Vorwort zur European Breast Cancer Conference

Der EBCC war mit über 3.800 Teilnehmern aus mehr als 98 Ländern eine überaus erfolgreiche Veranstaltung zum Thema Mammakarzinom. In dem heute schwierigen Umfeld hätten wir mit weniger Teilnehmern gerechnet, so gab es einen Rückgang der „Corporate Registrations“ im Rahmen von Firmeneinladungen um 45 %, der aber durch individuelle Registrierungen wettgemacht werden konnte. Darüber hinaus war für uns als Organisatoren die Beobachtung wertvoll, dass die Teilnehmer in den Sitzungen auch tatsächlich präsent waren, was das thematische Interesse widerspiegeln kann. Die aus Zeitgründen notwendigen Parallelsitzungen wurden durch „Wrapup Sessions“ so gut wie möglich ausgeglichen. Es gab einen Rekord an eingereichten Abstracts, wobei die Tatsache erfreulich ist, dass Originalarbeiten präsentiert wurden, das heißt, dass einzelne Gruppen dem EBCC bei der Erstpräsentation ihrer Daten einen Vorzug gegenüber anderen Kongressen einräumen, was letztlich den Fortbestand der Veranstaltung sichert.
Sehr erfolgreich war die starke Patientenbeteiligung über Europa Donna als eine der tragenden Institutionen mit dem Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse in eine für Patienten verständliche Sprache zu übersetzen, z. B. im Rahmen des sehr gut angenommenen Patiententags. Brustkrebs ist ein dynamisches Feld, und es zeigt sich, dass das Konzept, zu einem so wichtigen Thema eine eigene internationale Konferenz auszutragen, für Europa sinnvoll ist, weil die großen allgemeinen Krebskongresse durch den Umstand, dass sich die Onkologie immer weiter spezialisiert, heute mit State-of-the-Art-Überblicken andere Aufgaben erfüllen. Last, not least zeigen die vielen positiven Rückmeldungen, dass sich Wien als Kongressstadt bewährt hat, was nicht zuletzt auch für zukünftige onkologische Veranstaltungen interessant ist, die ebenfalls in Wien stattfinden. All das kommt dem Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Österreich zugute.

Auf zwei Themen des Kongresses soll aufgrund ihrer aktuellen Bedeutung für Österreich an dieser Stelle näher eingegangen werden:

Mammographie-Screening

Es haben sich aus den Einreichungen etliche wertvolle Arbeiten zu diesem Thema vor allem aus den Niederlanden und skandinavischen Ländern herauskristallisiert, insbesondere was die Langzeitvorteile betrifft. Screening ist nicht unumstritten, Kosten werden ins Treffen geführt, unnötige Operationen und ein möglicherweise fehlender Überlebensvorteil. Nachdem wir dabei sind, das Mammographie-Screening auch in Österreich umzusetzen, war es in den 20-Jahres-Daten aus Holland doch eindrucksvoll zu sehen, dass am Ende des Tages weniger Patienten an Brustkrebs sterben. Ich würde hoffen, dass nach einer langwierigen Zeit der politischen und standespolitischen Diskussion nunmehr auch in der Sache ein guter Kompromiss erzielt wurde, wenn das österreichische Screening unter bestimmten Bedingungen eine Ultraschalluntersuchung beinhaltet, was eine Neuheit ist, die uns qualitativ von anderen Programmen unterscheiden kann. Man wird sehen, ob bei einer relativ jüngeren Altersgruppe auch wissenschaftlich interessante Zusatzinformationen zu gewinnen sind. Der Ultraschall könnte bei Frauen zwischen dem 45. und 55. Lebensjahr, bei denen die Brust noch relativ dicht ist und die Mammographie an ihre Grenzen stößt, bei der Unterscheidung zystischer Läsionen von soliden Raumforderungen hilfreich sein, was unnötige Operationen ersparen kann und in Österreich systematisch geprüft wird. Das soll nicht heißen, dass es überhaupt keine Nachteile gibt, über die Frauen auch fair aufgeklärt werden müssen. Dennoch ist meine Wahrnehmung die, dass Betroffene im Interesse der Vorsorge oder der früh erkennbaren Erkrankung mit dadurch ausgezeichneten Heilungschancen durchwegs gerne in Kauf nehmen, wenn eine Maßnahme einmal nicht notwendig gewesen wäre, weil das Gefühl der Sicherheit vorrangig ist. Die Heilungsrate eines im Screening entdeckten wenige Millimeter großen Tumors liegt bei annähernd 100 %, was im Interesse der Betroffenen ein entscheidender Faktor ist.

Weiterentwicklung endokriner Therapien, Umgehen von Resistenzmechanismen

Man kann vorwegnehmend festhalten, dass die endokrine Therapie per se doch nicht ganz so erschöpft ist, wie man in den letzten Jahren nach Etablierung von Aromatasehemmern oder Fulvestrant vermuten konnte. Es sind neue Substanzen mit endokrinen Angriffspunkten im Gespräch, zum Teil bestehende Substanzen in neuen Formulierungen, d. h. länger wirksam und leichter einzunehmen, was der Compliance-Problematik dieser Langzeittherapien Rechnung tragen kann. Im Vordergrund steht derzeit aber die Tatsache, dass wir eine Limitation der endokrinen Therapie, die Entwicklung von Resistenzmechanismen, umgehen können, wie am Beispiel des mTOR-Inhibitors Everolimus eindrucksvoll gezeigt wurde. Möglicherweise wird das in Zukunft nicht der einzige Weg sein. Wir erleben gerade, dass sich ein Paradigma der Onkologie verändert, nämlich die Grundregel, dass man bis zur Wirkungslosigkeit behandelt und dann auf eine andere Therapie wechselt, solange bis alle Therapien ausgeschöpft sind. Wir befinden uns am Anfang eines Wegs, redundante Pathways zu blockieren, mit denen Tumorzellen gegenüber einer Therapie unempfindlich werden. Mit Everolimus wurde der Paradigmenwechsel im palliativen Setting in einer Größenordnung dargestellt, die in der Onkologie eine Seltenheit ist: und zwar mit einer Verbesserung des progressionsfreien Überlebens um 70 %. Palliatives Setting heißt, dass heute noch keine der Patientinnen damit geheilt wird. Die Entwicklung befindet sich erst am Anfang, das Ergebnis ist aber so spektakulär, dass selbst in Ländern mit limitierten Ressourcen wie Argentinien oder Kolumbien bereits eine Zulassung erteilt wurde, die in Österreich im Herbst erwartet wird. Visionär kann der Paradigmenwechsel noch sehr viel weiter gehen: Wenn es uns öfter gelingt, bereits verwendete Therapien so weit nachzuschärfen, dass ein erneuter Einsatz möglich wird, würde das dem Ziel der Chronifizierung Vorteile verschaffen. Wenn es uns darüber hinaus noch gelingen würde, einen Teil dieser Vorteile in das Frühstadium der Erkrankung zu übersetzen, worum wir uns derzeit bemühen, könnten sich essenzielle Vorteile ergeben. Wir wissen es nicht: Möglich, dass Resistenzen bereits etabliert sein müssen, damit sie gebrochen werden. Andererseits ist das Frühstadium der Erkrankung aber auch dadurch gekennzeichnet, dass der Feind schwach ist, es gibt nur wenige Tumorzellen oder dormierende Zellen. Wenn die Resistenzentwicklung also bereits im Keim erstickt werden kann, ist die Hoffnung berechtigt, dass mit solchen Therapieansätzen die Heilungsraten weiter steigen. Was die Studie nicht zuletzt auch zeigt, ist ein Kontrapunkt zu der von uns gerne ins Treffen geführten zielgerichteten Individualisierung der Therapie, nachdem dieser Mechanismus bei fast allen Patientinnen zur Wirkung kommt und nicht spezifisch auf eine Tumormutation abzielt.