen unterschiedlicher Schlafstörungen gaben 22 % vermehrtes Schnarchen (mit oder ohne Atemaussetzer) an, 22 % klagten über Albträume, 21 % über RLS-Beschwerden, 15 % über Sprechen im Schlaf, 8 % über Zähneknirschen und 2 % über Schlafwandeln.

Insomnien stellen eines der häufigsten Gesundheitsprobleme in den Industrieländern dar, sie sind durch chronischen Verlauf und Zunahme mit dem Alter charakterisiert; Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Darüber hinaus finden sich bei Insomnien hohe Komorbiditäten mit psychischen Erkrankungen, vor allem Depressionen.

Die wichtigste Insomnie ist die sogenannte psychophysiologische Insomnie, eine erlernte Insomnieform, die durch körperliche Symptome und den Schlaf verhindernde Assoziationen charakterisiert ist, das Schlafen-Müssen wird gewissermaßen erzwungen.

Die Prävalenz der Insomnie wird von O’Hayon5 unter Bezug auf westeuropäische, amerikanische und japanische Studien mit 10 bis 48 % angegeben. Die hohe Variationsbreite kann durch die Spezifizierung der Kriterien sowie auch den Grad der Beeinträchtigung des Patienten eingeengt werden. Im ICSD-Manual wird die Prävalenz der psychophysiologischen Insomnie mit ca. 15 % angegeben.

Die obstruktive Schlafapnoe ist durch wiederholte Obstruktion in den oberen Luftwegen charakterisiert, was zu einem Sauerstoffabfall führt. Häufig besteht auch Schnarchen; das Schnarchen selbst muss jedoch nicht mit einer Schlafapnoe einhergehen.

Die Prävalenz der obstruktiven Schlafapnoe ist stark alters- und geschlechtsabhängig und beträgt etwa 5 %. Häufig sind Männer im mittleren Alter (40. bis 60. Lebensjahr) betroffen. Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung wird in der ICDS mit 1 bis 2 % angegeben3, in Deutschland wird die Häufigkeit auf 4 % der Männer und 2 % der Frauen im mittleren Alter geschätzt.

Das Schnarchen ist Ausdruck einer partiellen Obstruktion der oberen Luftwege und ist wesentlich häufiger (zwischen 9 bis 24 % bei Männern und 4 bis 14 % bei Frauen)6.

Die Narkolepsie ist durch extreme Tagesschläfrigkeit sowie affektiven Tonusverlust tagsüber und durch gestörten Nachtschlaf charakterisiert. Laut ICSD liegt die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung bei etwa 0,03 bis 0,16 %3. Die Narkolepsieprävalenz ist sehr von der jeweiligen Population abhängig und beträgt ca.0,5 pro 1.000 Einwohner. In Österreich würden somit etwa 4.000 Menschen an Narkolepsie leiden. Man geht davon aus, dass nur etwa jeder 5. bis 10. Betroffene richtig diagnostiziert ist.

RLS und PLM: Das Restless Legs Syndrom (RLS) ist eine Einschlafstörung, wobei es schon am Abend bzw. in der Ruhephase vor dem Einschlafen zu unangenehmen Sensationen in den Beinen kommt.

Bei den periodischen Beinbewegungen (PML) handelt es sich um wiederholt auftretende minimale Zuckungen der Beinmuskulatur (besonders M. tibialis anterior betroffen), was zu einer Störung und Fragmentierung des Nachtschlafes führt. Laut ICSD wird die Prävalenz des RLS mit 5 bis 15 % in der Gesamtbevölkerung angegeben, bei sekundärem RLS liegen die Prävalenzraten wesentlich höher. Für die periodischen Beinbewegungen liegen keine sicheren Prävalenzraten vor, bei den über 60-Jährigen werden sie jedoch auf ca. 34 % geschätzt.

Komorbide Schlafstörungen: Die Prävalenzzahlen von Schlafstörungen, die andere neurologische oder psychiatrische Erkrankungen begleiten, sind sehr unterschiedlich. Wichtig sind Schlafstörungen, die neurodegenerative Erkrankungen (Demenzen), Morbus Parkinson, Schmer – zen bei Bewegungsunfähigkeit nach Schlaganfall sowie auch Spastik bei MS begleiten.

Auch Schlafstörungen im Rahmen von Krebserkrankungen und altersbedingten degenerativen Veränderungen des Stützapparates und damit verbundenen Schmerzen sind häufig

Zu den Schlafgewohnheiten

Österreich: Eine wichtige Basis für die Abgrenzung von Schlafstörungen sind die Schlafgewohnheiten. In einer österreichischen Umfrage4 gaben 75 % der erwachsenen Österreicher an, 6 bis 8 Stunden Schlaf zu brauchen, etwa 15 % benötigten weniger, 10 % mehr Schlaf. 76 % der Befragten berichteten eine normale subjektive Einschlaflatenz (unter 30 Minuten), 6 % über eine längere Einschlaflatenz. 45 % bevorzugten eine längere Schlafdauer am Wochenende, darunter zu 82 % jüngere Personen (unter 30 Jahre). 23 % hielten einen Mittagsschlaf, wobei Pensionisten und Leute über 50 überwogen. 31 % schliefen gewöhnlich allein, 46 % hatten einen kons tanten, 23 % einen gelegentlichen Bettpartner. Insgesamt waren 41 % mit ihrem Schlaf zufrieden, 18 % berichteten über Schlafstörungen.

Trend zu weniger Schlaf: In vielen Indus – trieländern gibt es einen Trend zu kürzerem Schlaf, wobei viele Studien darauf hinweisen, dass ein kurzer Schlaf (unter 7 Stunden) zu einem höheren Risiko für Gesundheitsstörungen und Erkrankungen (koronare Herzerkrankung, Diabetes usw.) führt als eine Schlafdauer zwischen 7 bis 8 Stunden; auch Langschläfer (über 9 Stunden) scheinen ein höheres Krankheitsrisiko zu haben.

Kosten von Schlafstörungen

Zunehmend werden auch die Kosten verschiedener Erkrankungen gesundheitsökonomisch relevant. Zu unterscheiden sind direkte Kosten für medizinische Leistungen, ambulante/stationäre Versorgung, Diagnostik und Therapie (inkl. Zusatzgeräte und Pflege) sowie indirekte Kosten wie Arbeitslosigkeit, Teilzeitarbeit oder Berentung; dazu kommen noch intangible Kosten wie Abhängigkeit, psychologische Effekte und Schmerzen.

In Deutschland wurden beispielhaft Studien zu den von RLS und Narkolepsie verursachten Kosten durchgeführt. Für RLS wurden Gesamtkosten von ca. 8.000 Euro pro Jahr und Patient (direkte Kosten ca. 2.700 Euro, indirekte ca. 5.300 Euro) geschätzt. Die indirekten Kosten entstanden vor allem durch Arbeitsausfälle und Frühberentung. Für die Narkolepsie ergaben sich wesentlich höhere Kosten (Gesamtkosten ca. 13.000 Euro pro Jahr und Patient, davon direkte Kosten ca. 1.600 Euro und indirekte Kosten ca. 11.600 Euro); auch hier waren die indirekten Kosten vor allem durch Arbeitslosigkeit und Arbeitsausfälle bedingt.

Wenn auch die Kostenschätzung relativ schwierig ist, so gewinnen derartige Schätzungen doch zunehmend gesundheitsökonomischen Einfluss. Somit ist auch für Schlafstörungen dieser Aspekt von großer Bedeutung, zumal hier die indirekten Kosten (Arbeitsausfälle durch Tagesmüdigkeit und ähnliches) im Vordergrund stehen; außerdem sind allfällige Folgekosten von durch Müdigkeit verursachte Arbeits- und Verkehrsunfälle zu nennen.

1 Hajak G on behalf of the SINE Study Group. Epidemiology of severe insomnia and its consequences in Germany. Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci 2001; 251:49-56

2 Kripke D, Garfinkel L et al., Mortality Associated With Sleep Duration and Insomnia. Arch Gen Psychiatry 2002; 59:131-136

3 American Academy of Sleep Medicine, The International Classification of Sleep Disorders Diagnostic and Coding Manual, 2nd edition 2005

4 Zeitlhofer J, Seidel S. et al., Sleep habits and sleep complaints in Austria: current self-reported data on sleep behaviour, sleep disturbances and their treatment. Acta Neurol Scand 2010; 122:398-403

5 Ohayon M, Smirne S., Prevalence and consequences of insomnia disorders in the general population of Italy. Sleep Medicine 2002; 3:115-120

6 DGSM: Kompendium Schlafmedizin, Schulz H (Hrsg), ecomed verlag 1997

Weitere Literatur:

  • Zeitlhofer J, Rieder A et al., Prevalence and Correlates of Nonrestorative Sleep Complaints. Wien Klin Wochenschr 1994; 106/3:86-88
  • Zeitlhofer J, Schmeiser-Rieder A et al., Sleep and quality of life in the Austrian population. Acta Neurol Scand 2000; 102:249-257