Neue Wege in der Brustkrebsvorsorge

Am 25. 11. 2011 wurde das systematische Mammographie-Screening in Österreich mit dem Beschluss der Bundesgesundheitskommission besiegelt. Unglaubliche 10 Jahre wurde verhandelt. Im März 2013 wird es so weit sein: Die ersten Österreicherinnen werden zu dieser wertvollen Untersuchung eingeladen. In diesem Artikel werden die Eckpunkte des Programms vorgestellt.

Epidemiologie: Brustkrebs ist mit einem Anteil von 28 % die häufigste Krebserkrankung der Frauen in Österreich. Durchschnittlich erkranken 4.900 Frauen pro Jahr an Brustkrebs. 15 % aller Todesfälle zwischen dem 35. und 64. Lebensjahr entfallen auf Brustkrebs. Frühzeitiges Erkennen verbessert die Therapiemöglichkeit und die Heilungschance. Das Mammographie-Screening ist die einzige evidenzbasierte Früherkennungsmethode, die nachweislich zu einer deutlichen Reduktion der Morbidität und Mortalität bei Brustkrebs beiträgt. Dies ist nur dann erfüllbar, wenn entsprechend den EU-Leitlinien für ein qualitätsgesichertes Brustkrebsfrüherkennungsprogramm personelle, technische und strukturelle Vorbedingungen umgesetzt werden.


Situation in Österreich

Derzeit gibt es in Österreich nur ein „opportunistisches Screening“. Bei einem „opportunistischen Screening“ geht die Frau dann zum Früherkennungsröntgen, wenn sie das selbst möchte oder wenn es vom Arzt angeraten wird. Qualitätsstandard, Dokumentationspflicht und Untersuchungsintervalle sind demnach nicht vorgegeben. So werden derzeit nur 40 % aller Frauen in Österreich in der Zielgruppe der 50- bis 69-Jährigen regelmäßig untersucht.

Was sich ab März 2013 ändert

Mit dem populationsbezogenen Mammographie- Screening ist eine organisierte, qualitätsgesicherte, systematisch durchgeführte und flächendeckende Untersuchung einer bestimmten Zielgruppe definiert, in diesem Fall Frauen zwischen dem 45. und 69. Lebensjahr. Diese Empfehlungen waren Grundlagen der in Österreich durchgeführten Pilotprojekte in den Bundesländern Burgenland, Salzburg, Tirol und Wien. Die Ergebnisse zeigen, dass Österreich bei Einhaltung der EU-Vorgaben einen neuen und innovativen Weg der Brustkrebs vorsorge einschlagen wird. So werden die in den Pilotprojekten erzielten Erfolge auf ein österreichweites Programm umgesetzt.

Ergebnisse der Pilotprojekte

  • Standardisierte Einladung mit Terminvorschlag erhöht Teilnehmerrate um mehr als 20 %.
  • Spezielle gestaltete Einladungsfolder und Veranstaltungen erhöhen Teilnehmerrate um 35 % bei Frauen mit Migrationshintergrund.
  • Gesamtteilnehmerrate kann von 40 % auf 70 % nur dann erhöht werden, wenn Parallelstrukturen wegfallen.
  • Ultraschall der Brust bei dichten Brüsten führt zu einer deutlichen Erhöhung der Karzinomerkennungsrate (6 statt 5 bei 1000 Patientinnen) – dabei bleibt die Falsch-Positiv-Rate (unnötige Operationen bei benignen Brustläsionen) gering.
  • Die Pilotprojekte übertreffen Vorgaben der EU-Leitlinien (2 % entdeckter Karzinome vs. 1,5 % EU-Vorgabe).
  • Versorgung durch zertifizierte Radiologieeinrichtungen und geschulte RadiologInnen entspricht dem Standard – demnach ist die Versorgung in Österreich gesichert.

Eckdaten für das geplante nationale Mammographie-Screening

  1. Einladung: Zentrales Einladungsmanagement durch Einrichtungen der Österreichischen Sozialversicherungen aller Frauen zwischen dem 45. und 69. Lebensjahr. 40–44-Jährige und 70–75-Jährige können durch Selbsteinladung teilnehmen. Das Einladungsschreiben gilt als Berechtigungsschein zur direkten Inanspruchnahme und ermöglich somit einen niederschwelligen Zugang.
  2. Qualitätsbewusster Untersuchungsablauf: 100 % Doppelbefundung durch 2 RadiologInnen, bei Diskrepanz Drittbefundung und konsensuelle Entscheidung über weitere Abklärung in speziellen Brustgesundheitszentren. Ultraschalluntersuchung der Brust vor Ort im Anschluss an die Mammographiebefundung durch den befundenden Radiologen bei dichter Brust (Dichte 3 und 4) und auffälligem Mammographiebefund.
  3. Qualitätsstandard: Definierte technische Qualitätssicherung aller eingesetzten Geräte durch das Referenzzentrum für technische Qualitätssicherung an der Medizinischen Universität Wien. Laufende wissenschaftliche Evaluierung, regelmäßiger Dialog zwischen regionalverantwortlichen RadiologInnen und Leistungserbringer. Bei fehlendem Vorliegen der Voraussetzung (z. B. zu hohe Fehlerrate!) endet die Programmteilnahme. Gesicherte Dokumentationspflicht aller erhobenen Daten (von der Ein ladung bis zur Therapie)
  4. Schulungen: Standardisierte Schulung und Fortbildung aller am Prozess beteiligten Fachgruppen.
  5. Weitere Abklärung: Bei Auffälligkeiten in der Screeninguntersuchung verpflichtende weiterführende Abklärung im Assessmentzentrum (Brustgesundheitszentren). Das Assessment kann sowohl nichtinvasive als auch invasive Eingriffe wie z. B. Biopsie beinhalten. Bei bestätigtem positivem Befund Therapie und Nachsorge in multidisziplinären Brustgesundheitszentren.

Zusammenfassung

Österreich schlägt einen innovativen Weg bei der Etablierung eines nationalen systematischen Mammographie-Screenings ein. Dies bedeutet, dass bei der Brustkrebsfrüherkennung neben der Mammographie auch der Ultraschall eingesetzt werden wird. Ein Mehr an Sicherheit für die eingeladenen Frauen wird angestrebt und wird auch erreicht werden. Dieser Weg bedeutet aber auch Verantwortung, nicht zuletzt aufgrund der Vorreiterrolle, in der Österreich von der internationalen Fachwelt genau beobachtet wird. Wir wären daher gut beraten, diesen Schritt auch organisatorisch ordentlich und professionell zu setzen. Als Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Senologie (ÖGS) – dem größten interdisziplinären Forum für Brustgesundheit in Österreich – vermisse ich namens unserer Gesellschaft dieses Prozessverständnis. Wir befinden uns 10 Monate vor dem Start. Steuerungsgruppen werden politisch besetzt, Fachwissen und wissenschaftliche Expertisen werden dabei ignoriert. Haben wir nicht schon genug Skandale?