Herausforderungen bei der klinischen Forschung

Ich denke, in Österreich sind die Prioritäten etwas umzureihen, aber im „nationalen Mikrokosmos“ sind die Herausforderungen ähnlich wie im „globalen Makrokosmos“. Die in einem kleinen Land überschaubare Zahl an handelnden Personen ist im internationalen Setting genauso aktiv, weshalb hier ein wechselseitiger Austausch stattfindet. Strukturen sind in Österreich vorhanden, sind dynamisch und können für multizentrische Studien mit begleitender translationaler Forschung genutzt werden. Ohne die klinische Forschung könnten neue Therapien Jahre später zwar reproduziert, aber nicht weiterentwickelt werden. So lässt sich als Beispiel der frühen, zumindest 5 Jahre früheren Verfügbarkeit neuer Substanzen die Aphinity-Studie nennen (ABCSG-Studie 39), in der Pertuzumab im adjuvanten Setting untersucht wird. Wenn man bei einer großen internationalen Studie eingeladen wird mitzumachen und dann noch die maximale Anzahl der Zentren eines Landes durchsetzen kann, ist das sicher auch darauf zurückzuführen, dass Österreich mit der Studientätigkeit der ABCSG oder CECOG seine Innovationskraft bewiesen hat. Wesentlich hierfür ist eine vermehrte Zuweisungspolitik zu den Zentren, um möglichst allen Patienten die Therapie zukommen zu lassen. Wie man Patienten über Innovationen informiert, an denen sie teilhaben können – nämlich ethisch vernünftig, rechtlich zulässig und verantwortungsbewusst –, ist sicher eine gewisse Herausforderung, positive Erwartungshaltungen sind aber bei einer Substanz wie Pertuzumab, die in der Palliativsituation den Status quo um 50 % verbessern konnte, absolut berechtigt.

Rekrutierungszeit und Warten auf den primären Endpunkt: National und international bedarf es Anstrengungen, um die Motivation aller Beteiligten in Langzeitstudien wie etwa der SALSA-Studie (ABCSG-16) aufrechtzuhalten. Rekrutierung und Nachbeobachtung sind zeitintensiv, und der primäre Endpunkt tritt in einer Population mit weitgehend guter Prognose entsprechend erst nach Jahren auf. SALSA beispielsweise rekrutiert 3500 Patienten, die nach good clinical practice qualitativ hochwertig betreut werden, wofür es einen langen Atem von Seiten der Patienten, aber auch der Ärzte, braucht. Ich denke, dass wir durch die straffe Organisation im Vorteil sind, was aber nicht heißt, dass es deswegen einfach ist.

Zeitraum zur Aktivierung einer Studie: Eine Herausforderung im internationalen Setting besteht sicher darin, verschiedene Kulturen oder Traditionen einzelner Länder in einer Studie zu subsumieren. In Österreich bestehen keine wirklich gravierenden Unterschiede in der medizinischen Herangehensweise. Allerdings gab es bis vor wenigen Jahren durchaus Hürden, was die Bewertung durch Ethikkommissionen betrifft, wenn zumindest in jedem Bundesland oder sogar für jedes beteiligte Zentrum eine Genehmigung eingeholt werden musste, was seit Etablierung der Leitethikkommission wesentlich vereinfacht wurde. Die nationale Vereinheitlichung mit einer Homogenisierung der Gesetzeslage zur Erleichterung multizentrischer adjuvanter/neoadjuvanter Studien quer durch Österreich geht nicht zuletzt auf das Betreiben der ABCSG zurück. Auf der anderen Seite lässt sich an rezenten Beispielen immer noch festhalten, dass administrative Gründe und vertragsrechtliche Verhandlungen zu signifikanten Verzögerungen führen und eine innovative Therapie entsprechend lange nicht verabreicht werden kann. Grosso modo sollte aber die Aktivierung einer Studie in Österreich in wenigen Monaten möglich sein.

Sicherstellung der bestmöglichen translationalen Forschung: Die translationalen Arme klinischer Studien sind eine conditio sine qua non für den weiterführenden Erkenntnisgewinn. Hier bieten sich im internationalen Setting Vorteile, was den Zugang zu verschiedenen Möglichkeiten betrifft, die in Österreich extern eingebracht werden müssen, was aber bislang immer gelungen ist.

Nichtmedikamentöse Studien sind aufgrund der mangelnden Finanzierungsbereitschaft international ein massives Problem. Für Österreich gilt das genauso und lässt sich am Beispiel der ABCSGStudie 28 nachverfolgen, wo beim primär metastasierten Mammakarzinom der Frage nachgegangen wird, ob eine Operation das Überleben verbessert. Unserer Studie ist eine von weltweit drei relevanten Initiativen, die diesen Beweis antreten wollen. Leider sind innovative Studien dieser Art sehr zum Schaden der Patienten nur schwer durchführbar, weil sie Fragen beinhalten, die entweder mit schon länger registrierten Medikamenten umgesetzt werden, oder Fragen zur niedrigeren Dosierung oder eben nichtmedikamentöse chirurgische Fragestellungen, die für die Industrie a priori nicht interessant sind. Allein die Basisfinanzierung ist problematisch und auch der Studienverlauf ist mit den minimalen Ressourcen kaum zu forcieren. Noch dazu können wir in Österreich auf keinerlei Stiftungen oder Fonds zurückgreifen, die auf klinische Studien mit entsprechender Größe ausgerichtet wären. EU-Projekte sind zu groß, weil grenzübergreifende Interaktionen benötigt werden, d. h. es braucht hier sehr viel Engagement und Enthusiasmus, und letztlich wäre die öffentliche Hand gefordert, den Wert solcher Studien zu erkennen. Die präklinische und klinische Wissenschaftsfinanzierung muss auf andere Beine gestellt werden. Darüber hinaus beschreiten wir derzeit neue Wege mit dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, um Substanzen aus dem palliativen Setting in die adjuvante Situation zu bekommen. Die sehr große Herausforderung besteht in der Überzeugungsarbeit, dass mit der Kofinanzierung indirekt Kosten gespart und den Versicherten gleichzeitig die bestmögliche Therapie zur Verfügung gestellt wird. Daneben gilt es für die Industrie zu überlegen, ob man bei wenigen Patienten in die Tiefe oder bei mehr Patienten in die Breite geht und wie weit man diese Perspektive bei der Preiskalkulation berücksichtigt.

Die Gefahr der Aufsplitterung klinischer Studien, wie sie von Piccart genannt wurde, ist latent immer vorhanden. Wenn sich das Moment einer guten Kooperation verliert und Partikularinteressen in den Vordergrund treten, ist das für kooperative Studien schlecht. Umgelegt auf Österreich kann man auf eine in mehr als 20 Jahren sehr gut etablierte und auch entsprechend gelebte Interdisziplinarität zurückblicken, die sich nichtsdestotrotz neuen Herausforderungen stellen muss, die nicht immer mit Medizin und Forschung zu tun haben. Partikularinteressen müssen formuliert und zu einem gemeinsamen Nenner gebracht werden, der dann hoffentlich ein gemeinsames Vielfaches ergibt. Ich denke, wir dürfen uns hier nicht zurücklehnen, meistern diese Herausforderungen aber aus meiner Sicht im Interesse aller vorbildlich.