Die „Payer“ müssen hinter der regulatorischen Mauer hervortreten

Wir stehen derzeit ganz unvermeidlich vor wachsenden Kosten in der Onkologie. Wenn die Jahreskosten einzelner verfügbarer Therapien heute bereits hoch sind, dann steht mit dem Bedarf für neue Entwicklungen zu befürchten, dass selbst reiche Ländern nicht mehr alles finanzieren können, was am Markt verfügbar ist. Ich denke, es müssen die „Pay er“, jene, die mit der Finanzierung betraut sind, hinter der regulatorischen Mauer hervortreten. Derzeit besteht ein Konsens darüber, dass eine Therapie, die zugelassen ist, in ihrer Wirksamkeit und Sicherheit geprüft wurde und damit bezahlt wird, wobei der Preis mit den Firmen verhandelt wird. Wenn man nur sagt, dass zugelassene Medikamente bezahlt und nicht zugelassene nicht bezahlt werden, und sonst nichts sagt, ist man hoffnungslos abhängig von dem, was kommt. Die Prognosen gehen von einer Verdreifachung der onkologischen Therapiekosten in den nächsten 20 Jahren aus und würden die Mittel des derzeitigen Budgets übersteigen bzw. selbst unter Steigerung dieser Mittel überproportional wachsen. Hinter der Mauer können Chefärzte dann nur hoffen, dass keine neuen Zulassungen kommen, was den Fortschritt untergraben würde. Ich denke daher, dass die „Payer“ hinter der Mauer hervortreten und über die regulatorischen Fragen hinaus eine weitere Diskussion beginnen müssen, nämlich was uns der Fortschritt wert ist. Wer aktiv am Prozess teilnimmt, der vor einer Zulassung stattfindet, gewinnt einen anderen Kenntnisstand von der Therapie und kann nachfolgende Entscheidungen mit größerer Berechtigung treffen. Auf der anderen Seite sitzen oft auch Ärzte hinter einer Mauer und sagen, als Anwälte der Patienten kümmern wir uns nicht um die Kosten – oder aber es wird gegenüber neuen Therapien eine Defensivhaltung eingenommen, die ebenfalls nicht gerechtfertigt ist. Daher brauchen wir eine neue Qualität der Diskussion, ob uns eine Therapie, die effizient und sicher ist, auch die Ressourcen wert ist. Das würde am Ende des Tages die wenig geliebte Frage inkludieren, was ein gewonnenes Lebensjahr wert ist (QUALY). Es hat den Anschein, dass man bei der prognostizierten Schere zwischen onkologischer Kostenentwicklung und dem bereitgestellten Budget um diese Diskussion nicht herumkommt, auch wenn man sie sich nicht wünscht. Ein interessanter Punkt dabei sind unterschiedliche Preise ein und derselben Therapie in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Ressourcen. Daran zeigt sich meines Erachtens die Notwendigkeit der Diskussion auf europäischer Ebene, wobei es – bezogen auf QUALY – nicht nur einen Maßstab geben sollte, der apodiktisch über eine Therapie entscheidet, es kann aber eine Bandbreite definiert werden, die auch eine Sicherheit für die Verfügbarkeit neuer Therapien gewährleistet. Mit QUALY gehen verschiedene Konnotationen einher, eine davon ist, dass in der Geschichte auf ideologisch grausame Weise über den Wert des Lebens entschieden wurde. Das heißt, hier ist ein besonderes Verantwortungsbewusstsein gefordert, das aber ganz unabhängig vom historischen Kontext in jedem Fall gefordert ist. Andererseits steht zu befürchten, dass wenn diese Diskussion nicht geführt wird, wir in eine Entwicklung kommen, in der einzelne Patienten mit dem Ziel der Abwälzung von Kosten hin- und hergeschoben werden, sodass ein offener und ehrlicher Dialog zwischen Spezialisten eines Faches, gesundheitspolitischen Akteuren und den Herstellern gefordert ist. Ein Kostenproblem ist die fehlende Vorhersagbarkeit des Therapieerfolgs. Solange man nicht weiß, wem die neue Therapie den erhofften Vorteil bringt, ließe sich die Verfügbarkeit besonders teurer Medikamente z. B. durch neue Zugangsmodelle wie das Shared-Risk-Modell gewährleisten: D. h. durch Vereinbarungen, mit denen der Hersteller die Verfügbarkeit des Präparats sicher stellt, dessen Kosten vom Gesundheitssystem dann übernommen werden, wenn der Patient tatsächlich anspricht – was nur ein Beispiel von mehreren ist, die international evaluiert werden und eine Richtung angeben, die dann konsensfähig ist oder nicht. Zusammenfassend gibt es verschiedene Modelle, die geeignet sind, damit Betroffene einerseits vom Fortschritt nicht ausgeschlossen werden, die andererseits responsorientiert dabei helfen, unnötige Therapien zu vermeiden und die zumindest das Potenzial haben, die Kosten für die Gesellschaft zu limitieren.